Beschluss mit S-V-Mehrheit nach mehrstündigem Hearing
Wien (pk) - Ein öffentliches Expertenhearing zum Thema ELGA (Elektronisches Gesundheitsakte-Gesetz)
stand am 24.10. am Beginn der Sitzung des Gesundheitsausschusses, die aufgrund der großen Teilnehmerzahl
im Bundesratssitzungssaal abgehalten wurde. Nach ausführlichen Beratungen wurde das umfangreiche Gesetz schließlich
in der Fassung eines S-V-Abänderungsantrags, der die weitere Absicherung von datenschutzrechtlichen Bestimmungen
zum Inhalt hatte, mit den Stimmen der Koalitionsparteien angenommen. Allerdings war die Zustimmung innerhalb der
ÖVP nicht einhellig, Abgeordnete Karin Hakl stimmte mit der Begründung dagegen, dass im Hearing nicht
alle Bedenken ausgeräumt werden konnten.
Auch die Opposition hatte zuvor mehr Zeit für die Beratungen gefordert, da ihrer Meinung nach noch etliche
offen Fragen sind, etwa was die Datenverschlüsselung, den Nutzen für die PatientInnen und die Konsequenzen
eines Opt-out betrifft. Ein Vertagungsantrag der Grünen blieb aber in der Minderheit.
ELGA ist ein Informationssystem, das Patientinnen sowie Spitälern, niedergelassenen Ärzte, Apotheken
und Pflegeeinrichtungen einen gesicherten, orts- und zeitunabhängigen Zugang zu wichtigen Gesundheitsdaten
(Entlassungsbriefe, Labor- und Röntgenbefunde, Medikamentenverschreibungen) ermöglicht. Die vorhandenen
Befunde werden somit - patientenbezogen - gebündelt, unabhängig davon wo diese in Österreich abgespeichert
sind (z.B. Spitäler, Labors). Die e-card ist dabei der Schlüssel zum Abruf der Daten. Spätestens
Ende 2013, Anfang 2014 sollen alle PatientInnen Zugang zu ELGA haben; ab 2015 müssen Krankenhäuser und
Pflegeeinrichtungen teilnehmen, ab 2016 alle VertragsärztInnen und Apotheken und ab 2017 schließlich
die Privatkrankenanstalten.
Stöger: Ein guter Tag für die österreichischen PatientInnen
"Ideen, deren Zeit gekommen sind, kann man nicht mehr aufhalten", leitete Bundesminister Alois Stöger
seine Stellungnahme zum ELGA- Regierungsentwurf ein. Das neue Gesetz basiere auf langjährigen Vorarbeiten
der Gesundheitspartner (Bund, Länder und Sozialversicherungen), die vom Bestreben geprägt waren, ein
gemeinsames Informationsmanagement für Krankenanstalten, Allgemeinmediziner, Fachärzte und Apotheken
zu schaffen. Außerdem habe man bereits im Sommer ein Hearing mit allen relevanten Gruppen veranstaltet, in
das alle wichtigen Stakeholder eingebunden waren, erinnerte der Ressortchef. Der heute vorliegende Entwurf, in
den noch wichtige Anregungen und Änderungswünsche einflossen, basiere auf folgenden Eckpunkten: dem Prinzip
der Wahlfreiheit und der Freiwilligkeit für die Patienten, dem Verwendungsrecht für die Ärzte, der
Speicherpflicht von bestimmten Gesundheitsdaten bei Einhaltung strengster Datenschutzbestimmungen, dem Widerspruchsrecht
sowie den Strafbestimmungen bei missbräuchlicher Verwendung der Daten. Er sei jedenfalls überzeugt davon,
dass ELGA nachhaltig dazu beitragen wird, die Behandlungsqualität für die Patienten zu verbessern. Sektionschef
Clemens Martin Auer fügte noch hinzu, dass der Entwurf ein Balanceakt sei, und zwar zwischen den technischen
Möglichkeiten, die auf dem schon bisher vorhandenem hohen Niveau aufbauen, sowie dem optimalen Schutz sensibler,
personenbezogener Gesundheitsdaten; er glaube, dass diese Balance sehr gut gelungen ist. Besonders auf die rechtlichen
Fragen ging sodann Sektionschef Gerhard Aigner ein, der unter Hinweis auf das geltende Ärztegesetz darauf
hinwies, dass nichts Neues im Haftungsrecht geschaffen wird. Auch die Gefahr des "Zumüllens" der
Ärzte mit medizinischen Informationen sehe er nicht, da nur bestimmte hochwertige Gesundheitsdaten in das
System aufgenommen werden.
"Patienten-ELGA" soll kurzfristig umgesetzt werden
Gerald Bachinger (Patienten- und Pflegeanwaltschaft, Niederösterreich) leitete seine Wortmeldung mit dem Hinweis
darauf ein, dass mit dem heutigen Beschluss von ELGA das Gesundheitssystem für die nächsten 20 bis 30
Jahre massiv beeinflusst werde. Der Einsatz moderner Informationstechnologien biete eine Reihe von Chancen, war
Bachinger überzeugt, wenn damit eine bessere Behandlungsqualität, mehr Service und Autonomie für
die Patienten sowie ein umfassender Schutz der sensiblen Daten verbunden sind. Ein großer Vorteil bestehe
für ihn darin, dass die Betroffenen erstmals einen vollen Zugriff auf ihre Gesundheitsdaten haben und nicht
mehr als Bittsteller auftreten müssen.
Gruber: Arbeit der Ärzte soll erleichtert und nicht behindert werden
Dem Tiroler Internisten Ludwig Gruber lag vor allem die Anwenderfreundlichkeit des neuen Systems am Herzen, zumal
er aus jahrelanger Praxis in Krankenhäusern wisse, dass die Ärzte bereits jetzt sehr unter dem bürokratischen
Aufwand leiden. Es müsse den Medizinern ein Tool in die Hand gegeben werden, dass ihre Arbeit erleichtert
und nicht erschwert, unterstrich er mit Nachdruck. Was das konkrete Gesetz anbelangt, so beklagte Gruber, dass
das Format und die Struktur der in ELGA abzuspeichernden Standarddokumente nicht gesetzlich festgeschrieben sind,
sondern erst per Verordnung vom Minister erlassen werden.
Herbek: Bessere Behandlungsqualität durch Vernetzung der Daten
Die Geschäftsführerin der ELGA GmbH, Susanne Herbek, befasste sich zunächst mit der Schnittstellenproblematik
im Gesundheitssystem, die seit vielen Jahren diskutiert werde. Die elektronische Gesundheitsakte stelle gerade
für chronisch Kranke eine enorme Verbesserung dar, weil damit der Informationsfluss zwischen den einzelnen
Gesundheitsdiensteanbietern enorm verbessert werde und die Patienten auch jederzeit über ein Portal auf ihre
Daten zugreifen könnten. Im Mittelpunkt bei der Umsetzung des neuen Systems steht natürlich die praktische
Anwendbarkeit, was u.a. durch ein intuitives Bedienungssystem, ein eigenes technisches Format (clinical document
architecture, CDA) oder ein einfaches Suchsystem gewährleistet werden soll.
Hutgrabner: ELGA ist "Eurofighter des Gesundheitssystems"
Nach Auffassung des praktischen Arztes aus Oberösterreich, Silvester Hutgrabner, werde beim Thema ELGA vieles
schön geredet. Die Behandlungsqualität hänge nicht vorrangig vom Einsatz technischer Hilfsmittel
ab, sondern vom persönlichen Umgang mit den Menschen, betonte er. Wenn aber immer mehr Zeit mit dem Computer
verschwendet werde, dann kommen die persönlichen Kontakte zu kurz. Überdies könne man auch nicht
von einer echten Freiwilligkeit sprechen, dies wäre nur bei einer Opting-in-Lösung gewährleistet.
Zweifel äußerte Hutgrabner auch noch hinsichtlich der erwarteten Kosteneinsparungen sowie bezüglich
der Datensicherheit.
Insgesamt bezeichnete Hutgrabner ELGA als "Eurofighter des Gesundheitssystems": teuer und wenig Nutzen.
Koderhold weist auf negative Erfahrungen in anderen Ländern hin
Günter Koderhold (Oberarzt am Krankenhaus Hietzing und Mitglied des Komitees unabhängiger Wiener Ärztinnen
und Ärzte) machte darauf aufmerksam, dass erste Schritte in Richtung digitalisierte Patientenakte 2004 in
den USA und Kanada unternommen wurden. Aufgrund zahlreicher Probleme wurden derartige Projekte, auch in anderen
Ländern, allerdings wieder reduziert oder sogar beendet, zeigte er auf. In den USA sei etwa das Problem des
Identitätsdiebstahls aufgetaucht, zumal neben den Gesundheitsdaten oftmals auch Informationen über das
soziale Umfeld, Kontaktpersonen, Wohnadresse, Fotos etc. gespeichert werden. Auch der medizinische Mehrwert, der
durch ELGA möglich sein soll, sei ihm nicht ganz nachvollziehbar, da chronisch Kranke am liebsten zu jenen
Ärzten und Spitälern gehen, wo sie von Anfang an behandelt wurden. Er frage sich, inwieweit die angesprochenen
Probleme in Österreich gelöst werden können.
Löffler meldet datenschutzrechtliche Bedenken an
Michael Löffler (e-commerce monitoring gmbh) beurteilte den Gesetzentwurf aus datenschutzrechtlicher Sicht
und meldete einige Bedenken an. So stelle etwa eine Opt-out-Lösung keine freiwillige Zustimmung dar und könne
nicht als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechtes der Patienten betrachtet werden. Außerdem war er der Auffassung,
dass keine ausreichende Rechtsgrundlage gegeben ist, was aber durch minimalste Änderungen (hin zu einem Opt-
in-System) korrigiert werden könnte. Löffler schlug weiters vor, die Daten anonym und komplett zu sammeln,
was zu einer besseren Datenbasis, die Grundlage für medizinische Behandlungen ist, führen würde.
Er setzte sich auch dafür ein, dass die Weitergabe und die Speicherung von Gesundheitsdaten verschlüsselt
werden müssen.
Pilz: Länder an guter Zusammenarbeit aller Beteiligten interessiert
Als Vertreterin der Bundesländer, die zu einem Drittel am ELGA- Projekt beteiligt sind, hob Sigrid Pilz (Wiener
Patienten- und Pflegeanwaltschaft) die Verbesserung der Zusammenarbeit aller Gesundheitsdiensteanbieter im intra-
und extramuralen Bereich hervor. Derzeit gebe es zwar einige positive Pilotprojekte in den Ländern - z.B.
in Wien: Gesundheitsnetz und Entlassungsmanagement -, die aber Insellösungen darstellen und in die die Patienten
noch nicht ausreichend eingebunden sind. Mit dem ELGA werde nun die Mündigkeit der Patienten gestärkt,
unterstrich sie, die Behandlungsqualität verbessert und die Kostentransparenz erhöht.
Schörghofer: Positive Erfahrungen mit E-Medikation-Pilotprojekt
Auch Volker Schörghofer (Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger) war überzeugt
davon, dass mit der elektronischen Gesundheitsakte die Behandlungsqualität enorm verbessert werden könne.
Der Hauptverband wurde zudem beauftragt, auf Basis der e-card bis Ende 2014 ein Informationssystem über verordnete
sowie abgegebene Arzneimittel einzurichten ("e-Medikation"), informierte Schörghofer. Ein seit 2011
laufendes Pilotprojekt sei auf große Zustimmung gestoßen und wurde von über 85 % der Patienten
und 70 % der Ärzte positiv bewertet.
Walcher: Sorgen und Bedenken von Seiten der Ärzteschaft
Der Facharzt für Innere Medizin Gerhard Walcher (Obmann des Komitees unabhängiger Wiener Ärzte)
ging noch einmal auf die Bedenken von Seiten der Ärzteschaft ein, die über den Umweg von ELGA die Einführung
von gewissen Kontrollmechanismen sowie generell eine Einmischung in das Arzt-Patientenverhältnis befürchten.
Er wolle nicht bestreiten, dass mit diesem groß angelegten Projekt gute Absichten verfolgt werden, an den
Details müsse aber sicher noch sorgfältig gefeilt werden.
Walla besorgt bezüglich Usability des Systems
Der Vorarlberger Internist Burkhard Walla konnte grundsätzlich dem Einsatz von EDV-Systemen zur Unterstützung
der ärztlichen Tätigkeit viel abgewinnen. Die bisherigen Erfahrungen mit den KIS-Systemen in den Krankenhäusern
sowie die mangelhafte Umsetzung von Usability- Zielen im vorliegenden Entwurf stimmen ihn allerdings nicht sehr
optimistisch. Die hohen Erwartungshaltungen, nämlich dass nun per Knopfdruck alle wichtigen Patientendaten
verfügbar sind, müsse man sicher sehr relativieren, merkte Walla an. Skeptisch zeigte er sich auch hinsichtlich
der Tatsache, dass nur vier Befundarten gespeichert werden und es noch keine zentrale Suchmöglichkeit gibt.
Wellan: E-Medikation ist sinnvolles Tool
Der Präsident der Österreichischen Apothekerkammer Max Wellan bezeichnete die geplante e-Medikation als
sinnvolles Tool; nicht mehr, aber auch nicht weniger. Generell plädierte er dafür, die Compliance zu
verbessern, was nur interdisziplinär möglich ist.
Die Stellungnahmen und Fragen der Abgeordneten
Von Seiten der Freiheitlichen sprach sich Abgeordneter Martin Strutz für eine Opt-in-Regelung für PatientInnen
aus und erkundigte sich danach, warum man mit ELGA ein neues Modell entwickeln musste und nicht auf die bestehenden
Systeme aufgebaut habe. Weitere Fragen betrafen die dezentrale versus zentrale Speicherung, den medizinischen Nutzen
von ELGA, die aktuellen Kostenschätzungen sowie Haftungskonstellationen. Nach dem Hearing stellte Strutz fest,
seiner Meinung nach seien nun noch mehr Fragen offen.
Abgeordneter Erwin Rasinger (V) zeigte sich hingegen erfreut darüber, dass gegenüber dem ursprünglichen
Entwurf noch Verbesserungen erzielt werden konnten. Seiner Meinung nach wurde letztendlich die richtige Balance
gefunden. Im Mittelpunkt seiner Bestrebungen sei immer das Prinzip gestanden, dass ELGA die Ärzte in ihrer
Tätigkeit unterstützen und nicht behindern soll, betonte er, das System werde dann erfolgreich sein,
wenn es als Zusatztool für die ärztliche Behandlung und nicht als zusätzliche Bürokratie gesehen
werde. Von den ExpertInnen wollte Rasinger wissen, warum in manchen Ländern die Umsetzung eines so genannten
electronic health record nicht funktioniert habe und ob der österreichische Entwurf besser sei.
Rasingers Fraktionskollegin Karin Hakl thematisierte unter anderem die Einbeziehung der Bürgerkarte in das
System, die anonyme Verwendung von Daten und die Frage der Inhaltsverschlüsselung. Wie sie im Anschluss an
das Hearing festhielt, konnten nicht alle ihre Bedenken ausgeräumt werden.
Aus der Sicht der Grünen wies Abgeordneter Kurt Grünewald auf mögliche Vorteile und Nachteile des
ELGA-Systems hin. Sein Fraktionskollege Karl Öllinger (G) drängte darauf, die Architektur von ELGA näher
beim Patienten anzusetzen und nicht "mit dem Bau des vierten Stock" zu beginnen. Es brauche ein versichertenfreundliches
System, das sofort Nutzen für die PatientInnen bringe, sagte er. Abgeordneter Albert Steinhauser wiederum
brachte vor allem datenschutzrechtliche Bedenken vor.
Die Fragen der Grünen galten unter anderem der Priorisierung der Befunde sowie der Tatsache, dass nur Entlassungsbriefe
aus dem stationären Bereich aufgenommen werden. Abgeordneter Öllinger hinterfragte zudem, warum von Anfang
an eine Opt-in-Variante ausgeschlossen wurde. Nachdem die Grünen auch nach dem Hearing noch etliche ungeklärte
Fragen sahen, forderten sie eine Vertagung der Beratungen, konnten sich mit einem entsprechenden Antrag aber nicht
durchsetzen.
Abgeordneter Johann Maier (S) machte darauf aufmerksam, dass ELGA einen großen Fortschritt im Bereich des
Datenschutzes bringe, weil es zu einer Vereinheitlichung und Absicherung von hohen Schutzstandards komme. Was nämlich
derzeit in den Bundesländern in diesem Bereich vorgehe, könne nur als datenschutzrechtlicher Notstand
bezeichnet werden, meinte er. Zudem machte er geltend, dass nun erstmals auch gerichtliche Strafen für den
Missbrauch von Gesundheitsdaten vorgesehen seien.
Abgeordneter Wolfgang Spadiut (B) erinnerte daran, dass die praktischen Ärzte zahlreiche Bedenken bezüglich
der Einführung von ELGA angemeldet haben. Er interessierte sich zudem dafür, ob die gespeicherten Daten
für Forschungszwecke verwendet werden können. Auch für Spadiut blieben letztendlich zu viele Fragen
offen, er stimmte daher für den Vertagungsantrag.
In Beantwortung der aufgeworfenen Fragen ging Volker Schörghofer vom Hauptverband auf die internationalen
Erfahrungen mit der Umsetzung einer elektronisches Gesundheitsakte ein. In Österreich gebe es den großen
Vorteil, dass auf die bereits gut eingeführte und etablierte e-card aufgebaut werden könne, strich er
heraus. Außerdem werden keine Daten über das Internet transportiert, höchste Sicherheitsstandards
angewandt und die Informationen nur dezentral gespeichert.
ELGA-Geschäftsführerin Susanne Herbek informierte darüber, dass bereits jetzt sehr viele Daten von
den Krankenanstalten erfasst und gespeichert werden müssen; daran ändere sich auch durch ELGA nichts.
Die ELGA-Daten dienen als Basis für die Tätigkeit der Ärzte und sind nicht für Forschungszwecke
gedacht, versicherte sie.
Bundesminister Alois Stöger stellte gegenüber Grün-Mandatar Karl Öllinger klar, dass die Forcierung
des Opt-out-Modells, ähnlich wie bei der Organspende, auf einer politischen Entscheidung basiere.
Ärztevertreter bekräftigen: ELGA muss benutzerfreundlich werden
Im Zuge der weiteren Diskussion ging es vor allem um die Frage des Opt-in bzw. Opt-out für PatientInnen, die
Benutzerfreundlichkeit von ELGA und Datenschutzfragen. So drängte Ärztevertreter Burkhard Walla auf eine
zentrale Suchfunktion in ELGA und sprach sich für eine verpflichtende Erprobungsphase aus, um Anwenderprobleme
zu verhindern. Überdies trat er dafür ein, die Erweiterung von ELGA, etwa um Pathologiebefunde oder Patentenverfügungen,
ausschließlich gesetzlich und nicht im Verordnungsweg zu ermöglichen. Auch Ludwig Gruber appellierte
an die Abgeordneten, auf die Usability des Systems besonderes Augenmerk zu legen. Er fürchtet generell, dass
der direkte Arzt-Patienten-Kontakt durch ELGA weiter leiden könnte, wobei er auf in der Vergangenheit gemachte
Erfahrungen im Krankenhausalltag verwies.
Auch die Ärzte Günter Koderhold und Gerhard Walcher äußerten die Befürchtung, dass ELGA
dazu beitragen könnte, bestehende Befunde nicht zu hinterfragen.
Sektionschef Clemens Auer versuchte als Vertreter des Gesundheitsministeriums die Bedenken der ÄrztInnen zu
zerstreuen und bekräftigte, dass dem Ressort die Benutzerfreundlichkeit von ELGA ein großes Anliegen
sei. Auch das Gesetz enthalte zahlreiche Vorgaben in diese Richtung. Er zeigte sich außerdem überzeugt,
dass ELGA verfassungskonform ist, da das öffentliche Interesse an ELGA im Gesetz genau determiniert werde.
Auer widersprach darüber hinaus den Ausführungen des Datenschutzexperten Michael Löffler, wonach
im Gesetz nicht klar geregelt ist, wofür ELGA-Daten verwendet werden dürfen. Es sei eindeutig festgelegt,
dass ELGA nur im Behandlungs- und Betreuungszusammenhang von Gesundheitsdienstleistern genutzt werden dürfen,
sagte er. Sektionschef Gerhard Aigner ergänzte, dass im Falle von Datenmissbrauch auch gerichtliche Strafen
vorgesehen seien.
Opt-in versus Opt-out
Von den Abgeordneten darauf angesprochen, ob sie persönlich für eine Opt-in- oder eine Opt-out-Regelung
plädieren, sprachen sich unter anderem Volker Schörghofer als Vertreter der Sozialversicherung, Susanne
Herbek von der ELGA-GesmbH und die beiden PatientenantwältInnen Sigrid Pilz und Gerald Bachinger ausdrücklich
für die Opt-out-Variante aus. Schörghofer gab zu bedenken, dass viel Geld in das Projekt investiert werde
und es grundsätzlich nicht möglich sei, Befunde nachträglich über ELGA zugänglich zu machen.
Nach Ansicht von Bachinger wäre eine Opt-in-Lösung gerade für jene, die von ELGA besonders profitieren,
nämlich ältere und chronisch kranke Menschen eine große Hürde. Für ihn ist ein gut funktionierendes
Gesundheitsinformationssystem außerdem ein wichtiger Bestandteil des Gesundheitssystems.
Generell warnte Buchinger davor, ELGA zum Sündenbock für bestehende Probleme im Gesundheitssystem zu
machen, etwa mangelnden Arzt- Patienten-Kontakt. Er appellierte an die Abgeordneten, ELGA eine Chance zu geben.
Es gehe nicht zuletzt um eine bessere Informationsvernetzung zwischen dem stationären und dem niedergelassenen
Bereich sowie den Apotheken. Für Patientenanwältin Pilz bedeutet ELGA auch mehr Augenhöhe der PatientInnen
mit den ÄrztInnen.
Ärzte-Vertreter Ludwig Gruber hielt den Opt-out-Befürwortern entgegen, man könne nicht auf der einen
Seite vom mündigen PatientInnen sprechen und diese auf der anderen Seite für nicht mündig genug
halten, selbst zu entscheiden, ob sie bei ELGA dabei sein wollen oder nicht. Auch Silvester Hutgrabner wertete
es als "schmerzlich", dass diese wichtige Frage rein politisch entschieden werde. Für ihn ist es
überdies unverständlich, dass in Anbetracht der Sparvorgaben im Gesundheitsbereich 150 Mio. € für
ELGA zu Verfügung stehen.
SPÖ-Abgeordneter Johann Maier hielt zur Frage des Widerrufsrechts fest, eine Opt-in-Regelung wäre aus
datenschutzrechtlicher Sicht grundsätzlich besser gewesen, seiner Meinung nach ist das Selbstbestimmungsrecht
der PatientInnen aber auch bei der Opt-out- Regelung gewährleistet. So hätten diese auch die Möglichkeit,
nur einzelne Befunde auszublenden. Bei einer Opt-in-Regelung würde sich ihm zufolge außerdem das Problem
verstärken, dass Krankendaten fehlen.
ELGA-Daten sollen über Gesundheitsportal abrufbar sein
Wie Susanne Herbek erklärte, werden die PatientInnen ihre ELGA-Daten voraussichtlich über das bereits
bestehende Gesundheitsportal www.gesundheit.gv.at abrufen können. ELGA werde schrittweise wachsen, auch mobile
und stationäre Pflegeeinrichtungen würden teilnehmen, betonte sie. Ein wesentlicher Vorteil von ELGA
ist für sie, dass eine zielgerichtete Behandlung von PatientInnen ermöglicht wird, egal wo sie sich gerade
aufhalten. Apothekerkammer-Präsident Max Wellan erwartet sich von ELGA eine bessere Datenqualität.
Vor der letzten Expertenrunde hatte die Opposition nochmals bemängelt, dass ELGA zu wenig auf den Nutzen von
PatientInnen abgestellt sei. So kritisierte Abgeordneter Andreas Karlsböck (F) etwa, dass der Fokus des Systems
weniger auf den Bedürfnissen der PatientInnen als vielmehr auf der Kontrolle der Ärzteschaft liege. Abgeordnete
Ursula Haubner (B) gab zu bedenken, dass viele PatientInnen nicht wüssten, was ELGA sei, und es diesen vorrangig
darum gehe, dass der Arzt genug Zeit für sie habe.
Abgeordnete Gertrude Aubauer (V) hob dem gegenüber hervor, dass gerade ältere Menschen eine Datenvernetzung
wünschten, um optimal behandelt zu werden. Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) wies darauf hin, dass Ärztekammer
und Datenschützer seinerzeit auch massiv vor der E-Card gewarnt hätten.
Gesundheitsminister Alois Stöger nannte ELGA in einem abschließenden Statement nochmals einen wichtigen
Baustein für die Zukunft des österreichischen Gesundheitssystems und machte geltend, dass die ÄrztInnen
immer wieder in die Gesetzwerdung eingebunden gewesen seien. "Wir haben uns viel Zeit gelassen", der
Gesetzestext sei dadurch "in der Qualität auch gereift". Für Stöger ist ELGA ein nützliches
Hilfsinstrument für ÄrztInnen. Generell erachtet er es, wie er sagte, für wichtig, ständig
die Frage der Qualität zu stellen.
Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf mit den Stimmen der SPÖ und der überwiegenden Zustimmung von
Seiten der ÖVP angenommen. Der Abänderungsantrag erhielt auch die teilweise Zustimmung der Grünen.
Der Vertagungsantrag der Grünen hatte zuvor keine Mehrheit gefunden.
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