Ausstellung von Textilkunstwerken aus der ehemaligen Ausstattung der Görzer Synagoge auf
Schloss Runkelstein in Bozen
Bozen (stadt) - Ab 31. August wird die Ausstellung "Simon und Sarah in Bozen" um zwei Räume
erweitert (Eröffnung 17 Uhr). Heute wurde dieser neue Aspekt der Ausstellung im Rahmen einer Pressekonferenz
im Rathaus vorgestellt. Mit dabei Bürgermeister Luigi Spagnolli sowie der Präsident der Stiftung Schlösser
Helmut Rizzolli.
Über 30.000 zahlende Besucher haben bereits die Ausstellung "Simon und Sarah in Bozen" auf Schloss
Runkelstein gesehen, die ein bisher kaum bekanntes Kapitel der Bozner Stadtgeschichte beleuchtet und mit vielen
Entdeckungen aufwartet.
"Die Forschungen, die mit den Vorbereitungen zur Ausstellung 'Simon und Sarah in Bozen' begannen, wurden mit
Ausstellungseröffnung nicht beendet, sondern weitergeführt", sagte Helmut Rizzolli. "Bis dahin
wusste die Forschung nichts um die Existenz einer Synagoge in Bozen, noch weniger über ihre Geschichte. Die
Stiftung Bozner Schlösser hat mit dieser Ausstellung ein bisher unbekanntes Kapitel der Bozner Stadtgeschichte
aufgeschlagen."
Eines der Ergebnisse ist die Zusatzausstellung
Vom Isonzo in die Talferstadt. Vergessene Seiden aus der Görzer Synagoge
von 31.08. - 30.11.2012
Die Sonderausstellung über die vergessenen Seiden aus der Görzer Synagoge knüpft an die im Mittelalter
bestehenden dynastischen Verbindungen zwischen Görz, Lienz und Tirol an.
Im 18. Jahrhundert entwickelte sich Görz zu einem wichtigen Zentrum der Seidenproduktion. Aus dieser Zeit
stammt ein äußerst seltenes Exemplar einer innovativ konzipierten mechanischen Seidenhaspel, die sich
heute im Görzer Landesmuseum befindet. Zudem war die Stadt am Isonzo nicht nur Mittelpunkt der Seidenraupenzucht,
sondern Produktionsort von hochwertigen Seidengeweben, die auf neuartigen Textilmaschinen hergestellt wurden. Über
den Umschlagsort Venedig wurden Görzer Luxustextilien an den Bozner Messen gehandelt. Die jüdische Firma
Isaak Todesco & Söhne aus Verona kontrollierte einen Teil des für Bozen und Hohenems bestimmten Seidenhandels.
Zwei Jahre nach der Durchreise des Rabbi Azulai durch Bozen wurde in Görz eine neue Synagoge, ebenso nach
askenasischer Tradition, errichtet. Diese 1756 fertiggestellte Görzer Synagoge dürfte in vielem der von
Bozen ähnlich gewesen sein. Während die Existenz einer von zwei Rabbinern betreuten Bozner Synagoge erst
seit kurzem nachgewiesen werden konnte, ist jene von Görz als Baudenkmal gut erhalten. Im Ersten Weltkrieg
wurde das Gebäude der Görzer Synagoge im Zuge der Kampfhandlungen zwischen Österreich-Ungarn und
Italien schwer beschädigt. Der immense Schatz an hochwertigen textilen Thoraschmuckstücken wurde von
einem engagierten Sammler gerettet. Dessen Nachlass kam in das Görzer Landesmuseum.
Durch das Entgegenkommen der Museumsleitung und der Landesverwaltung ist es erstmals möglich, dass ein repräsentativer
Teil dieser bisher noch nie gezeigten Textilkunstwerke auf Schloss Runkelstein vorgestellt werden kann.
So ist die Ausstellung "Simon und Sarah", die bisher größtes Interesse ausgelöst hat,
Anlass um eine Vorstellung über die Einrichtung der Bozner Synagoge zu gewinnen und der wirtschaftlich hebräischen
Achse Görz-Venedig-Bozen nachzuspüren. Die Blütezeit der Görzer Seidenproduktion fällt
nicht zuletzt mit dem Höhepunkt der Bozner Messen zusammen, die die Drehscheibe für Luxustextilien in
Richtung Mitteleuropa bildeten. Mit dem Niedergang der überregionalen Bozner Märkte in der Franzosenzeit
scheint sich auch eine Abwanderung der im Fernhandel tätigen jüdischen Familien abzuzeichnen. Dies wirkte
sich auch auf die jahrhundertealten Beziehungen der Talferstadt mit der Stadt am Isonzo aus.Durch das Entgegenkommen
des Görzer Landesmuseum und der Görzer Landesverwaltung wurde es nun es erstmals möglich, bisher
nie gezeigte Textilkunstwerke aus der Görzer Synagoge der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Durch die Forschungen, die seit der Austellungseröffnung con "Simon und Sarah" durchgeführt
worden sind, und die enge Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde in Meran und den in Bozen lebenden Juden,
war es möglich weitere Gegenstände zu entdecken, die mit dieser Synagoge in Zusammenhang stehen: Im jüdischen
Museum von New York befindet sich eine 1698/99 datierte Thorakrone, die aus Bozen stammt. Sie dürfte ursprünglich
die in der Bozner Synagoge verwahrte Rolle geschmückt haben.
Im jüdischen Museum von Wien hingegen hat sich der aufwändig gearbeitete Vorhang erhalten, der einst
den Thoraschrein der Bozner Synagoge verdeckt haben dürfte. Die kostbare textile Arbeit kam als Geschenk einer
Boznerin um 1900 an das Museum. Der Vorhang entstand 1799 im Auftrag des Rabbi Hendle von Bozen.
Heinrich Hendle, der auf diesem Vorhang als Rabbi bezeichnet wird, ist kein Unbekannter. Die Bozner Quellen nennen
ihn häufig. In den Ratsprotokollen der Stadt wird er als Vorsteher der Juden in Bozen bezeichnet und von Kaiser
Franz II. wurde er 1798 zum Hoffaktor (Hoflieferanten) ernannt.
In Bozen übte er den Beruf des Stoffhändlers aus, der auch auf den international bedeutenden Messen in
Bozen tätig war. Zusammen mit seinem Bruder Moses, der in Venedig lebte, war er Inhaber einer Firma, im den
Seidenhandel über den Brenner tätig war. Moses Hendle kaufte von Venedig aus Seidenstoffe im Friaul und
in Venetien auf, die Heinrich dann auf der Bozner Messe verkaufte.
Einer der wichtigsten Produktionsorte dieser Seide war die Stadt Görz, selbst Heimat einer bedeutenden Jüdischen
Gemeinde, zu der die beiden Hendle-Brüder in engem Kontakt standen. Die Görzer Synagoge, die in ihrer
Ausstattung der Bozner durchaus ähnlich gewesen sein dürfte, war ebenfalls mit kostbaren Textilien aus
Seide ausgestattet.
Hauptabnehmer dieser Stoffe war Lazarus Josef Levi, Textilgroßhändler in Hohenenms und Schwager Heinrichs.
Heinrich war mit Levis Schwester Susanna (Scheinle) Levi verheiratet.
Heinrich Hendle ist der vierte Rabbiner, der sich an der Bozner Synagoge nachweisen lässt, und wahrscheinlich
auch der letzte, denn bald nach seinem um 1800 erfolgten Tod verschwindet die seit 1496 nachweisbare Synagoge aus
den Quellen und Anfang des 19. Jahrhunderts wird, wie durch die Ausstellung Simon und Sarah erstmals nachgewiesen
werden konnte, das Bozner "Judenhaus" versteigert und in der Folge einer anderen Nutzung zugeführt. |