Leoben (stadt) - Unter der Leitung der Stadt Leoben haben sich zehn internationale Städte im Zuge
des EU-Projektes "OP-ACT" mit Maßnahmen und Aktionen gegen die Herausforderungen des demografischen
Wandels beschäftigt. Nach drei Jahren ist das Projekt nun abgeschlossen, und die Städte präsentierten
im Rahmen der heutigen Abschlusskonferenz ihre Aktionspläne.
Um auf europäischer Ebene eine Botschaft an die Politik zu senden, unterzeichneten die Bürgermeister
der Partnerstädte zudem eine Charta, in der die wichtigsten Voraussetzungen für eine strategische Positionierung
kleiner und mittelgroßer Städte in Europa definiert wurden.
Die OP-ACT Deklaration
Ein Appell für gleiche Lebensbedingungen in kleinen und mittelgroßen europäischen Städten
angesichts des demographischen Wandels
Im Großteil der europäischen Länder sinken die Einwohnerzahlen. Gleichzeitig steigt der Anteil
der Senioren stetig. Besonders kleine und mittelgroße Städte sind bereits von dieser Entwicklung betroffen.
Zusätzliche Schwierigkeiten kommen auf diese Städte zu, da ihre Anfälligkeit aufgrund von wirtschaftlichem
strukturellen Wandel weit größer ist als die von größeren Städten. Viele Klein- und
Mittelstädte haben bereits bis zu einem Drittel ihrer Einwohner verloren. Damit verbunden ist eine Reduktion
der Finanzmittel und folglich die Unmöglichkeit der Städte, Aktionen zu setzen, um auf diese wirtschaftlichen
und demographischen Entwicklungen zu reagieren.
Städte und Gemeinden haben trotzdem zahlreiche Möglichkeiten, auf demographische Herausforderungen
zu reagieren. Als Teil des OP-ACT- Projekts innerhalb von URBACT II "Options of Actions für die strategische
Positionierung von kleinen und mittelgroßen Städten" haben zehn Partnerstädte Strategien,
Methoden und Instrumente für diesen Zweck entwickelt. Wenn es jedoch keine strukturelle Unterstützung
vonseiten übergeordneter Stellen gibt, kann die Abwärtsspirale, die derzeit anhält, zwar möglicherweise
langsamer werden, aber es besteht dennoch die Gefahr, dass sie nicht komplett aufgehalten werden kann. Regionale
Unterschiede werden dann größer, gleiche Lebensbedingungen in der gesamten Europäischen Union werden
nicht erreicht.
Die Städte, die in OP-ACT zusammenarbeiteten, fordern daher übergeordnete Autoritäten - regionale
und nationale Regierungen und die Europäische Kommission - auf, ihnen Unterstützung zu geben in ihren
Bemühungen, auf die Herausforderungen des demographischen Wandels zu reagieren. Die Hauptaspekte, die damit
zusammenhängen, beinhalten im Wesentlichen:
Vorantreiben regionaler Kooperationen
Städte mit demographischen und wirtschaftlichen Problemen befinden sich oft im Wettbewerb entweder untereinander
und / oder mit einem prosperierenden Zentrum in der Nähe. Das kann nur bewältigt werden durch regionale,
in manchen Fällen auch grenzübergreifende, Kooperationen. Das Fördern solcher Kooperationsformen
ist nicht nur Aufgabe der betroffenen Städte, sondern muss auch zentraler Aspekt bei regionalen Strategien
werden. Daher wünschen wir uns, dass regionale und nationale Behörden Schritte unternehmen, um Gemeinden,
Städte und Regionen besser zu organisieren, um sie widerstandsfähiger zu machen.
Anpassung der Verteilung von Finanzmitteln an Problemsituationen
In vielen EUMitgliedsstaaten hängt die Verteilung der Finanzmittel von der Einwohnerzahl ab. In schrumpfenden
Städten ist die Konsequenz davon, dass Einnahmen viel schneller sinken als Ausgaben reduziert werden können
- zum Beispiel Ausgaben für Soziales und Infrastruktur. Wir fordern daher, dass die Finanzmittelflüsse
auch an die Problemlage angepasst und nicht nur am Bevölkerungsschlüssel orientiert sind.
Modifizierung und Flexibilisierung von Unterstützungs- und Förderprogrammen
Der Großteil der Strategien und der Projekte für die Bewältigung des demographischen Wandels
erfordert integrierte und partizipative Ansätze. Nationale und europäische Finanzierungsübereinkommen
sind jedoch häufig limitiert durch strikte, komplizierte und ziemlich unflexible Auflagen, die dann einer
prozessbasierten und notwendigerweise flexiblen Entwicklung von integrierten Projekten entgegenstehen. Die Situation
für kleine und mittelgroße Städte ist weiters kompliziert, da sie wegen der limitierten Personalressourcen
im Verhältnis zu größeren Städten benachteiligt sind, wenn es darum geht, sich um Förderungen
zu bewerben. Künftige Förderungen und Unterstützungsstrategien müssen diese Umstände berücksichtigen.
Vermeidung der Abwälzung von Kosten für Wohlfahrt und Sozialmaßnahmen auf die Städte
Die Kosten für Wohlfahrt und Sozialmaßnahmen sind in vielen EUMitgliedsstaaten in großem Umfang
in der Verantwortlichkeit der lokalen Behörden, also der Städte und Gemeinden. Gerade kleine und mittelgroße
Städte haben schon die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit überschritten - insbesondere wenn die Bevölkerungszahlen
fallen. Die Diskrepanz zwischen den finanziellen Mitteln der Städte und der Zahlungsverpflichtungen wird in
Zukunft steigen - neben anderen Gründen auch wegen der alternden Bevölkerung. In vielen EU-Mitgliedsstaaten
ist es notwendig, die Mittelbereitstellung für Wohlfahrt und Sozialmaßnahmen zu reformieren.
Keine Reduktion sozialer Einrichtungen und/oder Infrastrukturmaßnahmen
in vielen EU-Mitgliedsstaaten gab es und gibt es weiterhin Reduktionen in der Anzahl von Bildungs-, Gesundheits-,
Sozial- oder Fürsorgeeinrichtungen und auch des öffentlichen Personennahverkehrs in schrumpfenden Regionen
und kleinen und mittelgroßen Städten, der von regionalen und/oder nationalen Regierungen gesteuert wird.
Das ist für alle städtischen Bemühungen, die Situation zu stabilisieren, ein Schlag ins Gesicht
und führt zu weiterer Migration. Wir fordern eine regionale policy, die die betroffenen Gemeinden nicht aus
dem Gleichgewicht bringt.
Ausbildung und berufliche Weiterbildung als Schlüsselfaktoren
Aus- und Weiterbildung spielen eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung von Problemen des demographischen
und wirtschaftlichen Wandels. Mehrere Gemeinden bieten beispielsweise bereits jetzt erfolgreich in Zusammenarbeit
mit Schulen oder Universitäten berufliche Aus- und Weiterbildungsservices für Schüler und Studenten
an, die an die Bedürfnisse der lokalen Wirtschaft angepasst sind. Der Großteil der Städte jedoch
hat keinen Einfluss auf die Entwicklung von Lehrplänen. Wir fordern Entscheidungsträger, die verantwortlich
für die Entwicklung von Lehrplänen sind, auf, in einem größeren Ausmaß als bisher, Aspekte
der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes stärker als derzeit- auf Schul- und Universitätsniveau in Betracht
zu ziehen, zum Beispiel die Notwendigkeit eines Unternehmer-Trainings.
Gezielte Migration und Familienpolitik
Europa wird nur dann in der Lage sein, seine globale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, wenn es gelingt,
den demographischen Wandel in Grenzen zu halten. Wegen der generationsspezifischen Verhaltensmuster in den meisten
EU-Mitgliedsstaaten wird das kurz- und mittelfristig nur durch gezielte Einwanderungspolitik erreicht werden können.
Langfristig können Veränderungen in Familien- und Arbeitsmarktpolitik auch mitwirken - zum Beispiel durch
Harmonisierung des Arbeitsrechts mit den Bedürfnissen von Familien und mit dem Lebenszyklus von Menschen.
Schrumpfende Städte können davon auch profitieren - wenn diese Politikfelder unterstützt werden
durch zusätzliche, zielgerichtete Maßnahmen. Wir appellieren an nationale Regierungen und die Europäische
Kommission, dementsprechend zu agieren.
Award für innovative kleine und mittelgroße Städte
Eine zielgerichtete Maßnahme könnte ein jährlich ausgeschriebener europäischer Preis für
innovative und nachhaltige Ansätze im Bereich des demographischen Wandels in kleinen und mittelgroßen
Städten sein. Das würde Branding und Marketing für die Stadt, die den Preis gewinnt, ermöglichen.
Nicht nur Mitbestimmung, sondern auch aktive Mitarbeit
Viele nationale legislative Elemente und europäische Direktiven, die Städte betreffen, schreiben
öffentliche Partizipation vor. Einfache Partizipation (Mitbestimmung) scheint für die Städte, die
unten unterschrieben haben, nicht länger ein adäquates Instrument zu sein, um ihre demographischen und
wirtschaftlichen Probleme zu bewältigen. Partizipation muss ergänzt werden durch die Ermächtigung
und Aufforderung zu Bürgermitarbeit und Übernahme von Verantwortung. Das bedeutet nicht nur Milderung
der rechtlichen Einschränkungen (zum Beispiel in Versicherungs- und Haftungsfragen), sondern auch dass der
Aspekt der aktiven Mitarbeit bei der Erlassung künftiger Gesetze berücksichtigt wird.
Die unterschreibenden Städte appellieren an andere kleine und mittelgroße Städte in Europa,
sich ihnen anzuschließen und die OP-ACT Charta zu befürworten / unterstützen.
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