Minister unterstützt Jungbauern-Förderung - Längerer Übergang zu Regionalmodell
Luxemburg / Wien (bmlfuw) - Neuerlich vehement gegen Kürzungen im Agrarbudget der EU in der
Haushaltsperiode 2014 bis 2020 sprach sich Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich am 23.10. beim EU-Agrarministerrat
in Luxemburg aus. Nur eine ausreichend finanzielle Unterstützung für die Bauern garantiere eine ökologisch
nachhaltige Landwirtschaft, so der Minister. Drei Debatten über Einzelaspekte der EU-Agrarreform führten
die Minister auf ihrem Ratstreffen. Einige EU-Mitgliedstaaten, darunter Österreich, haben große Probleme
mit einheitlichen Direktzahlungen für Landwirte innerhalb ihres Landes. Sie fordern eine langsamere Angleichung
oder sprechen sich für differenzierte Zahlungen in Zukunft aus. Weiters unterstützte Berlakovich in den
öffentlichen Debatten zur GAP-Reform den Kommissionsvorschlag einer speziellen Jungbauern-Regelung mit Förderungen
aus der Ersten Säule der GAP (Direktzahlungen) neben den bestehenden Programmen in der Zweiten Säule
(Ländliche Entwicklung).
Die Förderung für Junglandwirte möchten die meisten EU-Mitgliedstaaten ausbauen. Allerdings bleibt
umstritten, ob in der Ersten Säule oder der Zweiten Säule der GAP. Erzeugergemeinschaften soll es mit
der Reform für alle Sektoren geben, um die Position der Landwirte in der Vermarktungskette zu stärken.
Berlakovich fordert bei Regionalmodell längeren Übergang und Reduktionskoeffizienten
In der Debatte um die vorgeschlagene Umstellung der Direktzahlungen vom historischen Modell auf einheitliche
Regionalprämien forderte Berlakovich mehr Differenzierungsmöglichkeit der Zahlungsansprüche nach
Nutzungsart und einen sanften Übergang mit einer Verlängerung der Frist von 2019 auf die gesamte neue
Budgetperiode bis 2021. Bekanntlich plant Österreich die schrittweise Umstellung von der historischen Referenz
auf eine bundesweit einheitliche Flächenprämie für Acker- und intensives Grünland. Die Prämien
für extensive Grünlandflächen, wie etwa Almen und Hutweiden, sollen jedoch mit einem Reduktionskoeffizienten
abgestuft werden. Berlakovich verlangte deshalb eine Ausweitung des Kommissionsvorschlages um die Möglichkeit
der Anwendung eines solchen Reduktionskoeffizienten.
Berlakovich betonte, dass es bei der Umstellung zu keinen allzu großen Verwerfungen kommen dürfe. Deshalb
seien eine längere Übergangszeit mit dem letzten Schritt 2020 und ein sanfterer erster Umstellungsschritt
als die vorgeschlagenen 40% notwendig. Das Reduktionsmodell sei wegen der unterschiedlichen Flächentypen in
Österreich notwendig, um dem Wunsch der Kommission nach einer Vereinheitlichung der Direktzahlungen formell
zu genügen und sie gleichzeitig "in gerechte Bahnen zu lenken".
Den meisten EU-Mitgliedstaaten geht die Vereinheitlichung der Direktzahlungen zu schnell. Die Landwirte bräuchten
ausreichend Zeit, um sich anpassen zu können, waren sich fast alle Agrarminister einig. Agrarkommissar Dacian
Ciolos erklärte sich schließlich mit einer längeren Übergangsfrist einverstanden, wenn am
Schluss jeder Landwirt in einem Land oder einer Region pro Fläche das Gleiche bekomme. Er wolle dazu am Jahresende
einen Vorschlag vorlegen.
Die deutsche Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner erklärte, Deutschland habe unter dem Strich gute Erfahrungen
mit einer vierjährigen Übergangsfrist gemacht. Wenn andere länger bräuchten, sei sie damit
einverstanden. Allerdings sollte es am Ende des Übergangs möglichst keine Zahlungen mehr geben, die an
die Produktion gekoppelt sind.
Neben Österreich mit einem Reduktionskoeffizienten forderten weiters Italien, Irland, Griechenland und Spanien
die Möglichkeit unterschiedlich hoher Prämien auch für die Zeit nach 2020. Besonders Italien wurde
deutlich. "Umverteilungen mit traumatischen Auswirkungen für verlierende Betriebe" seien für
ihn ausgeschlossen, betonte der italienische Minister Mario Catania. Einige Landwirte würden dadurch 90% ihrer
Zahlungen verlieren, was ausgeschlossen sei.
Ein gleich 40%iger Ausgleich der Unterschiede im ersten Jahr der Reform geht neben Österreich ebenfalls vielen
Ländern zu weit. Polen und andere osteuropäische Mitgliedstaaten sowie die Niederlande sprachen sich
dagegen für eine rasche Vereinheitlichung aus, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.
Berlakovich stellt sich hinter Jungbauern-Förderung - Debatte um Freiwilligkeit
Zur Junglandwirte-Regelung blieben die Minister trotz eines flammenden Appells von Ciolos für eine obligatorische
Regelung in der Ersten Säule gespalten, viele wollen nur eine freiwillige Fördermöglichkeit oder
Programme in der Zweiten Säule. Berlakovich erklärte seine Unterstützung für den Kommissionsvorschlag.
Österreich sei zwar glücklich, dass sich viele junge Menschen für den Beruf Landwirt interessierten
und auch der Zulauf zu landwirtschaftlicher Bildung stark sei, es sei aber "symbolisch wichtig", Jungbauern
zu unterstützen, "damit wir mehr Junge für die Landwirtschaft begeistern". Für Berlakovich
ist "zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit eine Verjüngung der Landwirtschaft notwendig".
Selbst symbolische Zahlungen signalisierten daher den Junglandwirten, dass ihr Engagement der Gesellschaft am Herzen
liege.
Neben den von ihm begrüßten Direktzahlungen unterstrich er auch die Bedeutung der Investitionsförderung
aus der Ländlichen Entwicklung. Mit einer Freiwilligkeit statt der obligatorischen Jungbauern-Förderung
habe er keine Probleme. Er fordert aber, dass die dafür maßgeblichen Kriterien in der Ersten und Zweiten
Säule kohärent sein müssten.
Ciolos hielt nach der Aussprache fest, dass sich die EU-Mitgliedstaaten nach anfänglicher Kritik dem Kommissionsvorschlag
genähert hätten. 20 Minister seien für eine zusätzliche Förderung der Junglandwirte in
der Ersten Säule, fasste er die Debatte zusammen. Allerdings gab es im Rat weiterhin unterschiedliche Meinungen
darüber, ob die pauschalen Zahlungen in der Ersten Säule vorgeschrieben werden oder freiwillig bleiben.
Aigner bezweifelte, ob die von der Kommission vorgesehenen 2% der Direktzahlungen Junglandwirte zur Übernahme
des Betriebes von ihren Eltern bewegen können. Deutschland habe kein grundsätzliches Problem mit der
Überalterung, weshalb es keinen Handlungsbedarf auf europäischer Ebene gebe. Aigner hält Investitionsförderungen
in der Zweiten Säule für ausreichend. Ungarn, Spanien, Frankreich, Portugal, Rumänien, Bulgarien,
Italien, Lettland, Litauen und Griechenland folgen dem Kommissionsvorschlag, nachdem in allen Mitgliedstaaten 2%
der Direktzahlungen für Junglandwirte reserviert werden sollen. Ungarn möchte die Fördergrenze von
25 ha auf 100 ha erhöhen. Die Niederländer wollen das Geld lieber aus der Ersten Säule in die Zweite
Säule umschichten und damit Investitionen von Junglandwirten unterstützen, allerdings ohne die sonst
übliche nationale Kofinanzierung.
Auch der EU-Landwirteverband legt "Nachdruck auf die dringende Notwendigkeit, junge Kräfte für die
Aufnahme eines landwirtschaftlichen Berufs zu gewinnen, wobei dahingehende Maßnahmen im Rahmen der neuen
GAP zu verstärken sind". COPA bezweifelt jedoch, dass dies durch eine zusätzliche Zahlung aus der
Ersten Säule der GAP erreichbar wäre, weil unter anderem ein großes Hindernis für Junglandwirte
im mangelhaften Zugang zu Kapital zu sehen sei. Eine zusätzliche Direktzahlung würde ihnen nicht helfen,
die nötigen Investitionen zu tätigen, man fordert eher eine spezielle Investitionsförderung in der
Zweiten Säule. Jedenfalls aber betonen COPA und COGECA, "dass die Mitgliedstaaten rechtsverbindlich verpflichtet
sein sollten, Junglandwirten besondere Unterstützung zu gewähren".
Berlakovich: Das Agrarbudget darf nicht gekürzt werden
Berlakovich rechnet, wie viele seiner Ressortkollegen auch, angesichts der derzeitigen Wirtschaftssituation mit
"harten und schwierigen" Verhandlungen zum Finanzrahmen der EU von 2014 bis 2020. "Das Agrarbudget
darf nicht gekürzt werden", so der Minister, sonst drohe anderenfalls eine industrialisierte Landwirtschaft.
"Diese würde sich durchsetzen, weil der Konkurrenzdruck enorm ist." Der Weg zu einer ökologisch
nachhaltigen Landwirtschaft sei schwierig, daher brauche es Unterstützung, forderte Berlakovich. Von einem
ausreichend dotierten Agrarbudget profitierten nicht nur die Bauern, sondern auch die Menschen, verwies er auf
die Bedeutung einer gesicherten Nahrungsmittelproduktion: "Das Budget muss den Bauern und den Konsumenten
Sicherheit geben."
Auch die deutsche Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner will Kürzungen beim EU-Agrarbudget verhindern. Ohne
die Inflation einzurechnen, solle das Landwirtschaftsbudget der EU in den kommenden Jahren auf gleichem Niveau
bleiben, forderte sie.
In einem Gespräch mit dem Ratsvorsitzenden und zypriotischen Landwirtschaftsminister
Sofoclis Aletraris hob auch der Generalsekretär der EU-Landwirte- und Genossenschaftsverbände COPA und
COGECA, Pekka Pesonen, die Notwendigkeit eines starken Haushalts als Rückhalt für die GAP hervor. Ein
solider EU-Haushalt sei für eine dynamische und wettbewerbsfähige europäische Agrar- und Ernährungswirtschaft,
die rund 40 Mio. Menschen beschäftigt und zur Überwindung der aktuellen Wirtschaftskrise in Europa beiträgt,
von entscheidender Bedeutung.
Bekanntlich wollen die EU-Staats- und Regierungschefs, für Österreich Bundeskanzler Werner Faymann, bei
einem Sondergipfel in Brüssel am 22. und 23.11. den Rahmen für die sogenannte Finanzielle Vorausschau
der EU 2014 bis 2020, also deren Einnahmen und Ausgaben, abstecken. Die finanzielle Ausstattung der Gemeinsamen
Agrarpolitik GAP schlägt zurzeit mit weniger als 1% des Gesamtbetrages aller öffentlichen Ausgaben in
der EU zu Buche.
Ratspräsident Aletraris erklärte, er strebe eine partielle allgemeine Ausrichtung über die Agrarreform
bis zum Jahresende an. Bis dahin wüssten die Landwirtschaftsminister, auf welcher finanzieller Basis die GAP
reformiert werde, weshalb eine Entscheidung dann leichter möglich sei.
Minister für Stärkung der Erzeuger in der Lebensmittelkette
Die EU-Kommission will in ihren Vorschlägen für die GAP-Reform die Verhandlungsposition der Landwirte
und das Funktionieren der Nahrungsmittelkette stärken. Berlakovich hält die Stärkung der Stellung
der Erzeuger in der Lebensmittelversorgungskette für sehr wichtig. Abgesehen von der Anerkennung der Erzeugergemeinschaften
im Bereich Obst und Gemüse sowie im Milchbereich soll es sich für die anderen Sektoren jedoch um ein
freiwilliges Verfahren handeln.
Alle EU-Mitgliedstaaten möchten die Vermarktung von Agrarerzeugnissen durch Erzeugergemeinschaften verbessern.
Allerdings blieb auch in dieser Aussprache umstritten, ob die EU-Mitgliedstaaten Erzeugergemeinschaften freiwillig
oder verpflichtend anerkennen müssen. Hinter der freiwilligen Anerkennung steht häufig eine strengere
Prüfung der Zusammenschlüsse. Dänemark, Schweden, das Vereinigte Königreich, Deutschland und
Österreich sprachen sich für die freiwillige Lösung aus. Lediglich bei Obst, Gemüse und Milch
müssen die EU-Mitgliedstaaten die Erzeugergemeinschaften nach Auffassung dieser Länder anerkennen. Sie
argumentierten mit einem funktionierenden Genossenschaftswesen, das schon jetzt den Landwirt stärke.
Gegenteiliger Auffassung sind vor allem Frankreich, Spanien, Italien, Portugal, Griechenland, Finnland, Polen und
Ungarn. Sie sind für eine obligatorische Anerkennung von Erzeugergemeinschaften in allen Sektoren und in allen
EU-Mitgliedstaaten. Einige dieser Länder sind zudem für weitere Einschränkungen im Kartellrecht,
um die Position der Landwirte zu stärken. Solange eine Dominanz auf dem Markt nicht missbraucht werde, sei
eine beherrschende Stellung kaum bedenklich, argumentierten diese Länder. Agrarkommissar Ciolos bemängelte
niedrige Anteile der Landwirte an der Wertschöpfung als ein zentrales Problem. Zusammenschlüsse in allen
Sektoren sowie Mengen- und Preisabsprachen sollten den Margen der Landwirte verbessern.
In Anbetracht der gewaltigen Kaufkraft des Einzelhandels begrüßten auch COPA und COGECA die Gespräche
der EU-Agrarminister über Mittel und Wege, wie die Position der Landwirte im Rahmen der Lebensmittelkette
verbessert werden kann, damit sie zur Erwirtschaftung besserer Erlöse aus dem Markt in der Lage sind.
Fischerei: Berlakovich fordert Mittelzuweisung für nachhaltige Aquakultur
In der öffentlichen Debatte um den vorgeschlagenen Europäischen Meeres- und Fischereifonds EMFF kritisierte
Berlakovich den bisherigen Mitteleinsatz, der zu wenig Reduktion der Fischfangkapazitäten gebracht habe. "Das
Hauptaugenmerk des EMFF muss auf eine nachhaltige und trotzdem wettbewerbsfähige Fischerei und auf die Förderung
einer nachhaltigen Aquakultur ausgerichtet sein." Für diese Förderung der Aquakultur, in der der
Minister auch eine Chance für die österreichische Teichwirtschaft sieht, verlangt er neben den Rahmenbedingungen
auch eine eigene Mittelzuweisung im künftigen EMFF.
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