Bericht des Wissenschaftsministers zur Sozialerhebung 2011
Wien (pk) - Der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung hat dem Nationalrat die "Materialien
zur sozialen Lage der Studierenden 2012" vorgelegt. Dieser Bericht bietet im ersten Teil eine Übersicht
über alle sozialen Förderungen von Studierenden. Der zweite Teil besteht aus einer Zusammenfassung der
zentralen Ergebnisse der "Studierenden-Sozialerhebung 2011", die im Sommersemester des Vorjahrs vom Institut
für Höhere Studien (IHS) durchgeführt wurde. Die Ergebnisse der Erhebung wurden vom IHS in einem
Kernbericht in drei Bänden veröffentlicht. Außerdem werden in den nächsten Monaten noch Zusatzberichte
zu speziellen Themen und einzelnen Studierendengruppen publiziert.
An der Studierenden-Sozialerhebung im Sommer 2011 haben über 44.000 Studierende an Universitäten, Fachhochschulen
und Pädagogischen Hochschulen teilgenommen. Das Sample dieser Erhebung ist damit ungewöhnlich groß
und eine europaweit einzigartige Datensammlung. Sie erlaube es, auch Aussagen über Kleingruppen innerhalb
der Studierenden zu treffen, halten die Verfasser der Studie fest. Themen, welcher erhoben wurden, waren unter
anderem die Finanzierung der Studienphase, Zugang zu Studienförderungen, Wohnen, das Ausmaß der studienbegleitenden
Erwerbstätigkeit und der Hochschulzugang nach sozialer Herkunft.
Soziale Förderungen für Studierende steigen
Der österreichische Staat setzt eine Reihe von Maßnahmen zur direkten und indirekten Förderung
von Studierenden. Sie dienen laut Wissenschaftsministerium dem notwendigen sozialen Ausgleich, der Honorierung
hervorragender Leistungen und der Abmilderung von Begleitumständen, die das Studium erschweren könnten.
Die Sozialaufwendungen für Studierende durch das Wissenschaftsministerium erreichten 2008 ihren Höchststand
mit 228,6 Mio. € und gingen dann 2009 deutlich zurück. Der Rückgang erklärt sich hauptsächlich
durch den Wegfall der Studienbeiträge an den Universitäten, wodurch die Refundierung von Studienbeiträgen
sich in der Folge auf einige Fachhochschulen beschränkte. Für 2011 ergab sich, bereinigt um diesen Einsparungseffekt,
daher mit 204,7 Mio. € ein Anstieg der Sozialaufwendungen gegenüber dem Vorjahr (2010: 200,1 Mio. €).
Die Zahl der Anträge auf Studienbeihilfe im Bereich der Universitäten ist insgesamt zurückgegangen,
nur bei den Fachhochschul-Studierenden stieg sie leicht an. Gleichzeitig wuchs auch die Zahl der Studierenden an
den Universitäten. Daraus wird im Bericht abgeleitet, dass sich der Wegfall der Studiengebühren offenbar
nicht in einem Zustrom von Studierenden aus sozial schwächeren Schichten niedergeschlagen habe. Die durchschnittliche
ausbezahlte Studienbeihilfe für Studierende an Universitäten pro Studienjahr lag 2010/11 bei 4.230 €,
an Fachhochschulen bei 4.180 €.
An Fahrtkostenzuschüssen wurden 2010/11 insgesamt 4,5 Mio. € ausbezahlt. Beihilfen für Auslandsstudien,
die in 2.455 Fälle bewilligt wurden, beliefen sich auf 1,7 Mio. €. Für 629 bewilligte Mobilitätsstipendien
wurden 2,53 Mio. € bezahlt. Insgesamt wurden also 4,23 Mio. € für die Auslandsförderung von Studierenden
bereitgestellt.
Für Leistungsstipendien gab es an Universitäten 5,9 Mio. €, an Fachhochschulen 3 Mio. € und 166.000 €
an Privatuniversitäten. Dabei wurden Frauen deutlich mehr Stipendien als Männern zuerkannt: 2010/11
waren es 3.769 Frauen gegenüber 2.826 Männern, die Leistungsstipendien erhielten, und 309 Frauen gegenüber
290 Männer, denen Förderstipendien zuerkannt wurden. Die Mittel dafür betrugen 2010 9,5 Mio. €,
2011 waren es 9,2 Mio. €. 2011 wurden 366 Ansuchen auf Studienunterstützung in sozialen Härtefällen
gestellt, davon 284 bewilligt und rund 941.000 € ausgezahlt. Die Zahl der Ansuchen ist dabei in den letzten Jahren
gesunken, die Zuerkennungen nahmen aber zu.
Neben diesen direkten Förderungen gibt es auch eine Reihe von Sozialleistungen, die dazu beitragen, Studierende
beziehungsweise ihre Familien bei den Kosten für Lebenshaltung und Ausbildung zu entlasten. Dabei kommt der
Familienbeihilfe die größte Bedeutung zu. Im Wintersemester 2010 hatten 122.959, im Sommersemester 2011
120.255 Studierende Anspruch auf Familienbeihilfe. Für die Unfallversicherung von SchülerInnen und Studierenden
wird ein jährlicher Betrag von 4,36 Mio. € aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen geleistet.
Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung leistete 2010 für 27.736 Studierende einen Beitrag
zur begünstigten Selbstversicherung, im ersten Halbjahr 2011 waren es 3,6 Mio. € für 28.431 Studierende.
Auch im Bereich der Pensionsversicherung, der Waisenpensionen, der Einkommenssteuer und der Arbeitslosenversicherung
gibt es Regelungen, die Studierenden begünstigen sollen. Für Studentenheime wurden 2011 aus Budgetmitteln
über 11 Mio. € zur Verfügung gestellt. Für den laufenden Betrieb von Mensen gibt es keine Zuschüsse,
das Bundesministerium fördert aber Neuerrichtungen und Generalsanierungen.
Steigende Zahlen von Studierenden an Österreichs Hochschulen
Im Wintersemester 2010/11 studierten knapp 315.000 ordentliche HörerInnen an Österreichs Hochschulen,
davon 265.000 an den Universitäten (84 %), 37.500 an Fachhochschulen (12 %) und 11.500 an Pädagogischen
Hochschulen (4 %). Der Frauenanteil lag bei 54 %. Knapp 65.000 (21 %) hatten eine ausländische Staatsbürgerschaft.
Davon stammten allein 22.500 (38 %) aus Deutschland und rund 6.000 (9 %) aus Südtirol. Die Zahl der ausländischen
Studierenden hat sich damit zwischen 2002 und 2010 verdoppelt. Auch die Zahl inländischer Studierender ist
im Steigen begriffen. 2009 betrug die Zunahme gegenüber dem Vorjahr sogar 13 %.
Die Zahl der StudienanfängerInnen hat dabei insgesamt stark zugenommen, wobei mehrere Faktoren eine Rolle
spielen, wie der Ausbau der Fachhochschulen und der verstärkte Zustrom ausländischer Studierender. Im
Wintersemester 2010/11 begannen rund 53.000 Personen ein Studium in Österreich. Signifikant ist dabei auch
die Zunahme inländischer ErstinskribientInnen bei gleichzeitig kleiner werdenden Altersjahrgängen. Das
wird auf höhere Übertrittsquoten aus dem sekundären ins tertiäre Bildungssystem und auf eine
Zunahme an älteren StudienanfängerInnen zurückgeführt. Der Ausbau der Möglichkeiten zum
Erwerb einer Studienberechtigung auf dem zweiten Bildungsweg ist für diesen Trend ein wichtiger Faktor.
Was den Hochschulzugang nach sozialer Herkunft betrifft, so zeige sich bei den inländischen StudienanfängerInnen
eine leichte Verschiebung in Richtung von größerer Egalität, lautet ein Ergebnis der Erhebung.
Trotzdem beginnen Kinder aus Haushalten, wo zumindest ein Elternteil Akademiker ist, nach wie vor wesentlich häufiger
ein Studium als Kinder bildungsferner Schichten. Etwa ein Viertel der StudienanfängerInnen und Fachhochschulen
kommen aus Akademikerhaushalten, 34 % aus Familien, in denen mindestens ein Elternteil eine Matura hat. Auf tausend
Eltern mit akademischer Bildung kamen somit 40 UniversitätsanfängerInnen, auf 1.000 LandwirtInnen 20
und auf 1.000 ArbeiterInnen nur 10. Etwas ausgeglichener ist das Bild beim Besuch von Fachhochschulen.
Großteil der Studierenden ist erwerbstätig
Etwa 62 % der Studierenden sind erwerbstätig und beziehen daraus ein durchschnittliches Einkommen von 670
€. Gut zwei Drittel der Studierenden erhalten zudem Geld oder Naturalleistungen von ihren Eltern. Erwerbsarbeit
ist der wichtigste Einnahmenposten für Studierenden. Dabei sind 23 % geringfügig erwerbstätig, 20
Prozent studieren, arbeiten nebenher aber mehr als 10 Stunden pro Woche, und 19 % sind in erster Linie erwerbstätig
und gehen zusätzlich einem Studium nach. Dabei gaben allerdings 52 % der Studierenden an, Studium und Erwerbstätigkeit
eher schlecht vereinbaren zu können, wobei hier kein geschlechtsspezifischer Unterschied besteht. Ausschlaggebend
ist vielmehr das Ausmaß der Wochenarbeitszeit, denn diese Studierenden waren im Durchschnitt 25 Stunden pro
Woche beschäftigt. Ebenso verschärft sich das Problem der Vereinbarkeit bei Studien mit einem überdurchschnittlichen
Studienaufwand.
Die Einkommenssituation der Studierenden stellt sich insgesamt als sehr uneinheitlich dar. So haben etwa 10 % von
ihnen nur 500 € und weniger im Monat an Einkommen zur Verfügung, 5 % aber mehr als 2.000 €. Das mittlere Gesamtbudget
von Studierenden liegt mit rund 1.000 € deutlich unter der Armutsgrenze, die von der Statistik Austria für
Einzelhaushalte, die keine Zuwendung Dritter erhalten, derzeit bei 1.031 € monatlich angesetzt wird. Allerdings
weisen die Verfasser der Studie auch darauf hin, dass nur 8 % der Studierenden in solchen Haushalten leben. Damit
treffen auf sie im allgemeinen nicht dieselben Kriterien der Armutsgefährdung zu, wie auf andere gesellschaftliche
Gruppen.
Ein knappes Fünftel der Studierenden bezieht irgendeine Form der Studienförderung, und etwa 16 % haben
sonstige Einnahmen, wie Waisenpension, Unterhaltszahlung oder Wohnbeihilfe. 13 % werden ausschließlich von
den Eltern unterstützt, etwa 11 % erhalten sich zur Gänze selbst durch Erwerbsarbeit, und nur 1 % hat
ausschließlich staatliche Stipendien als Einnahmequelle. Etwa 30 % gehen einer Beschäftigung in regulären
Dienstverhältnissen nach. Gleich viele gaben an, Einkommen aus Mehrfachbeschäftigungen zu beziehen. 22
% sind nur geringfügig beschäftigt, und 9 % gaben an, als freie DienstnehmerInnen bzw. über Werkverträge
beschäftigt zu sein.
Die finanzielle Schwierigkeiten von Studierenden erhöhen sich mit zunehmendem Alter. Im Alter von 29 Jahren
haben bereits 42 % solche Probleme. Als Gründe dafür werden das Auslaufen von Familienbeihilfe und Studienbeihilfe,
das Auslaufen anderer staatlicher Transferleistungen und mangelnde Erwerbstätigkeit angegeben. Für jüngere
Studierende stellt die Finanzierung eines Auslandstudium oft ein finanzielles Problem dar. Finanzielle Schwierigkeiten
sind auch häufiger bei Studierenden aus niedrigeren Schichten gegeben und korrelieren auch oft mit einem Migrationshintergrund
oder mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Studierenden.
Für steigende Kosten des Lebensunterhaltes von Studierenden waren insbesondere Wohnen und Ernährung verantwortlich.
Die Wohnkosten sind von 2009 auf 2011 um rund 7 % gestiegen. Durchschnittlich betrugen die Wohnkosten für
Studierende im Sommersemester 2011 rund 350 € monatlich. Der Anteil der Studierenden, die bei ihren Eltern wohnen,
ist dabei von 2006 auf 2011 deutlich gesunken, von 23 % auf nunmehr 18 %. Diese Entwicklung spiegelt die Zunahme
des Anteils älterer und internationaler Studierender wider. Fast drei Viertel der Studierenden sind mit ihrer
Wohnsituation zufrieden. Die Unzufriedenheit ist aber signifikant höher bei jenen Studierenden, die im elterlichen
Haushalt oder in Wohnheimen leben. Die Unzufriedenheit mit der Wohnsituation steigt auch deutlich mit dem Grad
finanzieller Schwierigkeiten sowie mit der Entfernung zwischen Wohnort und Hochschule an.
Stress und psychischer Druck belasten Studierende
Stress im Studium belastet Männer und Frauen in ähnlich hohem Maße. Insgesamt gaben 47 % der Studierenden
an, in ihrem Studium durch einen der abgefragten Stressfaktoren beeinträchtigt worden zu sein (49 % der Frauen,
45 % der Männer). Deutlich mehr Frauen als Männer gaben dabei an, unter stressbedingten gesundheitlichen
Beschwerden zu leiden (27 % gegenüber 16 %). 45 % der Studierenden gaben weiters an, dass sie im Laufe des
Studiums bereits unter mindestens einer der psychischen Beschwerden zu leiden hatten, die in der Studie abgefragt
wurden. Hier sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede ausgeprägter. So gaben 35 % der weiblichen Studierenden
an, unter Leistungsdruck und Versagensängsten zu leiden, bei den männlichen Studierenden waren es 26
%. Aussagen zu Existenzängsten machten 22 % der Studentinnen und 17 % der Studenten. Von depressiven Stimmungen
waren 19 % der Studentinnen und 17 % der Studenten betroffen. 18 % der Studentinnen gaben außerdem an, an
niedrigem Selbstwertgefühl zu leiden, bei ihren Kommilitonen waren es 12 %. Studenten sahen sich nach ihren
Angaben auch weniger Konkurrenzdruck ausgesetzt (9 %) als ihre Kolleginnen (13 %).
Die Studierenden hatten in der Studie auch Gelegenheit, offene Anmerkungen zu ihrer individuellen Situation zu
machen. Von dieser Gelegenheit machten vor allem ältere Studierende ab 26 Jahren Gebrauch. Die häufigsten
Themen waren Fragen der Erwerbstätigkeit beziehungsweise der Vereinbarkeit einer Erwerbstätigkeit mit
dem Studium, die finanzielle Situation und damit verbundene Schwierigkeiten und die Erfahrungen mit Beihilfen und
Stipendien. |