Erzdiözese Wien stellt Neu- und Umbau der Pfarren vor
Wien (pew) - Bis 2022 will die Erzdiözese Wien ihre Pfarrorganisation neu bauen: Die Leitung
der Gemeinden vor Ort wird verstärkt in die Verantwortung der Gemeindemitglieder gegeben. Pfarren werden aus
mehreren Gemeinden bestehen. Auch an der Pfarrleitung werden Laien beteiligt. Priester, Diakone und PastoralassistentInnen
werden in größeren Teams zur Unterstützung der Gemeinden eingesetzt.
Als nächster Schritt des Erneuerungsweges der Erzdiözese Wien liegen nun die Leitlinien für die
Neugestaltung der Pfarrorganisation vor. Sie werden in den kommenden zehn Jahren Grundlage des tiefstgreifenden
Umbaus der Erzdiözese seit der Pfarrreform Kaiser Josephs II. vor mehr als 200 Jahren sein. „Es geht um Strukturen,
die dazu dienen, dass die Gemeinden vor Ort wirklich aus dem Glauben leben und ihre missionarische Berufung neu
entdecken können“, erklärte Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn dazu bei der Präsentation
der Leitlinien am diesjährigen Medienempfang der Erzdiözese Wien.
Die Leitlinien stellten daher auch vielfach einen echten Neubeginn dar, nicht bloß ein Nachjustieren des
Bestehenden unter dem Aspekt des Priestermangels und der nachlassenden Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement
in der Kirche, so Schönborn, der die Reform als „einen großen Schritt ins Weite“ bezeichnete. Die Strukturen
müssen so beschaffen sein, dass sie die Kraftquellen der Kirche freilegen und neu nutzbar machen.
Die Prämissen der Reform sind:
- Kirche ist missionarisch – oder nicht das, was sie sein soll.
- Träger der Mission der Kirche – von Apostolat und Seelsorge – sind alle Getauften und Gefirmten.
- Das Bild, dass nur dort Kirche ist, wo ein Pfarrer ist, ist eine historisch gewachsene Engführung, die
korrigiert werden muss.
- Kirche ist Gemeinschaft – auch Leitungsämter sollen prinzipiell gemeinschaftlich ausgeübt werden.
- Es braucht kleine, heimatgebende Gemeinschaften, in denen der Glaube gelebt werden kann, genauso wie weite
Strukturen, in denen auch dazugehört, wer sich nicht binden will und in denen sich innovative Initiativen
entfalten können.
- Die Ressourcen müssen verantwortungsvoll eingesetzt werden, etwa durch Bündelung und durch Auslagerung
von Verwaltungsagenden.
Daraus hat die Steuerungsgruppe der Diözesanreform unter dem Vorsitz des Erzbischofs folgendes Zielbild der
Pfarre entwickelt, das in den kommenden zehn Jahren zügig umgesetzt werden soll:
- Mehrere Priester (sinnvollerweise mindestens drei bis fünf) sind aktiv in einer Pfarre eingesetzt. Einer
davon ist als Pfarrer dem Erzbischof letztverantwortlich.
- Die Leitung der Pfarre wird prinzipiell gemeinschaftlich wahrgenommen und zwar von Priestern und Laien. Es
gilt partizipative Führung mit klarer Aufgabenzuteilung.
- Die Filialgemeinden (katholische Gemeinden vor Ort, die einer größeren Pfarre angehören) werden
in Gemeinschaft von Getauften und Gefirmten ehrenamtlich geleitet.
- Im Mittelpunkt steht die gegenseitige Ermutigung zur Jüngerschaft, d.h. zum Leben in der Nachfolge Christi.
- Der Einsatz von Priestern wie Laien soll charismenorientiert erfolgen und alle kirchlichen Aktivitäten
stärker missionarisch ausgerichtet werden.
- Möglichst viele Menschen sollen am Sonntag den Pfarrgottesdienst besuchen, es wird aber auch so sein,
dass sich in Filialgemeinden Gebetsgemeinschaften um das Wort Gottes versammeln.
Das bedeutet, dass die Pfarren deutlich weiträumiger werden. Kooperative Modelle wie Pfarrverbände oder
Seelsorgeräume sind probate Übergangslösungen zur Neuen Pfarre, aber kein Endzustand. Das wird unterstützen,
dass die kirchlichen Strukturen den Menschen nahe bleiben: „In neuen, weiträumigeren Pfarren sollen sich mehr
und lebendigere Gemeinden entfalten können.“
Eine wichtige Rolle spielen auch die Ordensgemeinschaften, die nicht nur eine große Zahl an Pfarren in
der Erzdiözese betreuen, sondern auch viele andere Dienste im kirchlichen Leben entsprechend ihrer jeweiligen
Ausrichtung verrichten. Sie stellen daher wichtige Partner dar in einem Pfarrmodell, das den einzelnen Charismen,
Begabungen und Fähigkeiten mehr Raum geben soll.
Neue Strahlkraft
Als „eigentliche Herausforderung“, um der Kirche wieder Strahlkraft zu geben, bezeichnete Kardinal Schönborn
die mit der strukturellen Erneuerung eng verbundene geistige Erneuerung: „Wir sehen in den vielen Aufbrüchen,
die es mitten in einem müde gewordenen europäischen Christentum gibt, dass die Kirche dort kraftvoll
ist und wächst, wo sie aus dem Glauben und nicht aus der Gewohnheit heraus lebt.“ Gerade wenn die katholische
Kirche sich anschicke, wieder mehr hinauszugehen zu allen Menschen, müsse sie ihre eigenen Quellen neu entdecken
– den gemeinsamen Glauben, die Kraft der Sakramente – und hier vor allem die Freude an der Gegenwart Gottes in
der Eucharistie. Daher werden Jüngerschaftsschulung und Katechese eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung
der Reform spielen.
Laut Kardinal Schönborn wird die Erneuerung der Erzdiözese neue Perspektiven eröffnen, aber auch
den Menschen viel abverlangen: „Jeder Aufbruch ist auch immer ein Abschied.“ Vieles müsse neu gelernt werden;
so seien zum Beispiel viele Priester gewohnt innerhalb der Pfarre nicht mehr Gemeinschaft mit anderen Priestern
zu pflegen. Ein stärkeres Zusammenleben würde aber gerade ihnen helfen, nicht zu vereinsamen oder zu
verbittern und es vielleicht auch jungen Menschen leichter machen, sich für den Priesterberuf zu entscheiden.
Die vielen offenen Fragen, die sich aus dem nun beschlossenen Leitlinien ergeben, sollen in den kommenden Monaten
intensiv in der Erzdiözese diskutiert werden, um die Umsetzung der Reform ab Jänner 2013 zu beginnen.
Ab 2022 soll die Erzdiözese Wien aus Neuen Pfarren bestehen.
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