Biochemiker der Universität Jena klären potenziellen Mechanismus der Krebsentstehung
auf
Jena (idw) - Jahr für Jahr trifft rund 500.000 Deutsche die Diagnose Krebs. Auch wenn die Chancen
auf eine erfolgreiche Therapie für viele von ihnen immer weiter steigen, sind Krebserkrankungen noch immer
die zweithäufigste Todesursache hierzulande. „Das Tückische an Tumorerkrankungen ist, dass dabei das
Gleichgewicht zwischen Prozessen der Zellerneuerung und dem Absterben von Zellen völlig aus dem Ruder läuft“,
erläutert PD Dr. Oliver Krämer von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Tumorzellen sterben
nicht ab, sondern vermehren sich praktisch ungebremst immer weiter“, sagt der Biochemiker vom Centrum für
Molekulare Biomedizin (CMB). Krämers Arbeitsgruppe am Lehrstuhl für Biochemie von Prof. Dr. Thorsten
Heinzel, dem Forschungsprorektor der Jenaer Universität, arbeitet intensiv daran, die molekularen Mechanismen
aufzuklären, die zur Entstehung von Tumorzellen führen können.
Wie die Jenaer Forscher in der aktuellen Ausgabe der internationalen Fachzeitschrift „Journal of Molecular Cell
Biology“ berichten, haben sie jetzt nicht nur einen potenziellen molekularen Mechanismus der Krebsentstehung entschlüsselt,
sondern damit auch einen möglichen Ansatzpunkt für die Krebstherapie identifiziert (DOI: 10.1093/jmcb/mjs013).
Die Herausgeber der Zeitschrift würdigen den Aufsatz der Forscher der Uni Jena zudem in besonderer Weise:
Er wurde als Titelgeschichte der Printausgabe der Zeitschrift ausgewählt und zusätzlich im Editorial
erwähnt.
In ihren aktuellen Untersuchungen haben sich die Forscher auf die Rolle eines Enzyms mit dem Namen „Histon Deacetylase
2“, kurz HDAC2, konzentriert. Dieses kommt in allen menschlichen Zellen vor und hat normalerweise eine wichtige
Funktion innerhalb des Zellwachstums. „In Tumorzellen liegt dieses Enzym in stark erhöhten Konzentrationen
vor“, sagt Doktorand Tobias Wagner. „Die Vermutung lag daher nahe, dass HDAC2, alleine oder zusammen mit anderen
Faktoren, das unkontrollierte Wachstum von Tumorzellen begünstigt“, ergänzt André Brandl, der
ebenfalls als Doktorand in Krämers und Heinzels Team an der Studie beteiligt war. Wie die beiden Nachwuchsforscher
nun in mehreren Zellkulturmodellen nachweisen konnten, ist HDAC2 nur dann in der Lage seine Funktion innerhalb
der Zelle richtig auszuüben, wenn es selbst mit einem Markerprotein namens SUMO versehen ist.
Diese nachträgliche Modifizierung ist es auch, durch die HDAC2 das Tumorwachstum fördert: Sie ermöglicht
es dem Enzym an das sogenannte Tumorsuppressor-Protein „p53“ zu binden und bei diesem die funktionell wichtige
Acetylierung zu unterbinden. „p53 schützt Zellen normalerweise vor einer Entartung zu Krebszellen, indem es
deren Wachstum und Überleben begrenzt“, erläutert Tobias Wagner. Kommt es etwa durch äußere
Einflüsse zu Schäden an der DNA (ein potenzieller Auslöser für die Krebsentstehung), so sorgt
p53 dafür, dass DNA-Reparaturmechanismen in Gang gesetzt werden oder – falls die Schäden zu gravierend
sind – dass die Zelle in den programmierten Zelltod geführt wird. „Durch die Bindung von HDAC2 an p53 wird
diese wichtige Funktion von p53 aber gehemmt“, so André Brandl. Die Folge: Die Tumorzellen können ungebremst
weiter wachsen.
Das Ausschalten von p53 ist auch der Grund, warum Tumorzellen mit erhöhtem HDAC2-Spiegel nicht mehr auf gängige
Chemotherapie-Medikamente ansprechen. Die dabei eingesetzten Substanzen wirken gezielt auf die schnell wachsenden
Krebszellen und bringen diese normalerweise zum Absterben. „HDAC2 macht die Tumorzellen allerdings gegen eine solche
Behandlung resistent“, so das Resümee der Jenaer Forscher. Ließe sich die Modifizierung von HDAC2 unterbinden,
so könnten die Zellen möglicherweise wieder für eine Chemotherapeutika-Behandlung sensibilisiert
werden.
Original-Publikation:
Brandl A., Wagner T. et al. Dynamically regulated sumoylation of HDAC2 controls p53 deacetylation and restricts
apoptosis following genotoxic stress. Journal of Molecular Cell Biology 2012; 4(5): 284-93. DOI: 10.1093/jmcb/mjs013 |