Gemeindebund präsentiert OGM-Umfrage und Bürgermeister-Erhebung
Wien (gemeindebund) - In einer Blitzumfrage durch das Meinungsforschungsinstitut OGM hat der Österreichische
Gemeindebund im Vorfeld des Gemeindetages die Stimmungslage bei der Bevölkerung über die politischen
Ebenen erheben lassen. "Wir haben das in den letzten Jahren immer wieder abfragen lassen", erklärt
Gemeindebund-Chef Mödlhammer. Zum Teil könne man die Ergebnisse daher vergleichen und Trends ablesen.
Die Frage "Welcher politischen Ebene vertrauen Sie am meisten?" beantworten 39 Prozent mit: "Meiner
Gemeinde". 23 Prozent vertrauen den Bundesländern am meisten, nur 9 Prozent vertrauen der Bundesebene,
6 Prozent der EU-Ebene. "Erfreulich ist für uns natürlich, dass die Menschen der Gemeindepolitik
immer noch am meisten Vertrauen schenken", so Mödlhammer. "Wobei man schon anmerken muss, dass der
generelle Frust über die Politik auch auf diesen Index stark duchschlägt. Für die Bundesländer
und die Gemeinden sind diese Vertrauenswerte in Ordnung, der Bund und auch die EU sollten sich Gedanken darüber
machen, wie sie verloren gegangenes Vertrauen wieder herstellen können."
Eindeutige Antworten geben die Menschen auf die Frage, welche Ebene (Bund, Land, Gemeinde) am effizientesten arbeitet.
"Auch hier liegen die Gemeinden mit großem Abstand voran (50 %), gefolgt von den Bundesländern
(25 %)", so Mödlhammer. "Interessant ist übrigens, dass mit zunehmender Größe der
Gemeinde das Vertrauen in die Effizienz der Verwaltung abnimmt", so Mödlhammer.
Knapper werden die Ergebnisse dann, wenn man die Menschen fragt, welche Ebene künftig an Einfluss und Entscheidungsgewalt
gewinnen soll. Allerdings waren bei dieser Frage Mehrfachnennungen möglich. 45 Prozent wünschen sich,
dass die Gemeinden an Einfluss und Bedeutung gewinnen, 34 Prozent finden, dass die Länder an Bedeutung zunehmen
sollten. Der Bund erreicht auch bei dieser Frage mit 22 Prozent den schlechtesten Wert.
"Grundsätzlich können wir festhalten, dass die Arbeit der Gemeinden bei den Menschen höchste
Wertschätzung genießt", resümiert Mödlhammer. "Der flächendeckende Vertrauensverlust
betrifft aber alle politische Ebenen und sollte ein Warnsignal sein. Ein weiterer Hinweis ist in diesem Zusammenhang
auch die Tatsache, dass die Gruppe jener, die auf all diese Fragen keine Angabe machen wollte, zwischen 13 und
24 Prozent aller Befragten ausgemacht hat.
Berufsbild Bürgermeister: Ein Knochenjob mit viel Verantwortung
Gemeinsam mit dem renommierten Beratungshaus PriceWaterhouseCooper (PwC) hat der Österreichische Gemeindebund
die heimischen Bürgermeister/innen zum "Berufsbild Bürgermeister" befragt.
Dabei gaben 88 Prozent der rund 500 befragten Ortschefs an, dass sich ihr Aufgabengebiet in den letzten Jahren
vergrößert hat. Verkleinert hat sich das Pensum de facto bei niemandem. "Die Belastungen steigen
nicht nur für die Gemeinden als Gebietskörperschaften, sondern auch für die politisch verantwortlichen
Funktionsträger", weiß auch Gemeindebund-Vizepräsident Alfred Riedl. "Die Leute erwarten
oft einen Wunderwuzzi an der Spitze ihrer Gemeinde, der sich um alles kümmert, der Manager und Beichtvater
zugleich ist. Das setzt viele Amtskollegen unter gewaltigen Druck." Dazu kommt, dass mit den Aufgaben auch
die Risken des Amtes steigen.
"In den letzten Jahren nehmen wir eine deutliche Häufung rechtlicher Auseinander-setzungen wahr",
berichtet Amtskollege Rupert Dworak. "Praktisch jeder Bürgermeister hat die Sorge, dass er früher
oder später geklagt oder in die persönliche Haftung genommen wird. Und das ist nicht so, weil die Kollegen
und Kolleginnen nicht sorgfältig arbeiten würden, sondern weil die Tendenz zunimmt, dass man für
alles einen Schuldigen sucht." Die Ergebnisse der Befragung zeigen auch, dass die Befürchtung durchaus
real ist. Im österreichweiten Durchschnitt hatte rund die Hälfte aller Bürgermeister/innen schon
einmal mit haftungsrechtlichen Problemen zu kämpfen.
Ein Drittel will nicht mehr kandidieren
Dass die Funktion des/der Bürgermeister/in bei vielen auch Spuren hinterlässt zeigt die Tatsache, dass
29 Prozent der heimischen Ortschefs nach der aktuellen Periode nicht mehr antreten wollen. "Wir stehen hier
einerseits vor einem Generationenwechsel", beobachtet Alfred Riedl. "Andererseits sind die vielfältigen
Anforderungen und Belastungen aber sicherlich auch ein Grund dafür, warum der ein oder andere Kollege darüber
nachdenkt, ob er sich das noch antun will." Mehr als 70 Prozent der Bürgermeister/innen üben ihr
Amt derzeit neben ihrem Zivilberuf aus.
Die immer noch mangelhafte soziale Absicherung im Bürgermeisteramt ist ein weiterer Baustein. "Gerade
in den letzten Jahren haben wir als Gemeindevertreter-verbände hier einiges erreicht", betont Riedl.
"Die Bezüge sind leicht gestiegen, dennoch gibt es bei der sozialen Absicherung noch einiges zu tun.
Schließlich nehmen aktive Bürgermeister/innen mit ihrem Amt auch in Kauf, dass sie im Zivilberuf zurückstecken
müssen, weil sie viel Zeit in ihr Amt investieren."
Ausbildung und Schulung sind Zukunftsthemen
Wenig überraschend, aber umso wichtiger ist daher die bei der Umfrage geäußerte Forderung nach
mehr und besseren Ausbildungsangeboten für Amtsträger. "Wenn die Anforderungen steigen, dann steigt
auch das Bedürfnis nach mehr Schulungsangeboten", sagen die beiden Gemeindebund-Vizes Alfred Riedl und
Rupert Dworak. "Ein großer Teil der Kollegen würde sogar verpflichtende Schulungen begrüßen."
Dies sei nicht nur bei Amtsantritt ein Thema, "wichtig ist, dass es ähnlich wie bei den leitenden Bediensteten
ein permanentes Angebot an Aus- und Weiterbildung gibt", so Riedl. "Hier sind wir vom Gemeindebund schon
in sehr konkreten Gesprächen, um Ausbildungsschienen zu öffnen, die auch für die Zeit nach dem Bürgermeisteramt
wertvoll sind."
Die Ortschefs haben dabei auch eine sehr präzise Vorstellung davon, in welchen Bereichen es einen Ausbildungsbedarf
gibt. "Viele Kollegen kommen ja ins Amt und haben davor noch nie einen Betrieb oder ein Unternehmen dieser
Größenordnung geführt", so Rupert Dworak. "Unternehmensführung steht daher ganz
oben auf der Wunschliste dicht gefolgt von mehr Bildungsangeboten in den Bereichen Finanzierung, Baurecht, Organisation
und Vergaberecht." Für die Interessensvertretungen sei die Bereitstellung entsprechender Angebote, egal
ob verpflichtend oder freiwillig, daher eine wichtige Zukunftsaufgabe.
Schlussfolgerungen und Forderungen des Österreichischen Gemeindebundes
- Die politischen Ebenen haben mit einem teils dramatischen Verlust an Vertrauen zu kämpfen, der den Bund,
die Länder und die Gemeinden gleichermaßen betrifft. Das Vertrauen in die Gemeinden als bürgernächste
Einheiten ist dabei noch mit Abstand am größten.
- Dieser Vertrauensverlust existiert zum Teil auch zwischen den politischen Ebenen. Der Bund macht Gesetze und
Verordnungen, ohne Rücksicht darauf, welche Kosten und Aufwände diese Regeln in den Ländern und
Gemeinden nach sich ziehen. Der Gemeindebund fordert daher die Prüfung jeder Gesetzesvorlage durch den Rechnungshof,
bevor sie in Begutachtung geht. Der RH soll dabei vor allem auf die Kostenfolgen neuer Gesetze und Verordnungen
achten.
- Effizienz ist keine Frage der Größe von Organisationseinheiten. Verwaltung und Abläufe werden
nicht automatisch effizienter, je größer eine Einheit ist.
- Arbeitspensum und Anforderungen an Bürgermeister/innen steigen mit jedem Jahr. Die Aus- und Weiterbildung
von Amtsträger/innen ist als wesentliche Notwendigkeit von den Bürgermeister/innen erkannt. Der Österreichische
Gemeindebund und seine Landesverbände werden versuchen, das Angebot an Bildungsmöglichkeiten deutlich
zu erhöhen und zu intensivieren.
- Die soziale Absicherung von Bürgermeister/innen ist immer noch ein nicht zufriedenstellend gelöstes
Problemfeld. Der Österreichische Gemeindebund fordert die Abschaffung bestehender Nachteile für Bürgermeister/innen
in sozialrechtlicher Hinsicht. Angesichts der Tatsache, dass ein Drittel der Amtsträger bei der nächsten
Wahl nicht mehr antreten will, brauchen wir dringend qualifizierten und motivierten Nachwuchs für das Bürgermeisteramt.
- Wichtiger Teil der Absicherung der Ortschefs ist auch die Minimierung haftungsrechtlicher Risken. Die Zahl
rechtlicher Auseinandersetzungen, von denen Bürgermeister/innen auch persönlich betroffen sind, steigt.
Bundes- und Landesgesetzgeber haben ihr auch eine Schutzfunktion gegenüber den Bürgermeister/innen.
Niederösterreich ist bei Gemeindekooperationen Vorreiter
Immer neue Aufgaben und saftige Kostensteigerungen bei sinkenden Einnahmen machen auch den Gemeinden in Niederösterreich
schwer zu schaffen. Die niederösterreichischen Gemeindevertreterverbände von ÖVP und SPÖ haben
den Bedarf an nachhaltigen Reformen im Kommunalbereich erkannt. VP-GVV-Präsident Alfred Riedl und SP-GVV-Präsident
sind sich einig: "Unsere Antwort heißt kooperieren - und nicht zwangsfusionieren!"
Das Land NÖ hat bereits Anfang 2012 ein umfassendes Gemeindekooperationspaket sowie eine Änderung der
Gemeindeordnung beschlossen. Es ist dies ein Schritt hin zu mehr Sparsamkeit unter Aufrechterhaltung der derzeitigen
Gemeindestrukturen.
Die beiden blaugelben Gemeindevertreter-Chefs unisono: "Wir in NÖ setzen auf Kooperation und haben dafür
auch ein tolles Anreizmodell als Unterstützung vom Land bekommen. Damit bleiben die Heimatgemeinde, der Heimatbürgermeister
und bleiben viele bewährte Mandatare erste Ansprechpartner für Ihre Bürger/innen. Und bei Verwaltungsangelegenheiten,
bei der Gebühreneinhebung, beim Kanal oder auch bei Betriebsansiedelungen oder Anschaffungen wird zukünftig
noch stärker zusammengearbeitet. Das sichert die soziale Bindung und ist gleichzeitig wirtschaftlich effizient."
Das Gemeindekooperationspaket im Detail:
- Das Land stellt eine Förderung von 30 Mio. Euro für Kooperationsprojekte von Gemeinden zur Verfügung.
- Als Service für Kooperationen werden den Gemeinden ein Hauptkoordinator und fünf Projektverantwortliche
für Regionen in der Abteilung Gemeinden angeboten.
- Verpflichtende "Kooperations-Checks" für alle Investitionsprojekte sind vorgesehen.
Für die Förderung von Verwaltungskooperationen stellt das Land den Gemeinden zwei Millionen Euro bereit.
Präs. Alfred Riedl: "Was wir dabei allerdings nicht wollen, ist Kooperation um jeden Preis. Stattdessen
setzen wir auf Kooperation um der Effizienz willen. Deswegen wird bei Gemeindevorhaben in Zukunft in einem Kooperations-Check
nicht nur die Möglichkeit der Kooperation ausgelotet, sondern sehr wohl auch, ob die Kooperation oder vielmehr
eine Einzeldurchführung im Moment und auf die Lebensdauer des Projektes hochgerechnet "effizienter"
ist. Effizienz durch Zusammenarbeit steht für uns im Vordergrund."
"Klar ist für uns auch: Dass Gemeindezusammenlegungen nicht die Antwort auf sinkende Einnahmen in den
Gemeinden sein können", so Präs. Rupert Dworak, "die Gemeinden sind die einzige Gebietskörperschaft
mit den geringsten Schulden und den meisten Aufgaben. Wir wissen dass die Gemeinden verantwortungsbewusst, sparsam
und effizient arbeiten und wirtschaften - auch in schwierigen Zeiten, das muss uns erst einmal jemand nachmachen."
In dem Zusammenhang fordern Riedl und Dworak auch, mit der Mär rund um die Gemeindezusammenlegungen aufzuräumen,
dass größer, billiger heißt. Aktuelle Studien belegen mit ihren Zahlen deutlich, dass beispielsweise
die Verwaltungskosten in größeren Gemeinden doppelt bis dreimal so hoch sind, als in kleinen Gemeinden.
Die beiden GVV-Präsidenten: "Wir kennen keine Gemeinde, die nicht mindestens in fünf verschiedenen
Verbänden mit anderen Gemeinden zusammenarbeitet. Derzeit gibt es österreichweit rund 1500 Gemeindeverbände,
in denen die Gemeinden in Verwaltungsgemeinschaften zusammenarbeiten und budgetentlastende Kooperationen unterhalten.
Weitere Beispiele sind Schulverbände, gemeinsame Kinderbetreuung, Abwasserver- und -entsorgung, Bauhofkooperationen.
Interkommunale Zusammenarbeit findet nicht am Unwillen der Gemeinden ihre Grenzen, sondern war immer dort möglich,
wo der Nutzen auch erkennbar wurde. Die niederösterreichischen Gemeinden haben ihre Hausaufgaben in Sachen
Strukturreform bereits in den 70-er Jahren des vorigen Jahrhunderts gemacht. Nicht umsonst haben wir heute auch
gesunde und effiziente Gemeindestrukturen."
Derzeit laufen in neun nö. Bezirken (Amstetten, Gmünd, Melk, Mödling, Neunkirchen, Schrems, Tulln,
Waidhofen/Thaya, Wr. Neustadt) neue große Kooperationsprojekte an. Besonders hervorzuheben sind die Bezirke
Mödling ("Smart District Mödling") und Tulln, wo sich jeweils alle Bezirksgemeinden um neue
Kooperationsmöglichkeiten bemühen. Bis 2013 sollen dann die ersten Ergebnisse vorliegen.
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