Nationalrat hat sechsten Klub

 

erstellt am
08. 11. 12

Team Stronach für Österreich
Prammer: Unterschiede zu Klubgründung 1993 rechtlich nicht relevant
Wien (pk) - Der Nationalrat hat nun mit dem "Team Stronach für Österreich" einen sechsten parlamentarischen Klub. Die Zuerkennung des Klubstatus erfolgte am 08.11., wie Nationalratspräsidentin Barbara Prammer bekannt gab, nach einer Diskussion in der Präsidialkonferenz. Grundlage für die Entscheidung boten Gutachten der Parlamentsdirektion sowie des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramts. Daraus sei klar hervorgegangen, dass sie zu entscheiden habe und der neue Klub anzuerkennen sei.

Dem neuen Klub gehören die Abgeordneten Robert Lugar als Klubobmann, weiters Christoph Hagen, Elisabeth Kaufmann-Bruckberger, Stefan Markowitz und Erich Tadler an. Ihnen wurden vorläufige Sitzplätze im Plenum zugewiesen, über die endgültige Sitzordnung sowie über die Neueinteilung der Redezeit (Wiener Stunde) werde noch in der Präsidiale diskutiert. Auch über die Frage, in welchen Ausschüssen der neue Klub vertreten sein wird, seien noch Gespräche zu führen, gab Prammer bekannt. Jedenfalls gebe es keinen Rechtsanspruch auf die Vertretung in Ausschüssen, die Klärung dieser Frage sei reine Sache der Fraktionen, so Prammer. Sie habe jedenfalls bereits einen Mitarbeiterpool und Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Die Nationalratspräsidentin erwartet sich jedenfalls, dass das konstruktive Klima in der Präsidiale auch mit dem neuen Klubobmann Lugar erhalten bleibt. Es sei noch "sehr viel zu tun", betonte Prammer, ihr sei bewusst, "dass es viel komplizierter" wird.

Prammer: Klubgründung ist genaue Prüfung vorausgegangen
Sie habe die Rechtmäßigkeit dieser Klubgründung auf Basis der einschlägigen Vorschriften des Bundes-Verfassungsgesetzes sowie des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrats zu prüfen gehabt und dabei Stellungnahmen und Gutachten der Parlamentsdirektion und des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramts sowie eingehende Beratungen in der Präsidialkonferenz als Grundlage für die Entscheidung herangezogen, betonte die Nationalratspräsidentin.

Die aktuelle Neubildung eines Klubs unterscheide sich von der Konstellation des Jahres 1993, als sich das Liberale Forum gebildet hat, erläuterte Prammer im Hinblick auf die der Anerkennung des Klubs vorangegangenen Diskussion. So seien die Gründungsmitglieder des Klubs "Team Stronach für Österreich" nicht zur selben Zeit und mit durchaus unterschiedlichen Begründungen aus ihrem bisherigen Klub ausgeschieden. Außerdem sei man mit der Tatsache konfrontiert gewesen, dass ein weiterer Abgeordneter dieses Hauses, der nicht derselben wahlwerbenden Partei angehört wie die Gründungsmitglieder des neuen Klubs, dieser Gruppe inhaltlich-politisch zugehört ohne sich aber an der Gründung des Klubs zu beteiligen. Sie sei zur Überzeugung gekommen, dass auch diese tatsächlichen Unterschiede in dem Sinne rechtlich nicht relevant sind, dass es erlaubt wäre, zu einem anderen Beurteilungsergebnis zu kommen als im Jahre 1993. Diese Schlussfolgerung werde auch von der großen Mehrheit der Mitglieder der Präsidialkonferenz - mit Ausnahme des BZÖ - geteilt, unterstrich Prammer.

Sollte der sechste Mandatar, Abgeordneter Gerhard Köfer, dem neuen Klub im Nachhinein beitreten, ist das dann nicht mehr relevant.

Die Nationalratspräsidentin wies im Hinblick auf die "Vermutungen" im Zusammenhang mit dem Übertritt der Abgeordneten zum Team Stronach auf die ab 1. Jänner 2013 geltenden strengen Transparenzregeln hin. Es werde Aufgabe des Klubs sein, all diese Vermutungen auszuräumen, sie erwarte sich allgemein, dass alle ParlamentarierInnen bei den vorgesehenen Meldungen und Offenlegungen völlig korrekt vorgehen.

Prammer: Klare Regelung in der Geschäftsordnung notwendig
Die Nationalratspräsidentin bekräftigte in diesem Zusammenhang einmal mehr die Notwendigkeit, den betreffenden § 7 der Geschäftsordnung des Nationalrates ((Bildung von Klubs) in Verbindung mit § 32 (Wahl von Ausschüssen) und § 57 (Redezeit) zu ändern. § 7 werde "allgemein als nicht ausreichend genau und aussagekräftig beurteilt", sagte sie. Es bestehe daher Einvernehmen der Mitglieder der Präsidialkonferenz, die Geschäftsordnung noch in der laufenden Gesetzgebungsperiode mit dem Ziel einer klaren Regelung zur Frage der Klubgründung zu novellieren. Sie appellierte dabei an alle parlamentarischen Parteien, rasch in Verhandlungen einzutreten und zu einem positiven Abschluss beizutragen.

Weder sie noch die Fraktionen hätten dazu bereits eine inhaltliche Festlegung vorgenommen, bemerkte Prammer, man lote derzeit die verschiedenen Möglichkeiten aus. Zentrale Grundsätze dabei seien aber das freie Mandat und die Voraussetzung, dass man ohne wahlwerbende Partei nicht ins Parlament kommt.

Die gesetzlichen Grundlagen - formale Prüfung notwendig
Ein parlamentarischer Klub im Sinn von § 7 GOG ist der Zusammenschluss von mindestens fünf Abgeordneten derselben wahlwerbenden Partei - einer Wählergruppe, die sich mit einem eindeutigen Parteinamen und einem Wahlvorschlag zur Wahl stellt. Allerdings können auch Abgeordnete, die nicht derselben wahlwerbenden Partei angehören, einen Klub bilden. Dazu muss aber die Mehrheit des Nationalrats ihre Zustimmung geben.

Keine explizite Regelung sieht die Geschäftsordnung für die Spaltung eines Klubs während der Gesetzgebungsperiode vor. Dieser Fall trat zum ersten Mal 1993 bei der Gründung des Liberalen Forums auf und führte zu umfangreichen juristischen Diskussionen. Einem Gutachten des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt zufolge können auch in diesem Fall mindestens fünf der betreffenden Abgeordneten, sofern sie aus ihrem Klub ausgetreten sind oder aus diesem ausgeschlossen wurden, einen neuen, eigenen Klub bilden. Die Präsidentin des Nationalrats hat dann zu prüfen, ob alle Klubmitglieder derselben wahlwerbenden Partei angehören. Im konkreten Anlassfall war darüber hinaus zu prüfen, ob der öffentlich bekannte Umstand Auswirkungen auf das Verfahren einer Klubgründung hat, dass neben fünf Abgeordneten, die einen Klub gründen wollen, ein weiterer Abgeordneter einer anderen wahlwerbenden Partei angehört, Teil dieser inhaltlich- politisch Gruppe ist, ohne sich dem neuen Klub anzuschließen. Diese Frage wird sowohl in den Gutachten des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramts als auch der Parlamentsdirektion verneint.

Sofern alle Voraussetzungen erfüllt sind, ist die Klubgründung im Sinne des Geschäftsordnungsgesetzes "anerkannt". Die Präsidentin des Nationalrates hat keinen Rechtsakt zu setzen, z. B. einen Bescheid zu erlassen. Diese Vorgangsweise hat auch der Verfassungsgerichtshof in zwei Erkenntnissen 1993 bestätigt.

Die Bildung eines Klubs muss umgehend der Präsidentin/dem Präsidenten des Nationalrats gemeldet werden. Ab diesem Zeitpunkt ist der Klub eine juristische Person mit besonderen parlamentarischen Rechten sowie dem Anspruch auf Klubfinanzierung.

Parlamentarische Rechte überwiegend an Klubstatus gebunden
Die Geschäftsordnung des Nationalrats gewährt den Klubs substanziell mehr Rechte als den einzelnen Abgeordneten. Einzelne Abgeordnete haben neben dem Rederecht lediglich das Recht, in Plenarsitzungen, das Wort zu ergreifen, eine Petition einzubringen, die Auszählung der Stimmen zu verlangen oder eine getrennte Abstimmung zu beantragen. Mit Unterstützung von mindestens fünf Abgeordneten können Initiativanträge, Entschließungsanträge oder Dringliche Anträge eingebracht werden. Fünf Abgeordnete haben außerdem das Recht, eine Dringliche Anfrage zu stellen oder die Abhaltung einer Aktuellen Stunde zu verlangen. Mindestens fünf Abgeordnete braucht es, um eine Debatte über einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, über Einwendungen gegen die Tagesordnung oder über eine Fristsetzung zu beantragen.

Demgegenüber können nur die Mitglieder eines Klubs mit Sitz und Stimme in den Ausschüssen mitwirken. Der Klubstatus garantiert auch die Vertretung in der Präsidialkonferenz, die sich mit allen wichtigen organisatorischen und rechtlichen Fragen des Nationalrats befasst. Die Klubstärke wirkt sich aber auch auf die Redezeiten aus. Beschließt der Nationalrat eine Blockredezeit, dann wird die Tagesredezeit proportional nach Klubgröße aufgeteilt, wobei die Klubs in diesem Zeitrahmen die Einzelredezeiten ihrer Abgeordneten festlegen.

Nur Klubs erhalten gesetzliche Finanzierung
Wesentliche Folgen hat die Bildung eines Klubs auf die Finanzierung. Die finanzielle Basis zur Erfüllung der parlamentarischen Aufgaben der Klubs regelt das Klubfinanzierungsgesetz, das einen für alle Klubs identischen Sockelbetrag sowie nach Klubstärke gestaffelte zusätzliche Beträge festsetzt. Dabei wird neben der Anzahl der Nationalratsabgeordneten auch die Anzahl der Mitglieder des Bundesrats und der österreichischen Mitglieder des Europäischen Parlaments, die dem jeweiligen Klub angehören, berücksichtigt. Darüber hinaus erhalten die Klubs Mittel für Öffentlichkeitsarbeit, für internationale Tätigkeiten und für die laufenden Kosten des EDV- Betriebs.

Die jährlichen Kosten für den neuen Klub Team Stronach betragen rund 1,424 Mio.€., die Gesamtkosten inklusive des administrativen Aufwands werden auf insgesamt 2 Millionen € pro Jahr geschätzt. Die Zahlungen auf Grund des Klubfinanzierungsgesetzes erfolgen ab 30. Oktober 2012, informierte die Präsidentin.


 

Lugar: Jetzt geht es an die Arbeit!
Klubobmann von Team Stronach zur Entscheidung von Präsidentin Prammer
Wien (team srtonach) - "Wir freuen uns sehr, dass die gängige Rechtsansicht nun von Präsidentin Prammer geteilt wird und sie somit die Klubgründung des Team Stronach gemäß der Geschäftsordnung zur Kenntnis genommen hat.", so Klubobmann Robert Lugar in einer ersten Reaktion.

Das erste Mal in der Geschichte des Hohen Hauses sind sechs Parteien im österreichischen Parlament vertreten. Lugar: "Wir alle kennen die Probleme unseres Landes und müssen endlich gemeinsam - über alle Parteigrenzen hinweg - an den Lösungen arbeiten. Wir strecken unsere Hand zur Zusammenarbeit aus und wollen einen neuen Stil im Parlament etablieren: Positives und gute Ideen der Mitbewerber werden wir loben und gemeinsam an der Umsetzung arbeiten. Wir vom Team Stronach wollen keine Klientelpolitik machen, sondern das Gemeinwohl in den Mittelpunkt unserer Überlegungen stellen."

 

 

 

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