Dienstleistungen und Tourismus bescheren Österreich weiterhin Leistungsbilanzüberschuss
Wien (oenb) - Österreichs Einnahmenüberschuss aus Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland
belief sich laut Erhebung der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) und der Statistik Austria im ersten Halbjahr
2012 auf knapp 3 ½ Mrd EUR. Mit 2,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hat sich der Leistungsbilanzsaldo
gegenüber dem Vorjahreszeitraum nahezu verdoppelt. Verglichen mit den Jahren vor dem Ausbruch der Finanz-
und Wirtschaftskrise fiel dieser Beitrag jedoch deutlich geringer aus (2008: 5,7%).
Güterhandel stagniert, Dienstleistungsverkehr wächst weiter
Die Bilanz des Güterverkehrs hat im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise in ein Minus gedreht. Österreichs
Exportwirtschaft hat sich nach dem tiefen Einbruch 2009 in der Folge rasch erholt, das Exportwachstum hat aber
sukzessive an Dynamik verloren. Die Nachfrageerholung in vielen Industrieländern war nicht selbsttragend,
sondern wurde von staatlichen Konjunkturmaßnahmen gestützt, die im Zuge der notwendigen Budgetkonsolidierungen
ausliefen. Das Wachstum der Importe schwächte sich langsamer ab, da steigende Rohölnotierungen einen
Preisauftrieb verursachten. Im zweiten Quartal 2012 kam das Exportwachstum zum Erliegen, die Importe waren angesichts
des im Frühjahr nachlassenden Preisdrucks rückläufig. Laut dem OeNB-Exportindikator von Oktober
2012 ist auch im dritten Quartal mit einer Stagnation der Güterexporte zu rechnen.
Der Einnahmenüberschuss aus dem breiten Angebot unternehmensnaher Dienstleistungen hat sich trotz der negativen
Konjunktureffekte der Finanzkrise in den letzten Jahren weiter erhöht. Es zeigt sich, dass bereits der Handelseinbruch
im Jahr 2009 geringer ausfiel als im Güterverkehr und die Dienstleistungsströme auch noch im Verlauf
des Jahres 2012 einem positiven Wachstumspfad folgten. Daraus lässt sich schließen, dass der Dienstleistungsverkehr
deutlich weniger auf konjunkturbedingte Nachfrageschwankungen reagiert und dem entsprechend weniger krisenanfällig
ist als der Güterhandel.
Technologie-nahe Dienstleistungen trotzen der Konjunkturabschwächung
Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise hat Österreich die meisten Einbußen bei Einnahmen aus
sogenannten „Netzwerkleistungen“ verzeichnet, die sich durch einen hohen Grad an Internationalisierung auszeichnen
(Transport, Postdienste, Telekommunikation). Das ist vor allem auf die Branche der Transporteure zurückzuführen,
die mit Rückgängen im Gütertransport konfrontiert waren. Dem gegenüber erwiesen sich sowohl
die hohen Einnahmenüberschüsse aus technologiebezogenen Leistungsangeboten (unter anderem EDV- und Informationsleistungen,
Forschung und Entwicklung, Architektur-, Ingenieur- und andere technische Dienstleistungen) als auch jene aus dem
Finanzwesen als robust.
Schweiz, China und Polen gewinnen für Österreichs Exporteure an Bedeutung
Eine Gliederung des Güter- und Dienstleistungsexports in die Hauptzielländer österreichischer Unternehmen
zeigt, dass im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise vor allem traditionelle Handelspartner in Osteuropa bzw. in
den neu beigetretenen EU-Mitgliedsstaaten (Ungarn, Tschechische Republik, Rumänien) sowie die Staaten mit
den größten Stabilitätsproblemen im Euroraum, Spanien und Griechenland, an Bedeutung verloren haben.
An Bedeutung gewonnen haben hingegen die Schweiz, China und Polen. Die Nachfrage nach heimischen Gütern aus
dem wichtigsten Zielland, Deutschland, stagnierte im ersten Halbjahr 2012 (+0,5%), während im Dienstleistungsverkehr
noch weitere Zuwächse verzeichnet wurden (+14,2%). Aus Italien ist bereits ein deutlicher Rückgang der
Güternachfrage zu beobachten (- 6,2%), bei Dienstleistungen hat sich die Nachfrageentwicklung zwar verlangsamt,
ist aber immer noch positiv (+4,7%). Weiterhin positive Nachfrageimpulse kamen im laufenden Jahr aus den USA, sowohl
im Güter- als auch im Dienstleistungsverkehr (+12,2% bzw. +7%).
2012 ist ein gutes Jahr für Österreichs Tourismus
Neben den unternehmensbezogenen Dienstleistungen trug auch der Tourismus zur Stabilisierung des österreichischen
Leistungsbilanzüberschusses in den vergangenen Jahren bei. Dabei konnte Österreich sowohl von der lokalen
Nähe zu seinen Hauptherkunftsmärkten profitieren, da Fernreisen in Zeiten finanzieller und geopolitischer
Spannungen bekanntlich weniger attraktiv sind, als auch vom Trend der Österreicher zum Urlaub im eigenen Land.
Darüber hinaus ist Österreich als Reiseziel bei chinesischen Touristen, die einen großen Wachstumsmarkt
darstellen, attraktiv. Im ersten Halbjahr 2012 waren aus den beiden wichtigsten Herkunftsmärkten, Deutschland
und den Niederlanden Einnahmenzuwächse zu verzeichnen (+1,3% bzw. +2,1%). Wie bereits im Jahr 2011 profitierte
Österreich als Tourismusland vom hohen Wechselkurs des Schweizer Franken mit deutlichen Zugewinnen aus dem
Nachbarland (+27,6%). Weiterhin dynamisch entwickelten sich auch die Reiseverkehrseinnahmen aus der Russischen
Föderation (+24,9%). Statistik Austria spricht angesichts der Zahl von rund 49 Millionen ausländischen
Gästenächtigungen in der Wintersaison 2011/12 von einem neuen Rekordergebnis (+3,8% im Vergleich zur
Wintersaison 2010/11). Nach vorläufigem Informationsstand (Mai bis August 2012) entwickelte sich auch die
Sommersaison 2012 äußerst positiv (+3,2% bzw. 33,8 Millionen ausländische Gästenächtigungen). |