Aktuelle Stunde im Bundesrat über die Zukunft der EU-Agrarpolitik
Wien (pk) - Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich will weiter dafür kämpfen, dass
die Agrarfördermittel der Europäischen Union nicht im geplanten Ausmaß gekürzt werden. Das
bekräftigte er am 31.10. im Rahmen einer Aktuellen Stunde im Bundesrat, bei der es um die geplante Reform
der EU-Agrarpolitik ging. Berlakovich fürchtet, dass bei einer Förderkürzung für die LandwirtInnen
der industriellen Massenproduktion Vorschub geleistet wird. Ausdrücklich begrüßte der Minister
allerdings das Vorhaben der EU, die Ökologisierung der Landwirtschaft voranzutreiben. Für ihn ist Österreich
mit seiner "ökosozialen Landwirtschaft" Vorbild in Europa.
Eingeleitet wurde die Aktuelle Stunde durch Bundesrat Martin PREINEDER (V/N). Er wies eingangs darauf hin, dass
es in Österreich seit 1995 das System der Gemeinsamen Agrarpolitik gibt. In der ersten Säule stand einerseits
das Ziel im Mittelpunkt, die Agrarpreise auf Weltmarktniveau abzusenken und andererseits wurden Ausgleichszahlungen
für die Landwirte vorgesehen, skizzierte er. Davon hätten auch die Konsumenten profitiert, da sie für
ihre Lebensmittel weniger zahlen müssten. Während ein durchschnittlicher Haushalt zu Beginn der EU-Mitgliedschaft
noch 23 % seines Budgets für Lebensmittel aufwenden musste, so liege diese Zahl heute bei 13 %, zeigte Preineder
auf. Weitere Schwerpunkte der GAP waren ihm zufolge der Ausgleich von natürlichen Benachteiligungen (z.B.
Bergbauernförderung) oder die Ökologisierung der Landwirtschaft.
Sodann befasste sich der Bundesrat mit grundsätzlichen Überlegungen bezüglich der Gemeinsamen Agrarpolitik
in der Union, die seiner Ansicht nach allein schon aufgrund der Orts- und Bodengebundenheit der landwirtschaftlichen
Produktion notwendig ist. Bei der nun angestrebten Reform der GAP habe sich Österreich klar positioniert und
unter anderem folgende Ziele verfolgt: die Beibehaltung der Mittel im bisherigen Ausmaß, eine klare Trennung
zwischen den Direktzahlungen und den Umweltleistungen, ein langsamer, fünf Jahre dauernder Übergang (soft-landing),
die Abschaffung der gekoppelten Prämien, Verwaltungsvereinfachungen für Kleinlandwirte sowie die Fortführung
der ländlichen Entwicklung.
Bundesrat Robert ZEHENTNER (S/S) konzentrierte sich in seiner Rede auf drei zentrale Punkte der Gemeinsamen Agrarpolitik:
die Umstellung der Betriebsprämie, die Verbesserung der Bergbauernförderung sowie die Weiterentwicklung
der biologischen Landwirtschaft. Positiv sei, dass die Betriebsprämie ab 2014 auf Acker- und Grünland
gleich verteilt werde, weil es bis dato zu teilweise massiven Wettbewerbsverzerrungen gekommen sei. Was die Bergbauernförderung
anbelangt, für die es in Österreich eine sehr lange Tradition gibt, so müsse man sich gerade in
den Berghilfekatastergruppen 3 und 4 etwas einfallen lassen, um Ungerechtigkeiten zu beseitigen.
Zehentner wies weiters darauf hin, dass Österreich zwar noch immer Bioland Nummer 1 sei, aber wohl nicht mehr
lange. In diesem Sektor habe man in den letzten fünf, sechs Jahren eine sehr schwache Entwicklung feststellen
müssen, es kämen keine neuen Biobauern hinzu. Es sollte das politische Ziel sein, die Bioflächen
in Österreich in den nächsten Jahren zu verdoppeln, forderte der Bundesrat, aber dafür müsse
man natürlich auch Geld in die Hand nehmen. Damit würde man zudem noch einen zweiten wichtigen Effekt
erzielen, nämlich die Reduktion der CO2-Emissionen, gab Zehentner zu bedenken. Außerdem setzte er sich
dafür ein, bei den Förderungen die eingesetzte Arbeitskraft stärker zu berücksichtigen und
nicht, wie bisher, nur auf die Größe der zu bewirtschaftenden Flächen abzustellen.
Es sei klar, dass die Landwirtschaft ab 2013 vor großen Herausforderungen stehen wird und neue Weichenstellungen
erforderlich sein werden, konstatierte Bundesrat Franz PIROLT (F/K). Dies umfasse nicht nur die Frage der Fördermittel,
sondern etwa auch die Entwicklung von "green jobs", die Anforderungen an die Raumplanung oder die Erschließung
neuer Arbeitsbereiche wie im Rahmen der Energieproduktion. Bei den Betriebsprämien ist seiner Meinung nach
eine Verschiebung der Mittel von den Großbetrieben hin zu den kleinen Landwirten als Ausgleich für die
eingesetzte Familienarbeit erforderlich.
Für wichtig erachtete Pirolt auch, dass die Investitionsprämien zumindest gleich hoch bleiben, wobei
die Ökologisierung nicht auf der Strecke bleiben dürfe. Weitere Forderungen betreffen die Gewährleistung
der Gentechnikfreiheit, die adäquate Anpassung der Tierhaltungsbedingungen im Sinne der Kleinbauern und der
mittelständischen Betriebe, die Unterstützung von Vermarktungsgenossenschaften, die Reform der AMA sowie
die Einführung eines Kombi-Lohnsystems für die Bauern.
In seiner einleitenden Stellungnahme machte Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH darauf aufmerksam, dass sich in
den nächsten Wochen die Zukunft der Landwirtschaft in Österreich entscheiden werde. Per Ende des Jahres
solle zunächst das EU-Budget und in den folgenden Monaten die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik für
die Periode 2014-2020 beschlossen werden, erläuterte er. Die Agrarpolitik sei bereits vor 50 Jahren in Europa
vergemeinschaftet worden und habe seitdem eine Reihe von Veränderungen und Reformprozessen durchlaufen. Auch
wenn die ursprünglichen Ziele – Steigerung der Produktivität und der Wettbewerbsfähigkeit, angemessene
Leistungsabgeltung für die bäuerliche Bevölkerung, Ordnung und Stabilisierung der Märkte, Versorgungssicherheit,
leistbare Lebensmittel - noch immer ihre Gültigkeit hätten, müsse man sich den neuen Herausforderungen
stellen, ist Berlakovich überzeugt.
Österreich könne stolz darauf sein, einen eigenen und guten Weg zu beschreiten, nämlich jenen der
ökosozialen Landwirtschaft, führte der Minister weiter aus. Auch Kommissionspräsident Barroso habe
kürzlich festgestellt, dass das österreichische Modell Vorbild für ganz Europa sei. Ebenso wolle
der EU-Landwirtschaftskommissar eine Ökologisierung in ganz Europa vorantreiben, was von österreichischer
Seite unterstützt wird.
Was die neue Finanzperiode 2014-2020 der GAP betrifft, sollen laut Berlakovich die beiden Säulen - Marktordnung
mit Direktzahlungen sowie ländlicher Raum – aufrechterhalten bleiben, weil sie ihm zufolge die Basis dafür
schaffen, dass Landwirtschaft in Europa existieren kann. Die Neuverteilung der Betriebsprämien stelle eine
große Herausforderung dar, räumte der Minister ein, intensiv wirtschaftende Betriebe werden eher verlieren,
extensive werden eher gewinnen. Diese Prämien seien aber notwendig, denn sie stellten ein Sicherheitsnetz
dar, weil die Bauern von den Marktpreisen ihrer Produkte leider nicht leben könnten, gab Berlakovich zu bedenken.
Wichtig für Österreich war laut Berlakovich vor allem die Gewährleistung eines gleitenden Übergangs
ab 2014, die Förderung kleiner Landwirte sowie die Unterstützung junger Bauern. Zusätzlich soll
es in Hinkunft eine Ökologisierungsprämie geben, informierte der Bundesminister. Auch wenn die Bioförderung
ab 2014 ausgebaut werden soll, spreche er sich dagegen aus, dass alle Landwirte Biobauern werden. Damit würde
man den Biobauern die Grundlage entziehen und einen Preisverfall in Kauf nehmen müssen, argumentierte der
Minister.
Im Mittelpunkt der österreichischen Politik stehe jedenfalls, so Berlakovich, die Erhaltung einer wettbewerbsfähigen,
flächendeckenden und multifunktionalen Landwirtschaft mit ökologischer Ausrichtung. All das könne
jedoch nur sichergestellt werden, wenn genügend Mittel zur Verfügung stehen. Derzeit ist auf EU-Ebene
geplant, die Gelder für den Agrarsektor um 10 % zu kürzen, was von seiner Seite aber nicht akzeptiert
werde. Er werde daher gemeinsam mit dem Bundeskanzler eine Strategie besprechen, damit dieses Vorhaben nicht umgesetzt
und somit verhindert werde, dass Europa in Richtung einer industriellen Massenproduktion geht, bekräftigte
Landwirtschaftsminister Berlakovich.
Bundesrat Marco SCHREUDER (G/W) forderte eine globale Betrachtungsweise in Bezug auf die Produktion und Versorgung
mit Lebensmitteln ein. Ein wichtiger Grund dafür, warum sich immer mehr Menschen in der Welt die Nahrungsmittel
nicht mehr leisten können, sei die zunehmende Spekulation auf agrarische Grundprodukte. Hier sei die EU massiv
gefordert, betonte der Bundesrat, sie müsse entsprechende Gegenmaßnahmen entwickeln. Eine Möglichkeit
bestünde darin, die Macht der Nahrungsmittelindustrie einzuschränken und im Gegenzug die regionalen Versorger
adäquat zu unterstützen, schlug er vor. Schließlich befasste sich Schreuder noch mit dem Online-Auftritt
des Lebensministeriums, der 4,39 Mio. € gekostet haben soll, was nach Ansicht des Bundesrats völlig überteuert
ist. Dafür hätte man maximal 300.000 € ausgeben dürfen. Er sei sicher, dass nicht einmal die Entwicklung
von Facebook 4,39 Mio. € gekostet habe.
Österreich sei es zum Glück gelungen, seine kleinstrukturierte Landwirtschaft zu erhalten, hob Bundesrat
Ferdinand TIEFNIG (V/O) hervor. Was die Pläne hinsichtlich der Gemeinsamen Agrarpolitik betrifft, die für
ihn Garant für die Lebensmittelversorgung in Europa ist, so sei es sehr bedauerlich, dass sie als einziger
Bereich gekürzt werden soll. Wichtig sei auch die Aufrechterhaltung der Ausgleichszahlungen für die Landwirte,
zumal ihre Einkommen in den letzten Jahren sehr schwach gestiegen seien. Er hoffe, dass es Bundeskanzler Faymann
gelingt, sich auf EU-Ebene durchzusetzen und das Geld für die Landwirte heimzubringen, denn sonst werden z.B.
die Bergbauern keine Zukunft haben, meinte Tiefnig.
Bundesrätin Adelheid EBNER (S/N) plädierte dafür, die Verteilung der Förderungen auf, wie sie
sagte, gerechtere Beine zu stellen und dabei insbesondere nicht an die Fläche und die Stückzahl anzuknüpfen,
sondern vielmehr auch wirtschaftliche Erschwernisse besser auszugleichen. Wichtig war für die Rednerin überdies
die Herstellung der Chancengleichheit von Männern und Frauen, wobei sie vor allem auf die steigende Bedeutung
von Frauen als landwirtschaftliche Betriebsführerinnen hinwies.
Bundesrat Hermann BRÜCKL (F/O) sagte dem Minister die Unterstützung seiner Fraktion im Kampf gegen die
geplanten Kürzungen des Agrarbudgets zu und betonte, nicht Einsparungen, sondern eine gerechte Verteilung
der Fördermittel sollte das Ziel der Zukunft sein. Er forderte eine stärkere Berücksichtigung der
kleinstrukturierten Landwirtschaft und meinte, es müsse endlich Schluss gemacht werden mit den Förderungen
an internationale Großkonzerne. Entschieden wandte sich Brückl ferner gegen die Abschaffung der Milchquote
und warnte in diesem Zusammenhang vor drohendem Preisverfall.
Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH replizierte auf Brückl, die Milchquote habe ihren Steuerungseffekt längst
verloren, Österreichs Betriebe könnten nur im Veredelungsprozess der Milch, nicht aber in der bloßen
Milchanlieferung erfolgreich sein. Das Problem für die Milchproduzenten bestehe vielmehr auch darin, dass
Milch von der Lebensmittelindustrie in einem immer größerem Ausmaß durch importiertes Palmöl
ersetzt werde, gab Berlakovich zu bedenken.
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