Digitale Agenda   

erstellt am
03. 09. 12

EU-Kommission drängt auf Förderung der funktechnischen Innovation durch gemeinsame Nutzung von Funkfrequenzen
Brüssel (ec.europa) - Die Europäische Kommission hat heute Pläne vorgestellt, wie der exponentielle Anstieg des Datenverkehrs in Mobilfunk- und Drahtlosnetzen bewältigt werden kann, nämlich indem eine gemeinsame Nutzung von Funkfrequenzen bei der drahtlosen (auch breitbandigen) Übertragung ermöglicht wird.

Dank neuer Technologien ist es heute möglich, dass mehrere Nutzer, z. B. mehrere Internetanbieter, bestimmte Frequenzen gemeinsam nutzen. Möglich ist aber beispielsweise auch, die zwischen den Rundfunkfrequenzen verbleibenden Bereiche für andere Zwecke zu nutzen. Die neuen technischen Möglichkeiten schlagen sich aber häufig noch nicht in den einzelstaatlichen Frequenzvorschriften nieder, so dass Mobilfunk- und Breitbandnutzer Gefahr laufen, mit steigender Nachfrage eine immer schlechtere Dienstqualität zu bekommen. Auch das Entstehen eines Binnenmarkts für Investitionen in solche Kommunikationstechnik wird dadurch verhindert.

Ein koordiniertes europäisches Vorgehen zugunsten der gemeinsamen Frequenznutzung wird die Kapazitäten der Mobilfunknetze steigern, billigere drahtlose Breitbanddienste ermöglichen und neue Märkte entstehen lassen, z. B. für Sekundärrechte im Rahmen bestimmter Frequenzzuweisungen.

Neelie Kroes, die für die Digitale Agenda zuständige Vizepräsidentin der Kommission, sagte hierzu: „Funkfrequenzen sind ökonomischer Sauerstoff, den alle Personen und Unternehmen brauchen. Wenn uns die Frequenzen ausgehen, dann werden unsere Mobilfunk- und Breitbandnetze zusammenbrechen. Dazu darf es nicht kommen. Deshalb müssen wir diese knappe Ressource bestmöglich ausnutzen, indem wir sie wiederverwenden und einen Binnenmarkt daraus machen. Wir brauchen einen Frequenzbinnenmarkt, um unsere weltweite industrielle Spitzenposition in der Mobilfunk- und Datentechnik zurückzuerobern und damit in Europa wieder mehr in Forschung und Entwicklung investiert wird.“

Als ersten Schritt im Zuge des neuen EU-Programms für die Funkfrequenzpolitik setzt sich die Kommission nun dafür ein, dass

  1. die Regulierer die funktechnische Innovation unterstützen, indem sie die harmonisierten Binnenmarkt-Frequenzen, für die keine Lizenzen benötigt werden (sog. lizenzfreie Bänder) überwachen und gegebenenfalls ausweiten, was durch geeignete Maßnahmen im Rahmen der Funkfrequenzentscheidung (676/2002/EG) geschehen könnte;
  2. EU-weit abgestimmte Regulierungskonzepte für gemeinsame Nutzungsrechte gefördert werden, die allen (jetzigen und künftigen) Frequenznutzern geeignete Anreize und Rechtssicherheit in Bezug auf eine mögliche Mitnutzung der wertvollen Frequenzen geben.


Hintergrund
Funkfrequenzen sind eine äußerst wertvolle, aber auch immer knapper werdende Ressource. Sie werden immer häufiger für vielfältige Anwendungen in vielen verschiedenen Wirtschaftszweigen eingesetzt und sind die Voraussetzung für drahtlose Breitbanddienste. Angesichts des exponentiellen Anstiegs der Nachfrage, wie sie beispielsweise durch mobile Geräte und WiFi-Hotspots, aber auch durch intelligente Stromnetze und die Automatisierung in der Industrie vorangetrieben wird, muss Europa diese begrenzte Ressource heute viel effizienter nutzen als früher.

Branchenkenner prognostizieren, dass der weltweite Mobilfunkdatenverkehr bis 2015 um jährlich 26 % zunehmen wird. Es wird dann 7 Milliarden Mobiltelefone, Tablet-Computer und andere mobile Geräte geben, die eine Verbindung mit dem Internet herstellen können.

Andere frequenzabhängige funktechnische Innovationen sind drahtlose Sensoren und Fernbedienungen zur Steuerung intelligenter Systeme (die z. B. das Licht ausschalten, wenn niemand zu Hause ist, oder die Klimaanlage temperaturabhängig regeln). Allein für das harmonierte lizenzfreie Frequenzband 863–870 MHz werden jährlich mindestens 40 Millionen solcher Drahtlosgeräte in Europa verkauft.

Dieser wachsenden Nachfrage nach Drahtlosverbindungen steht jedoch nur eine begrenzte Zahl verfügbarer Funkfrequenzen gegenüber. So gibt es beispielsweise keine brach liegenden Frequenzbänder mehr, und die Neuzuweisung von Frequenzen ist mit hohen Kosten verbunden, insbesondere wenn bisherige Nutzer abgeschaltet werden müssen.

Dank des technischen Fortschritts ist es heute aber möglich, durch eine gemeinsame Frequenznutzung zusätzliche Frequenzen bereitzustellen, ohne dass bisherige Lizenzinhaber in ihren Frequenznutzungsrechten beeinträchtigt werden. So sind viele neue Drahtlostechnologien für eine gemeinsame Frequenznutzung in Bändern ausgelegt, für die keine Lizenz benötigt wird (lizenzfreie Bänder). Andere Technologien machen zusätzliche Frequenzen verfügbar, beispielsweise die zwischen den Fernsehfrequenzen liegenden Bereiche (sog. „weiße Flecken“) für drahtlose Breitbanddienste.

Damit solche Konzepte für die gemeinsame Frequenznutzung den größtmöglichen Nutzen entfalten können, müssen regulatorische Hindernisse beseitigt und auf EU-Ebene Anreize geschaffen werden, darunter garantierte Niveaus des Schutzes vor funktechnischen Störungen. Neue Regulierungskonzepte müssen es insbesondere erlauben, unterschiedlichen Nutzern (auch den derzeitigen) für eine bestimmte Frequenz garantierte Nutzungsrechte zur gemeinsamen Nutzung einzuräumen.

Die entsprechend dem Programm für die Funkfrequenzpolitik laufende Bestandsaufnahme der Frequenznutzung wird wichtige Informationen über die derzeitige Nutzung liefern und dadurch die Ermittlung von Möglichkeiten einer vorteilhaften gemeinsamen Nutzung lizenzpflichtiger wie auch lizenzfreier Frequenzen im Binnenmarkt erleichtern. Sobald solche Möglichkeiten feststehen, können sie als Vergleichsmaßstab für andere geografische Gebiete oder eine ähnliche Nutzung in anderen Frequenzbändern ebenfalls in die Bestandsaufnahme aufgenommen werden.

Die Kommission bemüht sich nun um die Unterstützung des Europäischen Parlaments und des Rates für die Schaffung dieses vorteilhafteren Regulierungsrahmens in Europa.

     
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