Österreichischer Parlamentarismus ist Teil der Geschichte Europas   

erstellt am
10. 10. 12

Neugebauer bei europapolitischer Aussprache im polnischen Sejm
Warschau (pk) - Die Eröffnung der Ausstellung 'Viribus Unitis. Polnische Parlamentarier in der Habsburgermonarchie 1848-1918' im polnischen Sejm, die sich der polnischen Parlamentarier im Wiener Reichsrat widmet, sowie europapolitische Aussprachen mit polnischen Abgeordneten sind Anlass für den Besuch des Zweiten Nationalratspräsidenten Fritz Neugebauer am 10.10. in Warschau. Die Ausstellung und der gemeinsame Eröffnungsakt mit dem Vize-Marschall des Sejm, Jerzy Wenderlich, seien "Ausdruck der engen Verbundenheit zwischen unseren beiden Ländern", betonte Neugebauer in seiner Rede, zudem ermögliche sie eine "hochinteressante Aufarbeitung eines Ausschnitts der polnisch-österreichischen Beziehungen sowie die Entwicklung demokratiepolitischer Auseinandersetzungen und des europäischen Parlamentarismus insgesamt".

Neben dem historischen Aspekt "enthält der Titel dieser Ausstellung 'Viribus Unitis' noch einen ganz anderen, gesamteuropäischen Sinn", meinte Neugebauer: Polen habe mit seinen Initiativen im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2011 wesentliche Impulse zur Überwindung der aktuellen Krisenstimmung gegeben. "'Mit vereinten Kräften' werden wir es schaffen, die Krise in eine ideale Chance für unser Europa umzuwandeln. Die österreichischen Parlamentarier und Parlamentarierinnen stehen hierzu für ihre polnischen Kollegen und Kolleginnen bereit", so der Zweite Nationalratspräsident, der "sehr gerne" an die große Gastfreundschaft Polens anlässlich der erfolgreichen Präsidentschaft zurückdenkt. Schließlich sei insbesondere die enge internationale und bilaterale Zusammenarbeit zwischen den beiden Parlamenten ein "Gebot der Stunde".

Die zahlreichen Parlamentstreffen auf europäischer Ebene, die in Warschau während des polnischen EU-Vorsitzes abgehalten wurden, finden ihre Fortsetzung in vielen anderen Formaten, berichtete der Zweite Nationalratspräsident, der auch den heutigen Besuch in Warschau für Aussprachen zu aktuellen europäischen Fragen wie den Umgang mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) in den Parlamenten oder die Einführung einer Finanztransaktionssteuer nützte. So stehen Treffen mit Vertretern des außenpolitischen Ausschusses unter der Führung des Vorsitzenden Grzegorz Schetyna sowie des Ausschusses für Europafragen, angeführt von der Vorsitzenden Agnieszka Pomaska und ihrem Stellvertreter Andrzej Galazewski, auf dem Programm.

Entwicklung des Parlamentarismus im Kontext europäischer Geschichte
Die Ausstellung 'Viribus Unitis' entstand in Kooperation zwischen dem Wissenschaftlichen Zentrum der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Wien, dem Österreichischen Parlament und dem Österreichischen Staatsarchiv, wo sie im Herbst 2011 gezeigt wurde, und beleuchtet einen sonst nicht im Vordergrund stehenden Aspekt der Geschichte der Habsburgermonarchie und der Nationalitätenprobleme. Die zentrale Rolle, die polnische Abgeordnete in der politischen Entwicklung der Habsburgermonarchie spielten, werde hier beeindruckend und anschaulich dargelegt, bemerkte der Zweite Nationalratspräsident. Mit 63 der 353 Abgeordneten sei Polen ab 1867 immerhin das am stärksten im Reichsrat vertretene Kronland gewesen, erinnerte Neugebauer. Diesem "Polen-Klub" hätten die Ministerpräsidenten Alfred Potocki und Kazimierz Badeni ebenso angehört wie der langjährige Außenminister Goluchowski und Finanzminister Dunajewski. Eine zentrale Persönlichkeit der Ausstellung ist Francziszek Jan Smolka, der 1848/49 Vorsitzender des Reichstages war und ab 1881 Vorsitzender des Abgeordnetenhauses.

"Als nach dem Ersten Weltkrieg Polen als Staat wiedererstand, konnte es unter anderem auf die Expertise jener Männer zurückgreifen, die schon im österreichischen Reichsrat parlamentarische Erfahrung gesammelt hatten", erläuterte der Zweite Nationalratspräsident. So waren unter den ersten Regierungschefs der 1919 neu gegründeten zweiten polnischen Republik gleich drei frühere Reichsratsabgeordnete: Ignacy Daszynski, Jedrzej Moraczewski und Wincenty Witos, Gründer der bis heute bestehenden polnischen Volkspartei. "Bemerkenswert ist insbesondere, dass alle drei genannten Politiker der autoritären Versuchung ihrer Zeit widerstanden und Anhänger der parlamentarischen Demokratie blieben", betonte Neugebauer. Dass diese demokratischen Traditionen in Polen durch die lange Zeit sowohl der nationalsozialistischen Besatzung als auch der kommunistischen Zwangsherrschaft hindurch lebendig geblieben sind, "hat nicht zuletzt die führende Rolle gezeigt, die Polen bei der Beseitigung dieses Regimes gespielt hat", ergänzte der Zweite Nationalratspräsident.

"Polen und Österreich, einstmals zwei Großmächte, sind heute aus freiem Willen in einem größeren Europa vereint, dessen Vorläufer sie beide in Mitteleuropa einmal gewesen sind", spannte Neugebauer den Bogen zur heutigen Freundschaft zwischen den beiden Staaten. Dieses Europa ist derzeit mit einer Wirtschafts- und Finanzkrise konfrontiert, "die gelegentlich vergessen lässt, was die wahre Motivation für die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und späteren Europäischen Union war: Die wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Verflechtung unseres Kontinents, um auf Dauer Frieden zu stiften". 1989 kam mit dem Fall des Eisernen Vorhangs, für den Polen an vorderster Stelle gekämpft hatte, noch das Ziel der Erweiterung der Union hinzu: "als friedlichen Wiedervereinigung des vormals gewaltsam zerrissenen Kontinents", erinnerte der Zweite Nationalratspräsident abschließend.
     
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