Bundesrat zu Konzessionsvergabe: Kommunale Daseinsvorsorge nicht aushöhlen
Wien (pk) - Die Bundesrätinnen und Bundesräte bekräftigten am 30.10. im EU-Ausschuss
mittels einer einstimmig beschlossenen Mitteilung an die EU-Institutionen ihre Ablehnung des Richtlinienvorschlag
s über die Konzessionsvergabe und nahmen die in der am 1. Februar 2012 einstimmig beschlossenen Subsidiaritätsrüge
(begründete Stellungnahme) dargelegten Kritikpunkte nicht zurück. Damals betonten die Ausschussmitglieder,
der Vorschlag unterlaufe insbesondere das Recht auf kommunale Selbstverwaltung, zu deren Achtung sich die Europäische
Union in den Verträgen bekannt hat, und höhle in unzulässiger Weise die Verantwortung der Mitgliedstaaten
aus, im Rahmen ihrer Befugnisse für das Funktionieren der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
Sorge zu tragen. Durch den Vorschlag entstünde ein Liberalisierungsdruck in Bereichen der Daseinsvorsorge,
die nicht mit anderen Wirtschaftsbereichen vergleichbar sind.
Die Ausschussmitglieder kamen auch überein, bei der nächsten Sitzung den zuständigen EU-Kommissar
bzw. eine/n VertreterIn sowie österreichische EU-ParlamentarierInnen einzuladen, um nochmals eingehend die
Argumente und Bedenken darlegen zu können. Bundesrat Stefan Schennach (S/W) informierte, dass er gemeinsam
mit Ausschussvorsitzendem Edgar Mayer (V/V) das Thema auch im Rahmen der COSAC thematisiert habe.
Antwortschreiben der Kommission ist unzureichend
Der nun vorliegende Kompromissvorschlag enthalte zwar geringfügige Verbesserungen, heißt es in der angenommenen
Mitteilung, er vermag jedoch nicht die grundlegenden Probleme des Vorschlags zu beheben. Eine Annahme des gegenständlichen
Rechtsaktes stelle einen Eingriff in das primärrechtlich gewährleistete Recht auf kommunale Selbstverwaltung
dar und gehe weit über das hinaus, was notwendig wäre, um die Ziele des Vorschlags zu erreichen. Die
Bundesrätinnen und Bundesräte erkennen nach wie vor keinen Bedarf an einem neuen Sekundärrechtsakt
im Bereich der Konzessionsvergabe und bezweifeln, dass der gegenständliche Vorschlag auf Grund seiner Komplexität
überhaupt zur Schaffung von Rechtssicherheit beitragen könnte. Die EU-Kommission habe bislang keinen
Beleg dafür liefern können, dass ohne diesen Vorschlag – wie dort behauptet – "schwerwiegende Verzerrungen
des Binnenmarktes" sowie "ein Mangel an Rechtssicherheit und eine Abschottung der Märkte" eintreten
würden. Das Antwortschreiben der Kommission vom 4. September 2012 auf die begründete Stellungnahme beurteilen
die Ausschussmitglieder daher auch als "unzureichend". Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) bedauerte
ausdrücklich, dass sich seit der genannten Subsidiaritätsrüge kaum etwas getan hat.
Der Vorschlag der EU-Kommission
Ein grundlegender Unterschied zur geltenden Rechtslage besteht darin, dass der Entwurf der Kommission nicht mehr
nur die Baukonzessionen umfasst, sondern auch Dienstleistungskonzessionen miteinbezieht. Das entscheidende Abgrenzungsmerkmal
zwischen einer Konzession und einem "regulären" öffentlichen Auftrag ist die Risikoübertragung
an den Konzessionär. Der Vorschlag der EK besagt, dass, falls solche Konzessionen vergeben werden, dies in
einem transparenten Verfahren nach bestimmten Grundregeln (Mindestfristen, Ausschluss nicht vertrauenswürdiger
oder nicht leistungsfähiger Bieter, Bekanntgabe der Entscheidung, wer die Konzession erhalten soll, Rechtsschutz
gegen Verfahrensfehler usw.) zu erfolgen hat.
Die Richtlinie schreibt jedoch nicht vor, dass Konzessionen zwingend an Dritte extern zu vergeben sind. Man wolle
die öffentlichen Auftraggeber und Vergabestellen nicht in ihrer Freiheit beschränken, die in ihre Zuständigkeit
fallenden Aufgaben mithilfe eigener
Ressourcen zu erfüllen, heißt es dazu im Dokument der Kommission. Aber wenn ein öffentlicher Auftraggeber
beschließt, externe Auftragnehmer mit diesen Aufgaben zu betrauen, müsse der tatsächliche Marktzugang
aller Wirtschaftsteilnehmer in der EU sichergestellt sein. Somit verbleibt die Entscheidung über die Privatisierung
von Leistungen der Daseinsvorsorge (z.B. soziale Dienste) oder Infrastrukturleistungen (z.B. Wasser- und Energieversorgung)
ausschließlich bei der öffentlichen Hand, wird seitens der Kommission unterstrichen.
Das bestätigte auch die Expertin des Bundeskanzleramts. Man müsse sich dem Liberalisierungsdruck nicht
beugen, niemand könne die Kommunen zwingen, etwa Wasser zu privatisieren. Vergebe man aber extern, müsse
man sich an die Regeln halten, sagte sie. Es liege in der Hand der Gemeinden, die Verantwortung darüber auch
weiterhin wahrzunehmen. Bundesrat Stefan Schennach (S/W) hatte zuvor beklagt, die Kommission übe zunehmend
im Hinblick auf die kommunale Vorsorge einen Liberalisierungsdruck aus, obwohl zahlreiche Beispiele zeigten, dass
dies nicht gut funktioniere. Deshalb gehe man in Deutschland teilweise wieder den Weg der Rekommunalisierung. Heftige
Kritik übte er in diesem Zusammenhang an der Troika, die von Griechenland eine Privatisierung im Bereich der
Wasserversorgung einfordert.
Einhellige Ablehnung des Kommissionsvorschlags
Die negative Beurteilung des Kommissionsvorschlags durch die Länderkammer wurde sowohl seitens des Bundeskanzleramts
als auch seitens der Wirtschaftskammer vollinhaltlich geteilt. Die geplante Regelung sei noch immer viel zu detailliert
und gehe über das hinaus, was tatsächlich geregelt werden muss, hieß es in den entsprechenden Stellungnahmen.
Die geltende Rechtslage sei ausreichend und funktioniere in der Praxis gut. Trotz der umfangreichen Änderungen
gegenüber dem ursprünglichen Text, lasse der Kompromissvorschlag der Kommission noch viele Fragen offen,
betonte die Expertin des Bundeskanzleramts. Die heimische Position werde von Deutschland und Frankreich sowie vom
Europäischen Parlament unterstützt, berichtete sie, die EU-Abgeordneten hätten zahlreiche Änderungsvorschläge
in unserem Sinn vorgelegt. Sie räumte aber ein, dass es von den anderen Staaten keine starke Front gegen die
Pläne der EU gibt und begründete dies damit, dass in zahlreichen Ländern umfangreiche Regelungen
hinsichtlich der Konzessionsvergabe existieren, was jedoch nichts darüber aussage, ob diese dann auch in der
Praxis funktionieren. Sie glaube aber nicht an eine rasche Beschlussfassung, derzeit liege das Papier der Ratsarbeitsgruppe
vor. Die Expertin ging dabei auf eine Frage von Bundesrätin Monika Mühlwerth (F/W) ein.
Der Kritik am Vorschlag schlossen sich auch die Bundesrätinnen Sonja Zwazl (V/N) und Elisabeth Kerschbaum
(G/N) an, beide befürworteten die vorliegende Mitteilung. Der Kompromissvorschlag lasse weiterhin eine Einschränkung
des Entscheidungsspielraums der öffentlichen Auftraggeber und viele bürokratische Hürden befürchten,
argumentierte Zwazl. Vor allem sei auch die Verkehrswirtschaft, beispielsweise die Seilbahnen, von der Konzessionsvergabe
betroffen. Trotz Nachbesserungen existieren Zwazl zufolge zu viele überflüssige Regelungen wie etwa Vertraulichkeit,
Kommunikationsmittel, Art und Weise der Veröffentlichung, Verfahrensregeln etc.
Bundesrat Franz Perhab (V/St) bewertete seinerseits die geplante zentrale Aufsichtsstelle als verfassungsrechtlich
bedenklich, dennoch enthält ihm zufolge der Kommissionsvorschlag in zwei Punkten auch positive Aspekte. Das
betrifft einerseits den ins Auge gefassten europäischen Pass für die Auftragnehmer hinsichtlich ihrer
Zertifizierung und andererseits die Möglichkeit der elektronischen Einreichung. Letztere werde verpflichtend
kommen, informierte die Beamtin des Bundeskanzleramts, über den EU-Pass werde noch verhandelt. Die Diskussion
gehe in Richtung einer Vereinheitlichung des Nachweises.
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