Wien (wifo) - Nach dem unerwartet kräftigen Wachstum zu Jahresbeginn expandierte die österreichische
Wirtschaft im II. Quartal 2012 um nur noch 0,1%. Damit hat sich die Konjunktur deutlich abgekühlt, doch ist
diese Entwicklung angesichts der Rezession im Euro-Raum als relativ gut zu bezeichnen. Der Ausblick ist aber gedämpft
und neben der Schwäche der Weltwirtschaft durch die Krise im Euro-Raum belastet. Im Durchschnitt des Euro-Raumes
schrumpfte die Wirtschaftsleistung zwischen April und Juni 2012 um 0,2%.
Nach einer durchaus positiven Entwicklung der Weltwirtschaft im 1. Halbjahr 2012 mehren sich die Zeichen einer
Konjunkturabschwächung. Diese Entwicklung resultiert vorwiegend aus der anhaltenden Krise im Euro-Raum. Vor
allem in Asien zeichnet sich eine Verlangsamung des Wachstums ab. In Lateinamerika und den USA ist die Konjunktur
noch verhältnismäßig stabil.
Die österreichische Wirtschaft gerät zunehmend unter den Einfluss der europäischen Staatsschuldenkrise.
Drei der fünf großen europäischen Volkswirtschaften (Großbritannien, Italien und Spanien)
sind bereits in die Rezession geraten, Frankreichs BIP stagniert, lediglich aus Deutschland kommen noch positive
Wachstumsimpulse. Nach einem Wirtschaftswachstum von real 0,5% im I. Quartal 2012 erhöhte sich die gesamtwirtschaftliche
Produktion in Österreich im II. Quartal gegenüber der Vorperiode um 0,1% (bereinigt um Saison- und Kalendereffekte).
Die mäßige Konjunkturdynamik zeigte sich in nahezu allen Nachfragekategorien: Die Anlageinvestitionen
wurden ähnlich vorsichtig ausgeweitet wie im I. Quartal. Während die Bauinvestitionen gegenüber
der Vorperiode stagnierten, nahmen die Investitionen in Ausrüstungsgegenstände leicht zu. Der Konsum
der privaten Haushalte stagnierte im II. Quartal 2012 zum zweiten Mal in Folge. Der öffentliche Konsum stieg
etwas schwächer als in der Periode zuvor.
Die Situation auf dem Arbeitsmarkt trübt sich in Österreich weiter ein. Saisonbereinigt stieg die Zahl
der unselbständig aktiv Beschäftigten im August gegenüber dem Vormonat um 0,2%. Die Arbeitslosigkeit
erhöht sich wieder, im August waren 233.000 Arbeitslose vorgemerkt (+6,1% gegenüber dem Vorjahr). Die
saisonbereinigte Arbeitslosenquote betrug nach österreichischer Berechnungsmethode im August 7,1%. Die Zahl
der Arbeitslosen in Schulungen nahm zu, jene der offenen Stellen verringerte sich geringfügig.
Die Inflation ist weiter niedrig: Der Anstieg der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr betrug im Juli gemäß
HVPI 2,1%. Die Inflationsrate liegt damit in Österreich etwas unter dem Durchschnitt des Euro-Raumes (2,4%).
Methodische Hinweise und Kurzglossar
Periodenvergleiche
Zeitreihenvergleiche gegenüber der Vorperiode, z. B. dem Vorquartal, werden um jahreszeitlich bedingte Effekte
bereinigt. Dies schließt auch die Effekte ein, die durch eine unterschiedliche Zahl von Arbeitstagen in der
Periode ausgelöst werden (etwa Ostern). Im Text wird auf "saison- und arbeitstägig bereinigte Veränderungen"
Bezug genommen.
Die Formulierung "veränderte sich gegenüber dem Vorjahr . . ." beschreibt hingegen eine Veränderung
gegenüber der gleichen Periode des Vorjahres und bezieht sich auf unbereinigte Zeitreihen.
Die Analyse der saison- und arbeitstägig bereinigten Entwicklung liefert genauere Informationen über
den aktuellen Konjunkturverlauf und zeigt Wendepunkte früher an. Die Daten unterliegen allerdings zusätzlichen
Revisionen, da die Saisonbereinigung auf statistischen Methoden beruht.
Durchschnittliche Veränderungsraten
Die Zeitangabe bezieht sich auf Anfangs- und Endwert der Berechnungsperiode: Demnach beinhaltet die durchschnittliche
Rate 2005/2010 als 1. Veränderungsrate jene von 2005 auf 2006, als letzte jene von 2009 auf 2010.
Reale und nominelle Größen
Die ausgewiesenen Werte sind grundsätzlich real, also um Preiseffekte bereinigt, zu verstehen. Werden
Werte nominell ausgewiesen (z. B. Außenhandelsstatistik), so wird dies eigens angeführt.
Produzierender Bereich
Diese Abgrenzung schließt die NACE-2008-Abschnitte B, C und D (Bergbau und Gewinnung von Steinen und
Erden, Herstellung von Waren, Energieversorgung) ein und wird hier im internationalen Vergleich verwendet.
Inflation, VPI und HVPI
Die Inflationsrate misst die Veränderung der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr. Der Verbraucherpreisindex
(VPI) ist ein Maßstab für die nationale Inflation. Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) ist
die Grundlage für die vergleichbare Messung der Inflation in der EU und für die Bewertung der Preisstabilität
innerhalb der Euro-Zone ( siehe auch http://www.statistik.at/ ).
Die Kerninflation als Indikator der Geldpolitik ist nicht eindeutig definiert. Das WIFO folgt der gängigen
Praxis, für die Kerninflation die Inflationsrate ohne die Gütergruppen unverarbeitete Nahrungsmittel
und Energie zu verwenden. So werden knapp 87% der im österreichischen Warenkorb für den Verbraucherpreisindex
(VPI 2010) enthaltenen Güter und Dienstleistungen in die Berechnung der Kerninflation einbezogen.
WIFO-Konjunkturtest und WIFO-Investitionstest
Der WIFO-Konjunkturtest ist eine monatliche Befragung von rund 1.500 österreichischen Unternehmen zur Einschätzung
ihrer aktuellen und künftigen wirtschaftlichen Lage. Der WIFO-Investitionstest ist eine halbjährliche
Befragung von Unternehmen zu ihrer Investitionstätigkeit ( http://www.konjunkturtest.at/ ). Die Indikatoren
sind Salden zwischen dem Anteil der positiven und jenem der negativen Meldungen an der Gesamtzahl der befragten
Unternehmen.
Arbeitslosenquote
Österreichische Definition: Anteil der zur Arbeitsvermittlung registrierten Personen am Arbeitskräfteangebot
der Unselbständigen. Das Arbeitskräfteangebot ist die Summe aus Arbeitslosenbestand und unselbständig
Beschäftigten (gemessen in Standardbeschäftigungsverhältnissen). Datenbasis: Registrierungen bei
AMS und Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.
Definition gemäß ILO und Eurostat: Als arbeitslos gelten Personen, die nicht erwerbstätig sind
und aktiv einen Arbeitsplatz suchen. Als erwerbstätig zählt, wer in der Referenzwoche mindestens 1 Stunde
selbständig oder unselbständig gearbeitet hat. Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, und Lehrlinge
zählen zu den Erwerbstätigen, nicht hingegen Präsenz- und Zivildiener. Die Arbeitslosenquote ist
der Anteil der Arbeitslosen an allen Erwerbspersonen (Arbeitslose plus Erwerbstätige). Datenbasis: Umfragedaten
von privaten Haushalten (Mikrozensus).
Begriffe im Zusammenhang mit der österreichischen Definition der Arbeitslosenquote
Personen in Schulungen: Personen, die sich zum Stichtag in AMS-Schulungsmaßnahmen befinden. Für die
Berechnung der Arbeitslosenquote wird ihre Zahl weder im Nenner noch im Zähler berücksichtigt.
Unselbständig aktiv Beschäftigte: Zu den "unselbständig Beschäftigten" zählen
auch Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, sowie Präsenz- und Zivildiener mit aufrechtem Beschäftigungsverhältnis.
Zieht man deren Zahl ab, so erhält man die Zahl der "unselbständig aktiv Beschäftigten".
|