Historikerin Gerda Lerner erhält Frauen-Lebenswerk-Preis
Wien (pk) - Frauen stehen in Österreich häufig immer noch in der zweiten Reihe. Für
Expertisen ziehen Medien und Politik nach wie vor bevorzugt Männer heran. Und auch bei Auszeichnungen werden
Frauen oft zu Unrecht übergangen. Bei einer Veranstaltung am Abend des 10.10. stehen jedoch ausschließlich
Frauen im Mittelpunkt. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek
laden gemeinsam zur Verleihung des Frauen-Lebenswerk-Preises und der Käthe-Leichter-Preise 2012 ins Parlament.
Ausgezeichnet werden unter anderem die Historikerin Gerda Lerner und die Juristin Anna Sporrer, stellvertretende
Bereichsleiterin im Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes.
Mit dem 2010 ins Leben gerufenen Frauen-Lebenswerk-Preis will das Frauenministerium herausragende Frauen würdigen,
die in ihrem Wirkungsbereich Bedeutendes geleistet und sich für die Gleichstellung von Frauen und Männern
eingesetzt haben. Nach Erika Weinzierl 2010 und Maria Schaumayer 2011 wird heuer Gerda Lerner, US-amerikanische
Historikerin mit österreichischen Wurzeln, dieser bedeutende Preis verliehen.
Lerner, 1920 als Gerda Kronstein in Wien geboren, musste Österreich 1939 verlassen. Sie arbeitete in den USA
zunächst als Übersetzerin und Autorin, bevor sie zu einer anerkannten Historikerin mit dem Schwerpunkt
Frauengeschichte avancierte. Nach Stationen an der Long Island University und dem Sarah Lawrence College wurde
sie schließlich als Professorin an die University of Wisconsin berufen, wo sie 1990 emeritierte. Zu ihren
bedeutendsten Werken gehören "Die Entstehung des feministischen Bewusstseins " und "Die Entstehung
des Patriarchats". 2009 wurde ihre 2002 erschienene Autobiographie unter dem Titel "Feuerkraut"
auf Deutsch veröffentlicht.
Prammer: Lerner holt Frauen aus dem Schutt der Geschichte hervor
Nationalratspräsidentin Prammer würdigt Lerner in ihrer Laudatio als Pionierin der Frauengeschichte und
bedeutende feministische Wissenschaftlerin. Lerner habe mit ihrem Werk ganz wesentliche Grundlagenarbeit für
die Frauenbewegung und für die Gleichstellung der Geschlechter geleistet und es sich zur Lebensaufgabe gemacht,
zu beweisen, dass Frauen eine Geschichte haben, hält sie fest. Frauen würden von Wissenschaftlern, Geschichtsschreibern
und Lehrern gerne vergessen oder nur am Rand erwähnt, obwohl sie immer eine aktive und bestimmende Rolle gespielt
haben, gibt Prammer zu bedenken. Lerner grabe dem gegenüber im Schutt der Geschichte und hole die Heldinnen
hervor, um sie restauriert "aufs Regal der Gegenwart zu stellen, wo jede und jeder sie sehen kann".
Den Frauen-Lebenswerk-Preis werden Stephanie Lerner-Lapidus und Clay Lerner in Vertretung ihrer Mutter bzw. Großmutter
entgegennehmen. Für die Gestaltung des Preises, eine weibliche Bronze-Statue mit selbstbewusster und stolzer
Körperhaltung, zeichnet die Künstlerin Angelika Rattay verantwortlich.
Käthe-Leichter-Preise 2012
Gleichzeitig mit dem Frauen-Lebenswerkpreis werden heute Abend im Hohen Haus auch die Käthe-Leichter-Preise
2012 überreicht. Sie sollen an das Lebenswerk der 1942 von den Nationalsozialisten ermordeten Nationalökonomin
erinnern. Leichter war als erste Frauenreferentin der Arbeiterkammer sowohl wissenschaftlich als auch politisch
im Interesse der Frauen tätig, ihre sozialpolitischen Erhebungen gehören zu den wichtigsten frauenrelevanten
Publikationen der Zwischenkriegszeit.
Mit dem Käthe-Leichter-Staatspreis für Frauenforschung, Geschlechterforschung und Gleichstellung in der
Arbeitswelt des Frauenministeriums wird die Juristin Anna Sporrer, stellvertretende Bereichsleiterin im Verfassungsdienst
des Bundeskanzleramtes, ausgezeichnet. Weitere Preise, gestiftet vom Sozialministerium, vom Wissenschaftsministerium,
vom Unterrichtsministerium, von der Arbeiterkammer Wien und von der Oesterreichischen Nationalbank, gehen an die
Soziologin und Armutsforscherin Ursula Till-Tenschert, die stellvertretende Leiterin des Instituts für Römisches
Recht, Antike Rechtsgeschichte und Neuere Privatrechtsgeschichte an der Karl-Franzens-Universität Graz Evelyn
Höbenreich, die Juristin und Politikwissenschaftlerin Birgitt Haller, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut
für Konfliktforschung Wien, die Erziehungswissenschaftlerin und Bildungsforscherin Susanne Dermutz sowie an
die Historikerin und Soziologin Lisa Fischer.
Für die künstlerische Umrahmung der Preisverleihung sorgt das Trio Art Team Wien, die Texte für
die Lesung hat Susanne Ayoub zusammengestellt. Zudem erwartet die Gäste in der Säulenhalle eine von Cornelia
Mitterndorfer gestaltete Installation: "Ein Le(e.h.)rstuhl für Käthe Leichter" soll dazu anregen,
über Käthe Leichters Arbeit heute nachzudenken. |