Für das "Österreich Journal" berichtet Margarethe Glac täglich von
den Highlights der Viennale über das erste Wochenende
Wien (oj) - Der Titel des diesjährigen Viennale-Trailers lautet "Kino" (F/Ö,
2011). Chris Marker macht darin darauf aufmerksam, dass die lange Suche nach dem perfekten Zuschauer, der weder
Griffith, noch Welles oder Godard ein Ende setzen konnten, völlig überraschend von einem Mann namens
"Bin" gelöst wurde.
Für die Eröffnungsgala des 50. Festivals wurde ein Werk gewählt, das sich mit dem Thema Kino auf
zwei Ebenen auseinandersetzt. "Argo" (USA 2012, Ben Affleck) ist eigentlich der Titel für einen
fiktiven Film, den der CIA-Agent Tony Mendez zum Vorwand nimmt, um eine Gruppe von Amerikanern, die sich nach einem
Gewaltakt iranischer Revolutionäre in die kanadische Botschaft retten konnten, aus dem Iran zu bringen. Die
im Jahr 1979 angesiedelte Rettungsaktion wird bis aufs kleinste Detail vorbereitet und liefert zahlreiche ebenso
spannende wie unterhaltsame Momente.
In dem Dokumentarfilm "Far from Afghanistan" (USA 2012) zeigen fünf amerikanische Independent-Regisseure,
John Gianvito, Jon Jost, Minda Martin, Travis Wilkerson und Soon-Mi Yoo, die Auswirkungen des Konflikts in Afghanistan
auf die Zivilbevölkerung Vorort sowie auf amerikanische Soldaten und deren Familien. In mehreren Sequenzen
kommen Patienten in Krankenhäusern, die mit Säure bespritzt wurden oder auf den Tausch ihrer Beinprothese
warten, zu Wort, Einwohner von Felshöhlen, die vor den schweren Bombardements in die Berge flüchteten,
ihre Kinder dem sicheren Tod überlassend, Soldaten, die nicht mehr weiter wissen, die auf ein Gerichtsverfahren
warten, das ihnen höchstwahrscheinlich ihre Ehre nehmen wird, und sich selbst als Mörder bezeichnen und
schließlich Angehörige von Soldaten, die nach der Rückkehr alleingelassen, den Freitod wählten.
Auch "Zima, uhodi!" (Russland, 2012) ist eine Kollaborationsarbeit. Zehn Absolventen der privaten Dokumentarfilm-Akademie
von Marina Razbezhkina präsentieren die Anti-Putin-Proteste in Moskau im Winter 2011 von ihren Kulissen. Die
Autoren stellen vor allem die bewundernswerte Zivilcourage und eine Hoffnung auf ein besseres Morgen in den Mittelpunkt,
die Frauen und Männer, vorbei an Sicherheitsagenten und in klirrender Kälte, auf Moskauer Straßen
und Plätzen treiben.
Den Ausgang dieser Protestaktion fasst eines der Plakate besonders gut zusammen: "Präsident Putin
wird richtigstellen, was Premier Putin vermasselt hat".
Proteste stehen auch im Mittelpunkt von "Vers Madrid" (F/E 2012, Sylvain George). Der französische
Filmemacher Sylvain George war zu Beginn der Proteste im Mai 2011 zufällig in Madrid und verfolgte mit seiner
Handycam die Entstehung des ‚Movimiento 15-M' mit. Was eigentlich für 60 Minuten geplant war, wurde noch um
die Aufnahmen der äußerst brutalen Bekämpfung der ‚Protestas 25-S', die vergangenen Monat stattfanden,
ergänzt und stellt nun eine zweistündige Dokumentation verschiedener Orte und Menschen, die als ‚Indignados'
(die Empörten) auf die Straßen gingen. Es geht George dabei nicht so sehr darum, einzelne Menschen und
ihre Schicksale zu proträtieren, sondern die Atmosphäre dieser Ereignisse wiederzugeben.
Unter den Spielfilmen sollte vor allem "Da-Reun Na-ra-e-suh" (Südkorea 2012) von Hong Sangso hervorgehoben
werden. Die von Isabelle Huppert dargestellte Hauptfigur, Anne, ausgedacht von einer jungen Drehbuchautorin, mach
drei Mal in demselben Ort Urlaub. Das erste Mal ist Anne eine erfolgreiche Filmregisseurin und fühlt sich
sowohl zu ihrem verheirateten Kollegen wie auch zu dem Rettungsschwimmer am Strand hingezogen, das zweite Mal ist
sie die Geliebte eines bekannten südkoreanischen Regisseurs und bei ihrem dritten Aufenthalt wurde sie von
ihrem Mann wegen einer koreanischen Frau verlassen und versucht nun, mit Unterstützung einer Freundin ihrem
Leben wieder einen Sinn zu geben, dabei verfällt sie sowohl dem verheirateten Mann, der mit seiner hochschwangeren
Frau Urlaub macht , als auch dem Rettungsschwimmer, der auch in der dritten Geschichte immer noch nicht weiß,
wo sich das "Lighthouse" befindet.
Auch "Francine" (USA/Kanada 2012, Brian M. Cassidy und Melanie Schatzky) erzählt die Geschichte
einer sehr fragilen Frau. Die Titelfigur wurde gerade aus dem Gefängnis entlassen und versucht nun, sich im
Leben wieder zurechtzufinden. Dabei gerät ihre Liebe zu Tieren mit der Zeit etwas außer Kontrolle, weit
genug um, wie es die Autoren bei einem Publikumsgespräch erzählten, sehr viel Zeit zum Aufräumen
des von ihr bewohnten Hauses zu brauchen. Doch am Ende des Filmes trifft Francine eine Entscheidung, die für
sie vielleicht erneut schwere Konsequenzen haben wird, die jedoch unter vielen anderen, die sie seit ihrer Entlassung
fällen musste, die einzig richtige ist.
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