IV-Präsident Kapsch: Zentraler Stellenwert der Industrie für Wachstum und Wohlstand -
Brauchen neues wirtschafts- und gesellschaftspolitisches Grand Design
Wien (pdi) - "Wir reparieren nur laufend anstatt endlich neue, grundlegende Konzepte ins Leben
zu rufen. Wir brauchen eine neue Aufbruchsstimmung, den Willen als Europäer in der Welt etwas bewegen zu wollen",
so der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Mag. Georg Kapsch, am 20.09. im Rahmen einer Pressekonferenz
zur Vorstellung des "Wirtschaftspolitischen Diskurses" der IV. "Weltweit stellen immer mehr Menschen
die Sozialliberale Marktwirtschaft in Frage, die Finanzkrise hat diese Dynamik noch verstärkt." Es brauche
somit ein neues wirtschafts- und gesellschaftspolitisches Grand Design, das die zentrale Rolle der Industrie als
den Motor für Wachstum und Beschäftigung berücksichtigt. Die IV habe mit dem "Wirtschaftspolitischen
Diskurs" eben einen solchen zukunftsgerichteten Entwurf erarbeitet: "Im Zentrum der österreichischen
Wirtschafts- und Sozialordnung sollen künftig drei gesellschaftspolitische Visionen stehen: Freiheit &
Lebensqualität, Gemeinwohl & Teilhabe, Wohlstand & Engagement. Es braucht daher ein Optimum an Freiheit
und Lebensqualität. Dies setzt aber ein hohes Maß an Eigenverantwortung sowie die entsprechenden Chance
zu einem selbstbestimmten Leben voraus", so Kapsch. Für möglichst alle Personen brauche es zudem
die Möglichkeit, am Gemeinwohl Anteil zu haben sowie Wohlstand - nicht nur im materiellen Sinne, sondern auch
als Zugang zu Arbeit, Bildung, Gesundheit, sozialer Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit, politischer Partizipation,
Freizeit und Kultur.
Der IV-Präsident skizzierte auszugsweise zentrale Anregungen des "Wirtschaftspolitischen Diskurses".
So sei hinlänglich bekannt, dass es dringend Reformen im Bildungssystem brauche: "Wir müssen bei
den Kleinsten beginnen: Wir brauchen die besten Kindergärten und Volksschulen Europas." Viel zu tun gebe
es im Bereich Migration und Integration: "Die Rot-Weiß-Rot-Card ist noch nicht dort, wo sie sein sollte."
Im Bereich des Arbeitsmarktes und der Beschäftigungsmodelle brauche es einen Paradigmenwechsel, so Kapsch:
"Wir müssen hin zur Beschäftigungssicherheit und weg von der Arbeitsplatzsicherheit. Wir müssen
die Leistung entlohnen und nicht so sehr die Zeit. Gleichzeitig sollte die Lebenseinkommenskurve verflacht werden."
Viel Reformpotenzial sei im Pensionsbereich gegeben, allein bei der Gruppe der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
zwischen 55 und 64 Jahren seien Einsparungen von rund 7,5 Mrd. Euro möglich, wenn ein ähnliches Beschäftigungsniveau
wie in Deutschland erreicht werde. Im November werde die IV zudem ein neues Steuerkonzept vorlegen, betonte Kapsch.
"Klar ist schon jetzt: wir brauchen eine Entlastung für alle, mehr Netto für die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer. Unsere Abgabenquote sollten wir mittelfristig auf das deutsche Niveau, also unter 40 Prozent,
drücken. Langfristiges Ziel ist eine ähnliche Abgabenquote wie in der Schweiz."
Visionen für ein zukunftsfähiges Österreich
"Wir wollten dezidiert keine Denkverbote", so IV-Generalsekretär Mag. Christoph Neumayer, die Ergebnisse
des "Wirtschaftspolitischen Diskurses" beinhalten auch bewusst visionäre Ansätze. "Wir
können uns etwa vorstellen, den Personennahverkehr tariffrei zu machen, weil das einen höheren volkswirtschaftlichen
und auch ökologischen Nutzen verspricht als unsere derzeitigen Konzepte", so Neumayer. Im Bereich der
Verwaltung müsste der Einsatz effizienzsteigernder Instrumente, wie das Market Testing, Sunset Legislation
sowie Betreibermodelle verstärkt werden. Als Beispiel nannte Neumayer das automatische Auslaufen jeglicher
Subventionsmaßnahmen, die im Zuge des parlamentarischen Prozesses nicht pro-aktiv verlängert werden.
Um eine bessere Steuerung im Gesundheitswesen zwischen stationärem und niedergelassenem Bereich zu erzielen,
plädiert die IV für die Stärkung der Rolle des Hausarztes als Gesamtkoordinatoren. Eine weitere
gesundheitspolitische Maßnahme setze bei den Menschen direkt an: "Wir benötigen klare Anreize,
damit Patientinnen und Patienten mehr Verantwortung für die eigene Gesundheit übernehmen", betont
der IV-Generalsekretär. Für das Themenfeld Europa fordert die Industrie ein stärkeres Engagement
Österreichs in europäischen und internationalen Institutionen: "Die Re-nationalisierung des Denkens,
die in den vergangenen Jahren in der Politik spürbar war, muss ein Ende nehmen", so Neumayer.
Im Bereich der Sicherheitspolitik steht die Schnittstelle zwischen öffentlichem Interesse und betriebswirtschaftlichem
Produktionsmanagement im Fokus: "Für die Industrie ist der Schutz vor Wirtschaftsspionage und Cyber-Kriminalität
von zentraler Bedeutung. Ebenso sind Maßnahmen erforderlich, die Know-how und Eigentumsrechte sowie kritische
Infrastruktur sichern und den Ausbau der Versorgungssicherheit garantieren", erklärt Neumayer. Versorgungssicherheit
habe naturgemäß auch für den Themenkomplex Rohstoffe höchste Relevanz. Ressourceneffizienz
und Rohstoffdiplomatie, um den internationalen Zugang zu Ressourcen zu gewährleisten, seien wesentliche Instrumente,
die in Zukunft verstärkt eingesetzt werden müssen. In diesem Zusammenhang begrüße die Industrie
die gestern, Mittwoch, vorgestellte österreichische "Rohstoff-Allianz". Geht es nach den Ideen der
IV, soll der Ausbau der erneuerbaren Energie mit einem Ausbau der Netze Hand in Hand zu gehen. "Investitionen
in Energieinfrastruktur von öffentlichem Interesse sollen sowohl auf nationaler wie auf europäischer
Ebene oberste Priorität im Planungs- und Verfahrensrecht erhalten", fordert Neumayer. Im Bereich neuer
Energietechnologien sollen künftig primär Forschung und Innovation gefördert werden, statt spezifische
Komponenten der Güternachfrage (z.B. Elektrofahrzeuge) zu subventionieren oder solche der Energiedienstleistungsnachfrage
(z.B. Anteile im Strommix) vorzuschreiben.
Erfolgreiche Zukunft braucht innovative Wirtschaft
Angesichts eines niedrigen Potenzialwachstums, steigender Arbeitslosigkeit und drastischer Staatsverschuldung stehen
Europa und Österreich am Scheideweg. Mit dem "Wirtschaftspolitischen Diskurs" will die IV ganz bewusst
einen optimistischen Zukunftsentwurf vorlegen. Der "Wirtschaftspolitische Diskurs" soll zum Nachdenken
und Diskutieren, aber vor allem zum Umsetzen und Handeln anregen. Es ist die Überzeugung der heimischen Industrie,
dass es für eine erfolgreiche Zukunft eine innovative Wirtschaft braucht. Die Voraussetzung dafür ist
aber eine Gesellschaft, die allen gerechte Chancen bietet. |