ERC-Grant für Theoretischen Physiker Karsten Held   

erstellt am
11. 09. 12

Der TU-Physiker Karsten Held wird mit einem der großen europäischen Förderungspreise ausgezeichnet: Er erhält einen ERC-Starting-Grant für seine quantenmechanische Materialforschung.
Wien (tu) - Mit aufwändigen Computerprogrammen kommt man heute ganz neuen Materialeigenschaften auf die Spur. Prof. Karsten Held entwickelt am Institut für Festkörperphysik der TU Wien neue Rechenmethoden um das komplizierte, quantenmechanische Zusammenspiel der Elektronen zu verstehen, das für viele überraschende Effekte verantwortlich ist. Vom European Research Council erhält er nun einen „ERC-Starting Grant“, der mit etwa 1,5 Millionen Euro dotiert ist. Damit wird Karsten Held in den nächsten fünf Jahren seine Forschungsgruppe erweitern und seine wissenschaftliche Arbeit intensivieren.

Viele Teilchen – schwierige Rechnung
Das erste Objekt, das quantenmechanisch beschrieben werden konnte, war das Wasserstoffatom – ein besonders einfaches System, mit nur einem einzigen Elektron. Jedes zusätzliche Teilchen, das berücksichtigt werden muss, macht die Rechnungen unvergleichlich viel komplizierter. Trotzdem gibt es heute Methoden, das Zusammenspiel einer Vielzahl von Teilchen zu beschreiben.

Für die moderne Materialwissenschaft ist das unverzichtbar, denn viele spannende Eigenschaften neuer Materialien lassen sich nur ergründen, wenn man das quantenphysikalische Verhalten der Elektronen am Computer simuliert. „Supraleitung bei hohen Temperaturen, Quanten-Phasenübergänge nahe am absoluten Temperatur-Nullpunkt oder das Verhalten von Elektronen in winzigen Nanostrukturen – es gibt eine ganze Reihe von Quanten-Effekten, die theoretisch noch immer nicht ausreichend gut beschrieben werden können“, sagt Karsten Held.

Der Nobelpreis war erst der Anfang
Ein wichtiger Fortschritt in der theoretischen Materialforschung war die Entwicklung der Dichtefunktionaltheorie, für die 1998 der Chemie-Nobelpreis an Walter Kohn vergeben wurde. In den vergangenen Jahrzehnten gab es viele wichtige Weiterentwicklungen in der quantenmechanischen Beschreibung von Festkörpern. Erst vor einigen Jahren wurde die „Dynamical Mean Field Theory“ (DMFT) entwickelt – Karsten Held gilt als einer der Pioniere auf diesem Gebiet.

Die DMFT-Methode kann Quanten-Korrelationen zwischen Elektronen beschreiben, die am selben Gitterpunkt eines Kristalls sitzen. Für viele wichtige Effekte muss aber auch berücksichtig werden, dass Elektronen unterschiedlicher Gitterpunkte quantenphysikalisch in Verbindung stehen. „Die DMFT hat große Fortschritte gebracht und ist heute State of the Art – doch ganz besonders bei niedrigen Temperaturen kann es zu Effekten kommen, die auch damit nicht erklärt werden können“, sagt Karsten Held.

Karsten Held und sein Team arbeitete daher an einer neuen Methode – der „Ab Initio Dynamical Vertex Approximation“ (DGA), mit der Elektronen-Korrelationen auf größeren Längenskalen nun beschreibbar werden. Möglich wurde das durch mathematisch komplizierte Ansätze aus der Quantenfeldtheorie. „Erste Tests haben bereits gezeigt, dass unsere Methode funktioniert. Nun wollen wir die Methode weiter entwickeln, wichtige physikalische Fragestellungen besser verstehen und sogar konkret Materialien berechnen“, erklärt Held.

Grundlagenforschung und Anwendung
Einerseits soll die neue Methode ermöglichen, bestimmte Materialien am Computer verstehen zu lernen und neue Aussagen über Supraleitung, Quanten-Phasenübergänge oder Nanostrukturen zu machen. Andererseits soll auch ganz allgemein ein tieferes theoretisches Verständnis dieser Phänomene gewonnen werden.

Der ERC-Grant soll Karsten Held nun ermöglichen, in den nächsten fünf Jahren sein Team zu vergrößern und eine weltweit führende Forschungsgruppe aufzubauen. Eine wichtige Rolle wird dabei auch die Computer-Infrastruktur spielen: Aufwändige Rechnungen brauche außerordentliche Computerleistung, die an der TU Wien der Großrechner VSC liefern wird. Karsten Held ist jedenfalls zuversichtlich: „Wien hat eine lange Tradition der Methodenentwicklung in der Festkörperphysik – wir wollen an den großen Fortschritten der Vergangenheit anknüpfen und Rechenmethoden für das 21. Jahrhundert entwickeln.“
     
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