BAWAG Contemporary von 23. November 2012 — 17. Februar 2013
Wien (bawag) - BAWAG Contemporary präsentiert unter dem Titel „Magnetics“ die erste Einzelausstellung
des belgischen Künstlers Michaël Borremans in Österreich, die eine Reihe ausgewählter Gemälde
umfasst.
Die Malerei von Michaël Borremans ist still, und ihre somnambulen Charaktere und tiefen Schatten sowie die
Akzentuierung der Hände und Gesten erinnern bisweilen an Stummfilme, deren Handlung und Gefühle ebenso
ausschließlich über Bilder transportiert werden. Eine wesentliche Erfahrung dieser „nature morte“-Bilder
ist, dass sie die verzauberten Figuren so vollständig auf der Leinwand leben lassen, dass man sie sich nirgendwo
sonst vorstellen kann. So manche von ihnen, die wie lebende Tote wirken, sind in nachdenklicher Haltung oder halb
bewusstlosem Zustand direkt in die Mitte der Komposition gerückt. Ihre Gesichter sind großteils verdeckt,
die Stimmung psychologisch aufgeladen. Die Figuren sind in verschiedenen Stadien einer Versunkenheit festgehalten,
die so total ist, dass sie die Anwesenheit des Betrachters negiert.
Die Dargestellten evozieren aufgebahrte Leichen, haben etwas von Objekten in Vitrinen, die Gesichter Totenmasken
gleich, während die Gegenstände wie Verkörperungen psychischer Zustände erscheinen. Der schaurige
Anblick der weiblichen Figur in The Case (2009), die einem Horrorfilm oder einer forensischen Fotografie entstammen,
ebenso Opfer eines geheimen Verbrechens wie in tiefen Schlaf gefallen sein könnte, erlaubt keine Träumerei.
Aber die Zartheit, mit der das Bild ausgeführt ist, wirkt, ohne dass man es will, stimulierend. Red Hand,
Green Hand (2010) zeigt zwei Hände, die an eine Geisterbeschwörung denken lassen. Die magisch aufgeladene
Geste einer spiritistischen Séance vermittelt durch die Bemalung der Hände eine unüberbrückbare
Distanz. Das Gefühl der Vertrautheit und unmittelbaren Nähe macht einer intensiven Verstörung Platz.
Diese jüngeren Bilder Borremans’ exerzieren ihr eigenes Verblassen, den Rückzug der Farbe möglichst
noch hinter die Leinwand. Die Malerei wird immer dünner, scheint sich aufzulösen, die Realität immer
unwirklicher. In Bildern wie The Load (2009) oder Magnetics (2009) meint man durch eine Art treibenden Rauch oder
Schleier hindurch Farben und Formen einer sozusagen verminderten Körperlichkeit auszunehmen, Bilder einer
verblichenen Welt, von einem Milchmädchen, das eine seltsame Haube auf dem Kopf trägt, einer Columbine,
die ihre Augen niederschlägt, weil man sie anblickt. Wie man „die Schatten der Wirklichkeit sozusagen aus
dem Nichts hervorkommen sieht, genau wie Erinnerungen […], die ja auch inmitten der Nacht in uns auftauchen und
die sich dem, der sie festhalten will, so schnell wieder verdunkeln, nicht anders als ein photographischer Abzug,
den man zu lang im Entwicklungsbad liegen läßt“ (W. G. Sebald), so tauchen diese Gesichter aus dem gespenstischen
Dunkel auf. Im Dunst dieser verdämmernden Welt lösen sich sämtliche Formen und Farben auf; es gibt
keine Kontraste, keine Abstufungen mehr, nur noch fließende, von Licht durchpulste Übergänge, ein
einziges Verschwimmen, in dem sich nur noch die allerflüchtigsten Erscheinungen abzeichnen.
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