Jede vierte Frau durchlebt in der Schwangerschaft oder nach der Geburt eine psychische Krise
Wien (rk) - 18.170 Kinder kamen im Jahr 2011 in Wien zur Welt, genauso oft erlebten Frauen die körperlichen
und emotionalen Höhen und Tiefen von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Schwanger werden und Kinder bekommen
assoziieren die meisten Menschen mit Glück und Erfüllung, doch für rund ein Viertel der werdenden
und jungen Mütter sind Schwangerschaft, Geburt und das erste Lebensjahr ihres Kindes mit gravierenden psychosozialen
Krisen und depressiven Zuständen verbunden, die in Angstzuständen, posttraumatischen Belastungsstörungen
und Depressionen zum Ausdruck kommen.
"Es ist wichtig, dass wir diese Krisen in der Schwangerschaft und der jungen Elternschaft frühzeitig
erkennen und ernst nehmen, da diese auch die psychische Gesundheit und Entwicklung des Kindes beeinträchtigen.
Prävention von Anfang an ist eine Prämisse für die medizinische und psychosoziale Betreuung rund
um Schwangerschaft und Geburt in Wien", erklärt Gesundheits- und Sozialstadträtin Sonja Wehsely.
Die Auslöser dieser Krisen sind vielfältig, wie Isolation, finanzielle Unsicherheit, Konflikte mit dem
Partner, Gewalterfahrungen, Essstörungen, familiärer Druck, Selbstzweifel, ein ambivalenter Kinderwunsch
oder seelische Krisen. International ist sich die Sozialwissenschaft einig, dass fehlende soziale Unterstützung,
geringe Zuwendung durch den Partner, soziale Benachteiligung sowie eine bereits bestehende Depression Risikofaktoren
für eine postpartale Depression darstellen. Für Wien bedeutet das, dass rund 3.000 Mütter jährlich
von einer postpartalen Depression betroffen sind, rund 1.500 Mütter durchleben schwere psychische Krisen.
Allen Frauen, die nicht "guter Hoffnung" sind, ist gemein, dass die Depression nicht erkannt wird und
sie Schuldgefühle entwickeln, weil sie nicht dem Ideal der glücklichen Schwangeren bzw. strahlenden Mutter
entsprechen.
Wien hilft schwangeren Frauen und jungen Eltern
Das Wiener Programm für Frauengesundheit hat zahlreiche Angebote für schwangere Frauen und Mütter
nach der Geburt entwickelt, um betroffene Frauen rechtzeitig und bestmöglich unter die Arme zu greifen: Die
Maßnahmen umfassen Leitlinien und laufende Schulungen zur psychosozialen Schwangerenbetreuung für Geburtshilfeteams.
Die zweisprachige FEM-Elternambulanz im Wilhelminenspital wurde aufgebaut, und Informationsbroschüren für
Betroffene, Angehörige sowie MultiplikatorInnen wurden erstellt. Unterstützt wurde auch die Einrichtung
einer Spezialambulanz für peripartale Psychiatrie im Otto Wagner-Spital. Das "Netzwerk perinatale Krisen"
dient dem regelmäßigen Informationsaustausch von ÄrztInnen, Hebammen, SpitalspsychologInnen und
SozialarbeiterInnen. "Nicht nur für die Gesundheit und Lebensqualität der Frauen ist es wichtig,
eine nachgeburtliche Depression zu lindern. Letztlich wird ihr gesamtes familiäres Umfeld in Mitleidenschaft
gezogen. Der jungen Mutter gelingt es nicht, einfühlsam auf ihr Baby einzugehen. Kinder von Müttern,
die eine psychischen Krise durchleben, laufen Gefahr, bereits in der Kindheit in psychische Krisen zu gleiten,
sie haben ein höheres Risiko, eine unsichere Bindung aufzubauen sowie verhaltensauffällig werden",
sagt die Psychologin und Frauengesundheitsbeauftragte Beate Wimmer-Puchinger. Insofern sind frühe Hilfe und
adäquate Betreuung der Mütter und Väter als Prävention zugunsten der kindlichen Entwicklung
und einer guten Eltern-Kind-Bindung betrachtet werden.
Beratungsstelle bei psychischen Krisen in der Schwangerschaft und nach der Geburt:
FEM-Elternambulanz im Wilhelminenspital
16, Montleartstraße 36-38, Pavillion 20, Tel: 01 49150 4708
Öffnungszeiten: Mo, Di, Fr 8.30-12.30 Uhr, Mi türkischsprachige Beratung,
8.30-12.30 Uhr, telefonische Anmeldung erbeten
Mit den gesundheitlichen und psychosozialen Herausforderungen von Schwangerschaft, Geburt und junger Elternschaft
befasst sich die multidisziplinäre Fachkonferenz "Baby an Bord. Mutter über Bord?" am 17.9.2012
im Rathaus. Veranstalterinnen sind das Wiener Programm für Frauengesundheit, die Medizinische Universität
Wien und die Wiener Gesundheitsförderung. |