Buster Keaton- Retrospektive im Österreichischen Filmmuseum  

 

erstellt am
12. 11. 12

Wien (filmmuseum) - Von 30. November 2012 bis 9. Jänner 2013 präsentiert das Österreichische Filmmuseum ein wahres Festival der klassischen amerikanischen Filmkomik. Im Zentrum steht der vielleicht größte Künstler, den dieses Kino hervorgebracht hat: Buster Keaton. Die umfassende Retrospektive seiner Filme wird begleitet durch ein neues Buch, das Klaus Nüchtern über Keaton verfasst hat, sowie durch eine zweite Schau - "Beyond Buster" - die den Reichtum der amerikanischen Filmkomik am Ende der Stummfilmzeit und zu Beginn des Tonfilms illustriert. Sie enthält an die 30 Werke - von Harold Lloyd und Charles Chaplin, den Marx Brothers und Laurel & Hardy, Mae West und Harry Langdon und vielen anderen.

Ein weiteres Programm in diesem Monat widmet sich Reinhard Wulfs ungewöhnlichen Filmen über Filmemacher - inklusive eines Werks des kanadischen Künstlers Mark Lewis, über den Wulf sein jüngstes Porträt gedreht hat.

Am 23. Dezember (um 17 Uhr) und 24. Dezember (um 14 Uhr) zeigt das Filmmuseum den MGMKlassiker The Wizard of Oz (1939) sowie am 15. Dezember Robert Bressons Pickpocket (1959) - in Anwesenheit der Hauptdarstellerin Marika Green und als kleines Preview auf die kommende Bresson-Retrospektive.

Buster Keaton
Klaus Nüchtern schreibt in seinem neuen Buch, dass wir nicht über, sondern mit Buster Keaton lachen, wenn dieser mit ungeahnter Tat- und Widerstandskraft die Herausforderungen der modernen Welt in Glücksfügungen verkehrt. Diese Einladung zu einem "solidarischen Lachen" und zu einer nicht-triumphalen Freude ist der Kern der Begeisterung, die Keaton entfacht. Wir spüren die Lebensnotwendigkeit dieser Freude und Solidarität, die doch - im Leben - so selten zu haben sind: "Ich gebe zu, dass ich Keatons Komik gerade dort bewundere, wo sie nicht nur schallendes Gelächter hervorruft, sondern verblüfft, ja beglückt, weil sie nicht von einem Scheitern, sondern von einem Gelingen handelt. Das macht sie einzigartig und führt dazu, dass ich mitunter von einem raren Anfall von Gattungspatriotismus heimgesucht werde, wenn Buster etwas macht: Menschen können so was? Wie schön!"

Der Mann, der seit knapp 100 Jahren, weit über seinen Tod hinaus, solche Emotionen weckt, steht im Zentrum der Schau, die das Filmmuseum zum Jahreswechsel offeriert. Dabei kommt neben Keatons kanonischen Langfilmen - Our Hospitality (1923), Sherlock Jr. (1924), The Navigator (1924), Go West (1925), Seven Chances (1925), Battling Butler (1926), The General (1926), Steamboat Bill, Jr. (1928) und The Cameraman (1928) - auch jene unübertroffene Serie von Kurzkomödien zur Aufführung, mit denen er sich schon zuvor einen Namen gemacht hatte, zunächst an der Seite von Roscoe "Fatty" Arbuckle und dann in Eigenregie.

Am 4. Oktober 1895 in Kansas geboren, steht Joseph "Buster" Keaton (der Spitzname stammt angeblich von Harry Houdini) bereits als Kind auf der Bühne und erträgt im Vaudeville-Act seiner Eltern alle Disziplinierungsmaßnahmen mit ungerührtem Pokerface. Als sein Vater dem Alkohol verfällt und die Show zu gefährlich wird, geht er nach New York, lernt Arbuckle kennen und gibt als dessen sidekick in The Butcher Boy (1917) sein Filmdebüt. Hier lernt er das Handwerk, bald auch als Regieassistent des großen Arbuckle. Ab 1920 dreht Keaton für den Produzenten Joseph Schenk 20 unglaubliche und völlig eigenständige two-reelers, darunter den kubistischen Hausbau- Alptraum One Week (1920) oder die anarchische Verfolgungsjagd Cops (1922); nebenbei spielt er die Hauptrolle in dem MGM-Film The Saphead (1920).

Schon als "reiner", nicht regieführender Schauspieler trainiert Keaton seine historische Rolle als der Komiker der Moderne und der Sachlichkeit. Sentimentalität und picksüße Verhältnisse zwischen den Geschlechtern waren ihm fremd; sein Pathos beruht auf Understatement und der trockenen Unerschütterlichkeit seines Ringens mit den Dingen. Daraus erklärt sich wohl auch sein Beiname, "The Great Stone Face". Dieses bis heute wirksame Keaton-Klischee wird freilich umgehend relativiert, sobald man seine tatsächliche Erscheinung - Keatons ausdrucksvolles Antlitz und seinen beredten Körper - auf der Leinwand betrachtet.

Zum Akteur tritt rasch der Regisseur und Konstrukteur hinzu; Keaton wird zum "kompletten Autor" seiner Filme. Dessen Facetten inkludieren: unerreichte Präzision und Eleganz im Arrangement der Gags; eine Obsession für äußerst gewagte Stunts, die nie zuvor (und nie wieder danach) gesehen waren; eine verblüffend naturalistische Idee von Film, deren Poesie immer aus der Wirklichkeit abgeleitet ist; eine im Slapstick-Kino mehr als rare Dichte der Erzählung; und: eine konsequente Verteidigung des liebenden Mannes, der inmitten der Maschinen, Städte, Verkehrsmittel des 19. und 20. Jahrhunderts sein Schicksal in die Hand nimmt.

1923 erobert Keaton das lange Spielfilmformat. Die schwarze Komödie Our Hospitality bildet den Auftakt zu jener Reihe von Meisterwerken, in denen Keaton seiner lebenslangen Faszination für Mechanik (und ihre tückische Entgleisung) huldigt. Die Kinomaschine selbst - dies beweist Sherlock Jr., der sie zum Sujet macht - ist ein essentieller Teil dieser Faszination. Die "Titelhelden" von The Navigator und The General wiederum sind ein verlassener Ozeandampfer und eine entführte Lokomotive; im Versuch, ihrer Herr zu werden, begibt sich Buster in absurde Situationen, nicht selten in Lebensgefahr. Sein Wille zur Genauigkeit ist übermächtig: Er äußert sich nicht nur in der Perfektion des Timing, sondern auch in der tiefenscharfen Mise en scène - The General etwa ist neben allem anderen auch eine poetische, detailbesessene Rekonstruktion der Bürgerkriegszeit. Nach Steamboat Bill, Jr., Keatons vielleicht größtem Experiment in Sachen Artistik und Selbstgefährdung, verkauft sein Schwager Joseph Schenck die gemeinsame Firma an MGM: Keaton soll ins Studiosystem eingepasst werden. Statt völlig frei zu arbeiten wie bisher, muss er sich nun einem Drehbuch unterordnen. The Cameraman ist seine letzte große Arbeit über die Mechanik des Films - und ein authentisches, noch nicht ausreichend gewürdigtes Gegenüber zu Vertovs Mann mit der Kamera, der im gleichen Jahr in der Sowjetunion entsteht.

Mit dem Übergang zum Tonfilm wird Keaton schnell in Routineproduktionen verheizt. Er duldet und trinkt. Zwei Ehen scheitern. Er wird gefeuert. Als Gagschreiber, u.a. für die Marx Brothers, kehrt er Mitte der 1930er Jahre zu MGM zurück; sein Spätwerk beschränkt sich aber auf Kleinstrollen (unter denen sich freilich auch seine legendäre Zusammenarbeit mit Samuel Beckett befindet: der 2012 restaurierte Film namens Film). Am 1. Februar 1966 stirbt Buster Keaton an Lungenkrebs, in einer Zeit, die sein Genie gerade neu zu entdecken begann.

Die Retrospektive umfasst sämtliche überlieferten Kurz- und Langfilme, die Buster Keaton zwischen 1917 und 1929 gedreht hat. Ergänzend werden sein erster Tonfilm, "Free and Easy" (1930), einige seiner letzten Filmauftritte wie "Film" (1965) sowie Kevin Brownlows episches Keaton-Porträt "A Hard Act to Follow" (1987) gezeigt.
Zum Auftakt der Schau präsentiert Klaus Nüchtern in einem Vortrag mit Filmbeispielen sein Buch "Buster Keaton oder die Liebe zur Geometrie", erschienen in der Reihe KINO des Paul Zsolnay Verlags und des Filmmuseums.
Die Retrospektive findet mit Unterstützung der U.S. Embassy statt.
30. November 2012 bis 9. Jänner 2013

Beyond Buster
Amerikanische Filmkomiker 1923-1936
Ein kleiner Ausflug in die Blütezeit der US-Kinokomik - entlang von 30 Kurz- und Langfilmen und mit dem Ziel, Buster Keatons Laufbahn und seine Leistungen im Kontext zu betrachten. "Beyond Buster", der Titel dieser Schau, meint die vielen berühmten oder vergessenen Protagonisten der späten Stummfilmära, die parallel zu Keaton eigenständige Formen des Komischen (weiter-) entwickelten. Gemeint sind aber auch jene, die ihm nachfolgten, als er künstlerisch in eine Sackgasse geriet - die den Übergang zum Tonfilm und das Älterwerden besser meisterten (wie Charles Chaplin und Laurel & Hardy) oder die im frühen Tonfilm erst ihr richtiges Metier fanden und darin eine neue anarchische Linie begründeten wie die Marx Brothers, Mae West und W.C. Fields. Die industrielle und ideologische Konsolidierung Hollywoods ab Mitte der 1930er Jahre setzte freilich auch ihnen bald enge Grenzen.

Der erfolgreichste Komiker der 1920er Jahre war Harold Lloyd: Die Einspielergebnisse seiner "Sensationskomödien" - Safety Last! (1923), The Freshman (1925) oder Speedy (1928) - stellten selbst jene von Keaton und Chaplin in den Schatten. Neben diesem All-American Boy mit Hornbrille, der sich durch größte Gefahren und artistische Gagkaskaden zum All-American Hero mausert, stehen weitere einprägsame Figuren, die zumeist der Keystone-Comedy-Fabrik von Mack Sennett oder der raffinierteren Schule von Hal Roach entstammten. Aber auch genialische Einzelgänger wie der Ex-Cartoonist und Tricktüftler Charley Bowers firmieren in dieser Liga.

Zu den ehemaligen Sennett Men zählt etwa das "ewige Kind" Harry Langdon (The Strong Man, 1926), dessen Persona stets zwischen Arglosigkeit und Unheimlichkeit schwankt - und dessen Stern leuchtete, solange er mit Frank Capra auf einen kongenialen Regisseur zählen konnte. Oder der heute vergessene Raymond Griffith, von dem nur wenige Filme überliefert sind; sein Meisterwerk Hands Up! (1926, Griffith als elegant-genialischer Spion während des amerikanischen Bürgerkriegs) ist ein wunderbares Pendant zu Keatons The General. Aus dem Stall von Hal Roach wiederum sind einige beispielhafte Protagonisten versammelt, die erst in jüngerer Zeit wiederentdeckt wurden: der auch als Regisseur sehr gefragte Charlie Chase, der jüdische, aus Berlin stammende Komiker Max Davidson sowie zwei Komikerinnen-Paare, die Roach nach dem Vorbild seines männlichen Erfolgsgespanns zusammenstellte - Laurel & Hardy erhielten in Anita Garvin & Marion Byron und Thelma Todd & ZaSu Pitts durchaus würdige Komplizinnen.
15. Dezember 2012 bis 8. Jänner 2013

 

 

 

Informationen: http://www.filmmuseum.at

 

 

 

 

 

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