EU-Ausschuss des BR: Katastrophenschutz grundsätzlich Ländersache
Wien (pk) - Die Anstrengungen der Europäischen Kommission, Katastrophenhilfe EU-weit zu koordinieren,
wurden am 30.10..vom EU-Ausschuss des Bundesrates differenziert bewertet. Konkret befasste sich der Ausschuss mit
Kommissionsplänen, den Katastrophenschutz zwischen den Mitgliedsstaaten und der Union besser aufeinander abzustimmen
und durch Mechanismen der Prävention, Vorbereitung und Abwehr zu ergänzen. Zudem kreiste die Debatte
um den erneuten Versuch der Kommission, mit einem Verordnungsentwurf ein EU-Freiwilligencorps für humanitäre
Hilfe und Katastropheneinsätze ins Leben zu rufen. In beiden Bereichen wurden Bedenken hinsichtlich der Kompetenzverteilung
zwischen EU und Nationalstaaten sowie der Finanzierung geltend gemacht. Den außerdem diskutierte Richtlinienvorschlag
zu EU-weiten Regelungen für die online-Nutzung von Musikwerken beurteilten die Ausschussmitglieder generell
positiv. Zentrale Frage dabei war, ob Österreich die nationale Monopolstellung seiner Verwertungsgesellschaften
beibehalten solle.
Katastrophenschutzpläne der Kommission wurden adaptiert
Nachdem viele Mitgliedsstaaten sich ablehnend zum ursprünglichen Kommissionsentwurf für ein unionsweites
Katastrophenschutzverfahren gezeigt hatten, wurde unter der zypriotischen Ratspräsidentschaft nun eine veränderte
Fassung erarbeitet, informierte eine Expertin des Innenministeriums (BMI) den EU-Ausschuss des Bundesrats (siehe
auch PK-Meldungen 186/2012, 233/2012). Die Kosten für den EU-Katastrophenschutz werden im kommenden mehrjährigen
EU-Finanzrahmen (2014 bis 2020) laut Kommissionsentwurf mit 513 Mio. Euro beziffert. Anstatt der verpflichtenden
Übermittlung von Risikomanagementplänen an die Kommission, sollten die Mitgliedsländer gemäß
des EU-Plans nunmehr Informationen über Risiken und eine zusammenfassende Bewertung der nationalen Risikomanagementfähigkeit
bekanntgeben und damit einen wirkungsvollen Austausch von Verfahren und Informationen ermöglichen. Dieser
Ansatz werde von Österreich zwar begrüßt, so die Expertin, einzig die vorgesehene Frist von zwei
bis drei Jahren werte man für diese präventiven Maßnahmen als zu kurz.
Gegen die positive Sichtweise des geänderten Kommissionsentwurfs wandte sich Bundesrat Franz Wenger (V/S).
Er sehe keine Erleichterung dadurch, dass nun Zusammenfassungen der Risikopotentiale von der EU verlangt würden,
meinte der Salzburger Bundesrat und betonte, Katastrophenschutz müsse jedenfalls nationale Sache bleiben.
Bundesrätin Cornelia Michalke (F/V) erwiderte darauf, natürlich sei vielfach Katastrophenhilfe besser
auf nationaler oder kommunaler Ebene zu verankern, doch dürfe man nicht übersehen, dass Katastrophen
durchaus auch europaweit auftreten könnten. Dann gehe es um schnelle Reaktion und ausreichend verfügbare
Ressourcen in den Ländern, wie es im Kommissionsvorschlag angedacht sei, befand Michalke. Tatsächlich
beabsichtige die Kommission mit ihrem Entwurf, Mitgliedstaaten, die bislang bei Maßnahmen zur Risikovorsorge
nachlässig waren, zur verstärkten nationalen Präventionsarbeit zu motivieren, erfuhr der Ausschuss
von der Vertreterin des Innenministeriums. Generell verbleibe Katastrophenschutz in nationaler Verantwortung, erklärte
sie, die EU-Hilfe komme innerhalb der Staatengemeinschaft dann zum Tragen, wenn der Hilfsbedarf die Fähigkeiten
eines einzelnen Staates übersteige.
Dem aktuellen Vorschlag zufolge können Fachleute und Sachleistungen wie Decken, Zelte, Sandsäcke etc.
von einem Mitgliedsstaat als unionsweit zugängliche Notfallabwehrkapazität bei der EU gemeldet werden.
Diese Ressourcen stünden jederzeit auch für nationale Zwecke bereit und die Mitgliedsstaaten hätten
aus mehreren Gründen die Möglichkeit, ihre Mittel bei EU-Hilfsmaßnahmen nicht zum Einsatz kommen
zu lassen, etwa wenn die Ressourcen im eigenen Land benötigt würden. Aufbau und Transport dieser Kapazitäten
sollen mit EU-Mitteln finanziell unterstützt werden, heißt es im Kommissionsentwurf, wobei erwogen wird,
für die Höhe der beigesteuerten Mittel zwischen Einsätzen innerhalb der EU (50 % Kostenübernahme)
und außerhalb der Union (70 % Kostenübernahme) zu unterscheiden.
Als weiterhin strittigen Punkt bei den Ratsverhandlungen zu den Katastrophenschutz-Plänen der EU nannte die
Expertin des Innenministeriums den Vorschlag der Kommission, auch nationale Kapazitätslücken auf europäischer
Ebene zu schließen. Mit dem zentralen Aufbau von Kapazitäten würde die Union ihre Kompetenzen als
Koordinatorin überschreiten, befürchte man seitens der Nationalstaaten.
Bundesrätin Sonja Zwazl (V/N) befürwortete zwar den im Kommissionsvorschlag angestrebten Aufbau einer
Europäischen Notfallabwehrkapazität durch die EU-Länder, vermutete allerdings unnötigen Logistikaufwand
in diesem Zusammenhang. Dazu erläuterte die Expertin des BMI, ein Logistikzentrum sei von der EU mangels Mehrwert
nicht geplant.
Bundesrat Stefan Schennach (S/W) sprach sich im Sinne des Solidaritätsgedankens für EU-weite Hilfsmaßnahmen
aus und merkte an, ein gemeinsames Budget für EU-Katastrophenhilfe sei auch für Einsätze außerhalb
der Union, wie etwa den Balkanstaaten, wichtig. Zur Verteilung und Nutzung der Gelder für unionsweite Katastrophenschutzmaßnahmen
erfuhren Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) und Bundesrat Franz Perhab (V/St) von der Expertin des BMI,
auf EU-Ebene sei in einem Jahresarbeitsprogramm zum Katastrophenschutz genau aufgegliedert, wie viel Mittel jeweils
im kommenden Jahr für welche Art von Aufwendungen benötigt werden.
Vorschlag zu EU-Freiwilligencorps stößt auf Vorbehalte
Zum Verordnungsentwurf für ein EU-Freiwilligencorps zur humanitären Hilfe wurden mehrere kritische Stimmen
im EU-Ausschuss des Bundesrats laut. Ausschussobmann Edgar Mayer (V/V) bezog sich in diesem Zusammenhang auf ein
Schreiben des Roten Kreuzes, in dem bemängelt wird, der Kommissionsvorschlag sei ineffizient, zu teuer und
verletze das Subsidiaritätsprinzip. Letztendlich befürchtete Mayer, mit einem freiwilligen EU-Hilfscorps
würde eine Konkurrenz für die innerstaatlichen Strukturen entstehen.
Der Verordnungsentwurf zum Freiwilligencorps, rechtlich verankert im Vertrag von Lissabon, sieht die Entwicklung
von Standards für die Auswahl und das Training von Freiwilligen, die Zertifizierung von Entsendeorganisationen,
die Schaffung eines EU-Registers sowie die Stärkung der Kapazitäten von Organisationen in den Einsatzländern
vor. Damit will die EU bestehende Freiwilligenprogramme ergänzen und so Mängel wie unzureichende Verfügbarkeit
von qualifiziertem Personal, Defizite in der sofortigen Abrufbarkeit und schwache Aufnahmekapazitäten in den
Gastländern beheben. Insgesamt ist die Kommission bestrebt, humanitäre Hilfe in der Union durch einen
strukturierten Ansatz im Freiwilligenwesen sichtbarer zu machen, beschrieb die zur Thematik eingeladene Expertin
des Außenministeriums und berichtete, budgetiert seien im kommenden EU-Finanzrahmen rund 240 Mio.€ für
das Freiwilligencorps. Sie räumte jedoch ein, von den Mitgliedsstaaten würden die Finanzierung, Sicherheitsaspekte
und die Gefahr einer Duplikation vorhandener Strukturen kritisch gesehen.
Die Angst vor Verdoppelung von Hilfsstrukturen stieß bei Bundesrat Reinhard Todt (S/O) auf Unverständnis,
könne er doch einer standardisierten Hilfsstruktur innerhalb der EU, auch in Bezug auf die Ausbildungspläne,
nur Positives abgewinnen. Im Gegensatz dazu meinten die Ausschussmitglieder Friedrich Hensler (V/N) und Angela
Winzig (V/O), mit dem EU-Plan zum Freiwilligencorps werde eine unzweckmäßige weitere Strukturebene angedacht,
die noch dazu mit Profis der UNO und nationaler Hilfsorganisationen konkurrieren würde. Für Bundesrätin
Elisabeth Kerschbaum (G/N) war es schwer vorstellbar, wie EU-weit Freiwillige konkret zum Einsatz kommen könnten.
Da die Verhandlungen über das Freiwilligencorps in den EU-Ratsarbeitsgruppen noch am Beginn stehen, einigte
sich der Ausschuss auf Vorschlag von Bundesrat Schennach (S/W), die Diskussion darüber in der nächsten
Ausschusssitzung fortzusetzen.
Musiknutzung online soll EU-weit erleichtert werden.
In einem Richtlinienentwurf regt die Kommission die länderübergreifende Vergabe von Nutzungsrechten an
online verbreiteten Musikstücken im gesamten Binnenmarkt an (siehe PK-Meldung Nr. 688/2012). Verwertungsgesellschaften,
denen Nutzungs- und verwandte Schutzrechte von den Rechtsinhabern übertragen wurden, sollen dem EU-Vorschlag
zufolge die Möglichkeit haben, Mehrgebietslizenzen für die online-Nutzung von Musikwerken zu erteilen.
Voraussetzung dafür sei, so die Kommission, dass für die genaue Zuordnung der Rechte sowie daraus erfolgter
Einnahmen eine geeignete technische Infrastruktur gegeben ist. Mit diesem paneuropäischen Lizenzierungssystem
soll die Verbreitung von online-Musikangeboten im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs in der EU erleichtert
werden, informierte ein Experte des Justizministeriums (BMJ). Wie der ebenfalls anwesende Vertreter der Wirtschaftskammer
bekrittelte er allerdings, dass zahlreiche Vorschriften in dem Kommissionsentwurf zu detailliert gefasst seien.
Die Kommission will in ihrem Entwurf mit verstärkten Berichterstattungspflichten, wie die Veröffentlichung
jährlicher Geschäftsberichte, und Kontrollen für mehr Transparenz und ein verbessertes Management
der Verwertungsgesellschaften sorgen. Weitere Bestimmungen der Vorlage behandeln Streitbeilegungsverfahren und
Beschwerdemöglichkeiten von Mitgliedern einer Verwertungsgesellschaft, Rechteinhabern, Nutzern und sonstigen
Betroffenen. Die Mitgliedsstaaten haben laut Kommissionsentwurf eigene Behörden mit der Durchsetzung der Richtlinie
zu beauftragen und diesen Sanktionshoheit bei Richtlinienverstößen zu geben.
Österreich solle in der EU als positives Beispiel bei Fragen zur Vergabe von Nutzungsrechten vorangehen, meinte
Bundesrat Franz Perhab (V/St). Durch das heimische Monopolsystem ergebe sich für Nutzer, etwa im Tourismusbereich,
nur geringer Aufwand, um Senderechte von Musikwerken über eine konkrete Verwertungsgesellschaft zu erlangen.
Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) und Bundesrat Stefan Schennach (S/W) begrüßten den Vorschlag,
die online-Musiknutzung EU-weit zu regeln. Kerschbaum bezweifelte allerdings den Sinn, den Monopolgrundsatz in
Österreich beizubehalten, wie es ihr Vorredner Perhab im Hinblick auf die leichtere Erlangung von Nutzungsrechten
vertreten hatte. Bedeutend war für die G-Mandatarin, dass KünstlerInnen auch nach Umsetzung der Richtlinie
ungehinderten Zugang zu Verwertungsgesellschaften haben.
In Verbindung mit Urheberrechtsfragen erkundigte sich Bundesrätin Cornelia Michalke (F/V), ob zukünftig
eine Festplattenabgabe geplant ist. Der BMJ-Vertreter informierte darauf, eine diesbezügliche Urheberrechtsnovelle
wird voraussichtlich 2013 fertig ausgearbeitet sein.
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