Innsbruck (lk) - Mut und den Willen, sich mit der eigenen Geschichte kritisch auseinanderzusetzen, zeigt
Tirol als Ausrichter- und Gastgeberland für den heurigen Gesamttiroler Museumstag. Dieser widmet sich der
Geschichte der Psychiatrie und NS-Euthanasie im historischen Raum Tirol und deren Relevanz für die Museumspraxis.
„Mit dem Gesamttiroler Museumstag wollen wir einen besonderen Aspekt der NS-Vergangenheit in Tirol, Südtirol
und dem Trentino aus dem Schatten der Geschichte holen. Die Tötung von psychisch kranken Menschen in der NS-Zeit
ist nicht erst durch die archäologischen Funde in Hall in Tirol wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit
gerückt, in vielen Familien und auch in Dorfgemeinschaften gibt es noch lebendige Erinnerungen an damals verschwundene
Personen. Mit diesem Museumstag wollen wir eine Brücke zwischen der wissenschaftlichen Erforschung dieser
Geschichte und der wichtigen Vermittlung in den Museen schlagen“, betont Kultur- und Bildungslandesrätin Beate
Palfrader.
Wissenschaftliche Auseinandersetzung
Die Fachreferate im Rahmen der grenzüberschreitenden Tagung beleuchten die Geschichte der Psychiatrie und
Euthanasie im historischen Tirol von 1830 bis in die Gegenwart sowie die Möglichkeiten und Grenzen des Lernens
und Gedenkens. In den acht parallel verlaufenden Workshops können die Teilnehmenden tiefer in die Materie
eintauchen und über Möglichkeiten der wissenschaftlichen Aufarbeitung und der musealen Vermittlung diskutieren.
Zudem werden im Rahmen der Fachtagung aktuelle Forschungs- und Ausstellungsprojekte präsentiert. Vor allem
die wissenschaftliche, museale und künstlerische Aufarbeitung und Präsentation dieser Geschichte beschäftigt
die teilnehmenden MuseumsmitarbeiterInnen aus der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino.
Am Museumstag macht die zweisprachige Wanderausstellung „Ich lass mich nicht mehr länger für einen Narren
halten...“ im Haller Kurhaus Station. Sie ging aus dem Kooperationsprojekt „Psychiatrische Landschaften“ des Südtiroler
Landesarchivs und der Universität Innsbruck hervor, das sich der Geschichte der Anstalten in Hall und im italienischen
Pergine sowie der Psychiatrischen Klinik in Innsbruck widmet.
In Erinnerung rufen
Anlass für die Themenfindung des Gesamttiroler Museumstages war unter anderem der Fund eines Massengrabes
am ehemaligen Anstaltsfriedhof des Psychiatrischen Krankenhauses Hall im Jahr 2011. Mit dem Gräberfeld und
der Geschichte der Euthanasie in Tirol beschäftigt sich seitdem eine Expertenkommission des Landes und der
Tiroler Landeskrankenanstalten (TILAK). Das Ergebnis: 360 Insassen der Anstalt wurden Opfer der NS-Euthanasie.
Ein Lern- und Gedenkort neben dem historischen Archiv des Psychiatrischen Krankenhauses Hall soll daran künftig
erinnern.
Am Museumstag werden ähnliche Erinnerungsorte etwa in Schloß Hartheim in Oberösterreich oder in
Pergine im Trentino sowie zahlreiche konkrete Projekte vorgestellt, in denen sich Museen und Gedenkstätten
der Erinnerung an den Umgang mit psychisch Kranken im 20. Jahrhundert und vor allem in der NS-Zeit gestellt haben.
„Die wissenschaftliche Diskussion über die Geschichte der Psychiatrie und der NS-Euthanasie wird derzeit in
allen Teilen der Europaregion intensiv geführt. Ich bin überzeugt, dass der Gesamttiroler Museumstag
2012 diese Themen zum richtigen Zeitpunkt aufgreift und dass er damit auch die kulturelle Bedeutung der Museen
unterstreicht und sie in ihrer Verantwortung als Gedächtnis unserer Gesellschaft stärkt“, so LRin Palfrader.
Der Gesamttiroler Museumstag findet am 17. Oktober 2012 im Kurhaus in Hall in Tirol statt. |