KMU in Europa am Scheideweg: noch mehr politische Impulse für Erholung nötig   

erstellt am
15. 10. 12

Brüssel (ec.europe) - Die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) Europas kämpfen weiterhin gegen die Krise. Betrachtet man die EU als Ganzes, so haben ihre Bemühungen insgesamt meist zu einem „beschäftigungsneutralen“ Wachstum geführt, wie die uneinheitliche Entwicklung in den 27 EU-Mitgliedstaaten zeigt. Die Kommission hat am 15.10. – am ersten Tag der europäischen KMU-Woche – in Brüssel die Ergebnisse der KMU-Leistungsüberprüfung 2012 zusammen mit den KMU-Datenblättern veröffentlicht, in denen die Fortschritte der KMU in allen EU-Mitgliedstaaten dargestellt sind. Trotz der schwierigen Bedingungen konnten sich die KMU behaupten und bilden nach wie vor das Rückgrat der europäischen Wirtschaft: Mit 20,7 Mio. Firmen stellen sie mehr als 98 % des gesamten Unternehmensbestands und beschäftigen über 87 Mio. Arbeitnehmer. Den Löwenanteil der KMU (92,2 %) machen Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten aus. Es wird geschätzt, dass etwa 67 % der Gesamtbeschäftigung und 58 % der Bruttowertschöpfung (BWS)1 auf die KMU entfallen.

Die Entwicklung in den Mitgliedstaaten geht immer weiter auseinander und es gibt bislang noch keine Entwarnung an der Beschäftigungsfront. In dieser kritischen Lage kann man das Steuer herumreißen, indem man durch entschlossenes Handeln an den Faktoren ansetzt, die für das KMU-Wachstum maßgeblich sind.

Der für Industrie und Unternehmertum zuständige Vizepräsident der Europäischen Kommission Antonio Tajani erklärte: „Die KMU können das Wachstum in Europa wieder in Gang bringen. Sie stehen im Mittelpunkt unserer Arbeit, wie der Vorschlag für eine Reindustrialisierung Europas zeigt, den ich erst vor wenigen Tagen vorgelegt habe. Im November wird der ehrgeizigste Plan zur Förderung der unternehmerischen Initiative folgen, den es in Europa je gab. Wir stehen der Wirtschaft mehr als je zuvor mit Rat und Tat zur Seite. Wir möchten mit vertrauensbildenden Maßnahmen erreichen, dass die KMU wieder einen Aufschwung nehmen und uns aus der jetzigen Krise heraushelfen“.

Leistung der KMU schwankt stark je nach Mitgliedstaat
Die KMU in Österreich und Deutschland2 schnitten besonders gut ab. Nur in diesen beiden Ländern konnten die KMU sowohl bei der Bruttowertschöpfung als auch bei der Beschäftigung ihren Stand vor der Krise (2008) übertreffen. In den meisten Mitgliedstaaten ist es den KMU allerdings noch nicht gelungen, sich wieder auf ihr Vorkrisenniveau hochzuarbeiten.

Positiv zu vermerken ist immerhin, dass jetzt nachweislich immer mehr Mitgliedstaaten die Kehrtwende geschafft haben, weil ihre KMU wieder Mitarbeiter einstellen und wachsen, was auf einen baldigen nachhaltigeren Umschwung hindeutet.

Bisher ist nur in sehr wenigen Ländern eine komplette Erholung der KMU festzustellen. Der Bericht zeigt Folgendes:

  • Wenn die Wirtschaft wächst, weil die Nachfrage steigt oder zumindest stabil ist, hilft dies den KMU, sich auf dem Markt zu halten oder sogar zu expandieren.
  • Das Wachstum der realen Wertschöpfung ergibt sich sowohl aus dem Beschäftigungszuwachs als auch aus der realen Produktivitätssteigerung, wobei der erste Faktor eindeutig wichtiger ist.
  • Es wirkt sich auch günstig aus, wenn in einer Volkswirtschaft das Verarbeitende Gewerbe mit hohem und mittlerem Technologieniveau sowie die wissensintensiven Dienstleistungen besonders stark vertreten sind.
  • In Mitgliedstaaten mit diesen Merkmalen fiel bei den KMU der Abbau von Arbeitsplätzen auch deutlich schwächer aus.


Darüber hinaus hängt es von einer Reihe von konjunkturellen und strukturellen Faktoren ab, wie die KMU abschneiden.

  • In den letzten Monaten haben es die KMU in den meisten Mitgliedstaaten immer schwerer, Zugang zu Finanzierungen zu erhalten: In vielen Fällen wurden ihre Kreditanträge von den Banken abgelehnt.
  • Das Unternehmensumfeld unterscheidet sich in den einzelnen Mitgliedstaaten offenbar weiterhin erheblich.

Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes mit hohem Technologieniveau oder Anbieter wissensintensiver Dienstleistungen schnitten in puncto Produktivität und Beschäftigung besonders gut ab. In der EU gibt es Schätzungen zufolge 46 000 KMU im Verarbeitenden Gewerbe mit hohem Technologieniveau und mehr als 4,3 Mio. KMU, die wissensintensive Dienstleistungen erbringen. Dazu gehören neben KMU, die Arzneimittel, Elektronikgeräte sowie Rechts- oder Buchhaltungsdienst­leistungen anbieten, auch KMU, die in der wissenschaftlichen FuE und der Kreativwirtschaft tätig sind. Zusammen stellen sie mehr als ein Fünftel (21,1 %) aller KMU in der EU dar.

Dem Bericht zufolge ist die Gründung weiterer solcher Unternehmen ein unverzichtbarer Bestandteil jeglicher Wachstumsstrategie, ferner werden darin entsprechende Maßnahmen vorgeschlagen.

EU-Mitgliedstaaten gehen die Probleme der KMU an
Die Zahl der nationalen Maßnahmen zur Unterstützung von KMU ist in den letzten Jahren konstant und dynamisch gestiegen. 2011 waren es um 38 % mehr als noch 2010. Dabei wurden insbesondere die folgenden Ziele verfolgt:

  • Stärkung des Unternehmergeists (18 % der Maßnahmen)
  • Förderung des Qualifikationsniveaus der Mitarbeiter und der Innovationstätigkeit der KMU (16 %)
  • Besserer Zugang zu Finanzierungen (15 %)

Bei der Durchführung von Fördermaßnahmen für KMU besteht immer noch ein Ungleichgewicht, da einige Maßnahmen weiterhin von einer erheblichen Anzahl an Mitgliedstaaten ausgeklammert werden, beispielsweise die Gewährung einer zweiten Chance für einmalig gescheiterte Unternehmer oder die Berücksichtigung der Besonderheiten kleiner Unternehmen bei der Konzipierung von Rechtsvorschriften.

Nächste Schritte
Die Kommission arbeitet gemeinsam mit den Mitgliedstaaten an einer Vielzahl von laufenden oder künftigen Initiativen zur Unterstützung von KMU. Mit der heute beginnenden europäischen KMU-Woche wurde der Startschuss für eine Reihe von Veranstaltungen in ganz Europa gegeben, die im Zeichen der KMU stehen. Der Aktionsplan zur unternehmerischen Initiative mit konkreten Maßnahmen, die den Unternehmergeist in der EU wecken sollen, wird ebenfalls noch Ende dieses Jahres vorgelegt. Er baut auf dem „Small Business Act für Europa“ auf und ergänzt diesen. Der Plan wird vom Netz nationaler KMU-Beauftragter getragen, das die Fortschritte in bestimmten KMU-Politikbereichen auf seiner nächsten Sitzung im Rahmen der KMU-Versammlung am 15. und 16. November in Zypern erörtern wird.

     
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