Brüssel (ec.europe) - Wo man in Europa lebt, kann sich in hohem Maße auf Bildung und Lebenschancen
auswirken. Dies geht aus einem neuen Bericht der Europäischen Kommission zu Bildungsungleichheit in den europäischen
Regionen hervor, der zwischen den Mitgliedstaaten und auch innerhalb der einzelnen Länder erhebliche Unterschiede
bei den Ausbildungsmöglichkeiten und -ergebnissen aufzeigt. Die Bildungsleistungen folgen einem Nord-Süd-Gefälle:
Die Zahl der Bürgerinnen und Bürger, die höchstens einen Abschluss der Sekundarstufe I haben, ist
in den südlichen Regionen Europas, insbesondere Portugal und Spanien, am höchsten. Am niedrigsten ist
sie dagegen vor allem im Vereinigten Königreich, in Belgien, den Niederlanden und Schweden. Geografische Ungleichheit
in der Bildung gibt es nach wie vor, auch wenn die Mitgliedstaaten sich verpflichtet haben, die Chancengerechtigkeit
in der allgemeinen und beruflichen Bildung zu fördern. Der Bericht, der erste seiner Art, fordert die EU-Länder
auf, mehr dafür zu tun, dass Chancengleichheit Realität wird.
„Alle europäischen Bürgerinnen und Bürger sollten unabhängig von ihrem Wohnort Zugang zu hochwertiger
allgemeiner und beruflicher Bildung haben. Es ist an der Zeit, dass wir Ernst machen und unsere Zusagen einhalten.
Wir müssen uns mit der geografischen Ungleichheit im Bildungsbereich befassen, wenn wir zu einer ausgewogenen
regionalen Entwicklung und sozialem Zusammenhalt kommen wollen. Die europäischen Strukturfonds können
und sollten zu diesem Zweck genutzt werden“, sagte die für Bildung, Kultur, Mehrsprachigkeit und Jugend zuständige
EU-Kommissarin Androulla Vassiliou.
Der Bericht zeigt, dass die Regionen mit dem höchsten Anteil an Personen mit tertiärer Bildung (Bachelor,
Master oder vergleichbarem Abschluss) überwiegend im Vereinigten Königreich, in den Niederlanden, in
Nordspanien und Zypern zu finden sind. Die geringste Zahl an Absolventen im tertiären Bereich gibt es in Italien,
Portugal, Rumänien und der Tschechischen Republik. Der Bericht verweist auch auf erhebliche regionale Unterschiede
bei der Weiterbildungsbeteiligung.
Die nächsten Schritte
Im November wird die Kommission ihre Strategie für ein neues Kompetenzprofil annehmen und damit klarmachen,
dass das Problem der geografischen Unterschiede im Bildungsbereich angegangen werden muss. 2013 wird die Kommission
den Mitgliedstaaten weitere Fakten liefern und Hinweise geben, wie die Chancengerechtigkeit in allgemeiner und
beruflicher Bildung verbessert werden kann.
Ein zweiter Bericht zur Geografie unterschiedlicher Bildungschancen in der EU wird 2013 veröffentlicht.
Regionale Unterschiede innerhalb der Mitgliedstaaten
- Anteil der Studierenden im tertiären Bereich an den 20- bis 24Jährigen: Am größten sind
die regionalen Unterschiede in Belgien (von 120,7 % in der Hauptstadt Brüssel* bis zu 23,4 % in der Provinz
Luxembourg), gefolgt von der Tschechischen Republik (von 100 % in Prag bis zu 5,6 % in Str(ední C(echy)
und Österreich (von 100 % in Wien bis zu 7,3 % in Vorarlberg). * In Regionen mit mehreren Einrichtungen des
tertiären Bereichs (vor allem Hauptstadtregionen) und einem hohen Anteil von Studierenden in der Altersgruppe
über 20-24 kann der Anteil über 100 % liegen.
- Geografischer Zugang zur tertiären Bildung – Anteil der Bürgerinnen und Bürger, die mehr als
eine Stunde entfernt von der nächstgelegenen Universität wohnen: In Spanien sind die regionalen Unterschiede
am größten: von 0 % in Madrid und im País Vasco (Baskenland) bis zu 99,7 % in Ceuta. Es folgen
mit geringem Abstand Griechenland (von 1,2 % in Attiki bis zu 100 % in Ditiki Makedonia), Finnland (von 1,2 % in
Etelä-Suomi bis zu 88,5 % in Åland) und Bulgarien (von 14,4 % in Yugozapaden bis zu 97,4 % in Severozapaden).
- Anteil der Absolventen im tertiären Bereich an den 15- und über 15Jährigen: In acht Mitgliedstaaten
liegen die Regionen mit den besten und schlechtesten Werten mehr als 15 Prozentpunkte auseinander. Am größten
ist der Unterschied im Vereinigten Königreich (23,4 Prozentpunkte, von 41,8 % in Inner London bis zu 18,4
% in Tees Valley and Durham), gefolgt von Frankreich (21,3 Prozentpunkte, von 33 % in der Region Île de France
bis zu 11,7 % auf Korsika), der Tschechischen Republik (18,8 Prozentpunkte, von 25,8 % in Prag bis zu 7 % in Severozápad),
Spanien (17,6 Prozentpunkte, von 34,3 % im País Vasco bis zu 16,7 % in der Extremadura), der Slowakei (17,1
Prozentpunkte, von 27,2 % in Bratislavský kraj bis zu 10,1 % in Východné Slovensko) und Rumänien
(15,4 Prozentpunkte, von 22,5 % in Bucures,ti–Ilfov bis zu 7,1 % in Sud-Muntenia).
- Anteil der Bürgerinnen und Bürger mit niedriger schulischer Bildung: Die größten regionalen
Unterschiede gibt es in Frankreich (von 32,9 % im Elsass bis zu 60,1 % auf Korsika), gefolgt von Griechenland (von
37 % in Attiki bis zu 64,1 % in Ionia Nisia), Spanien (von 44,2 % in Madrid bis zu 67,4 % in der Extremadura),
Rumänien (von 21,9 % in Bucuresti-Ilfov bis zu 42,8 % in Nord-Est) und Deutschland (von 11,9% in Chemnitz
bis zu 30,6 % in Bremen).
- Weiterbildungsbeteiligung: Die bei weitem größten regionalen Unterschiede gibt es im Vereinigten
Königreich (den besten Wert hat Inner London, wo sich 16,1 % der 25- bis 64Jährigen an Weiterbildungsmaßnahmen
beteiligen, den schlechtesten Nordirland mit 5,7 %).
Hintergrund
Der „Mind the Gap“-Bericht zu Bildungsungleichheit in den europäischen Regionen wurde vom Expertennetzwerk
für soziale Aspekte der allgemeinen und beruflichen Bildung (NESSE) für die Europäische Kommission
erstellt. Die Leitung der Autorengruppe hat Dr. Dimitris Ballas von der Universität Sheffield im Vereinigten
Königreich.
Der Bericht basiert auf Eurostat-Daten und enthält über 100 Karten, in denen die regionalen Unterschiede
dargestellt sind. Für jeden untersuchten Indikator werden die zehn EU-Regionen, die am besten abschneiden,
sowie die 10 schlechtesten Regionen angegeben. Weitere wichtige Ergebnisse des Berichts:
- Regionale Unterschiede beim Lernen erschweren eine ausgeglichene regionale Entwicklung und ausgewogenes Wirtschaftswachstum.
- Regionale Unterschiede in der Bildung verstärken die Ungleichheit zwischen den EU-Regionen. Sie fördern
auch die Abwanderung qualifizierter Kräfte in die stärker entwickelten Regionen.
- Art, Ausmaß und Auswirkungen der ungleichen Bildungschancen variieren stark zwischen den EU-Regionen.
Es werden keine allgemeinen, sondern zielgerichtete politische Lösungen benötigt.
- Durch effektive Nutzung der europäischen Strukturfonds können regionale Bildungsunterschiede und
ihre Auswirkungen korrigiert werden.
- Wir brauchen eine systematischere Erhebung von Daten unterhalb der regionalen Ebene, um die Wissensbasis zu
verbessern und die Politik mit Informationen zu diesem Thema zu versorgen.
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