… und wird durch Finanzinvestitionen und EU-Mittel abgemildert
Wien (erste bank) - In den meisten CEE-Ländern blieb der grenzüberschreitende Kreditabbau
durch Banken relativ gering und wurde zudem durch starke Zuflüsse von Finanzkapital sowie eine Verdoppelung
von EU-Mitteln abgefedert, lautet die Erkenntnis der 2. Auflage der von der Erste Group durchgeführten Studie
"Living in a time of global deleveraging", die heute veröffentlicht wurde. Damit - und dank der
Tatsache, dass die Region ihren Bedarf an Außenfinanzierung beträchtlich verringern konnte - ist CEE
nun weniger stark von der globalen Abschwächung der Kapitalzuflüsse betroffen. Andererseits warnen die
Analysten der Erste, dass Änderungen in der Struktur des Auslandskapitals im Falle eines globalen Abverkaufs
ein Risiko darstellen könnten. Außerdem könnte eine Verlagerung der Allokation vom privaten zum
öffentlichen Sektor das potenzielle Wachstum schwächen.
Im internationalen Vergleich verlief der länderübergreifende Kreditabbau in den CEE6 im Zeitraum 3Q11-2Q12
moderat (4% des BIP)
"Im Zeitraum 3Q11-2Q12 betrug der länderübergreifende Kreditabbau in CEE durch Banken USD 45
Mrd oder 4% des BIP. Berücksichtigt man dabei, dass die europäischen Banken unter starkem Druck von Regulierungsseite
stehen und den stärksten Kreditabbau seit der Lehman-Pleite, erscheint diese Größenordnung gering,
insbesondere im Vergleich zum Kreditabbau in der Peripherie des Euroraumes, der US 600 Mrd bzw. 14,9% des BIP entsprach",
erklärte Juraj Kotian, Leiter CEE Macro/Fixed Income bei der Erste Group und Verfasser des Berichts.
Laut jüngsten BIZ-Daten haben ausländische Banken ihre Aktiva in den CEE6 (Kroatien, Polen, Rumänien,
Slowakei, Tschechische Republik, Ungarn) im 2Q12 um etwa US 8,6 Mrd (0,8% des BIP) und in der Periode 3Q11-2Q12
um USD 45 Mrd (4% des BIP) reduziert, wobei 40% aller Abflüsse aus der Region auf Ungarn entfielen. Ungarn
war in der Region eindeutig ein Sonderfall. Dies gilt sowohl in Bezug auf die Größenordnung als auch
in Bezug auf die Gründe für den starken länderübergreifenden Kreditabbau - darunter vor allem
unorthodoxe Maßnahmen wie die vorzeitige Tilgung von Fremdwährungsdarlehen, die einen Teil der Fremdwährungsmittel
freisetzte. Im Jahresvergleich reduzierte der globale Bankensektor sein Exposure gegenüber Ungarn um etwa
USD 18 Mrd oder 14,2% des ungarischen BIP. In Spanien betrug der entsprechende Wert 14,3% des BIP.
"Heute wird das Ausmaß des Kreditabbaus vielfach als Maßzahl für das Vertrauen der Investoren
in Zentral- und Osteuropa herangezogen, doch reicht eine einfache Betrachtung der Schwankungen im Obligo der Banken
nicht aus, um ein zutreffendes Bild zu erhalten. Auch andere Indikatoren, insbesondere die Zahlungsbilanzdaten
und die von Ausländern gehaltenen Staatsanleihen, bilden Zahlungsströme in die CEE-Volkswirtschaften
ab und sollten daher berücksichtigt werden", empfiehlt Kotian.
Gesamtabflüssen aus CEE stehen starke Zuflüsse an Finanzkapital gegenüber
Ein Blick auf die Gesamtbilanz der Kapitalströme zwischen einheimischen und ausländischen Kontrahenten
lässt den Kreditabbau in CEE insgesamt noch weniger dramatisch erscheinen. Im Zeitraum 3Q11-2Q12 zogen Investoren
- bereinigt um Zentralbankverbindlichkeiten - lediglich EUR 1,7 Mrd oder 0,2% des BIP von CEE6 ab, verglichen mit
39,6% in Portugal oder 26,4% in Spanien. Im 2Q12 zogen Auslandsinvestoren aus den CEE6 nur EUR 3 Mrd ab - um Zentralbankverbindlichkeiten
bereinigt, sogar nur EUR 1,5 Mrd oder 0,2% des BIP. Dabei glichen starke Zuflüsse aus Finanzinvestitionen
in Höhe von EUR 4,6 Mrd (0,5% des BIP) die Kapitalabflüsse aus anderen Investitionen (EUR -7,6 Mrd oder
-0,9% des BIP) zu mehr als der Hälfte aus. Es handelte sich vor allem um Kapitalflüsse innerhalb des
Bankensektors, aber auch um Änderungen in den Verbindlichkeiten der lokalen Zentralbanken (Target2) und offizielle
Hilfen an Staaten. "Im internationalen Vergleich war der Abzug von Auslandskapital aus der Region CEE (ausgenommen
Ungarn) sehr gering und wird - anders als in der Peripherie des Euroraumes - kaum zu wesentlichen Auswirkungen
auf die Zahlungsbilanzen führen", unterstreicht Kotian.
Der Nettozufluss an EU-Mitteln nach CEE hat sich in den vergangenen drei Jahren verdoppelt
"Die EU-Mittel haben sich in den letzten drei Jahren verdoppelt (2011: EUR 18 Mrd für CEE6) und haben
in der CEE-Region die Struktur der Außenfinanzierung deutlich verändert. Viele CEE-Länder konnten
ihren Bedarf an Nettoaußenfinanzierung deutlich verringern. Das bedeutet, dass die Abschwächung der
Kapitalzuflüsse für die externe Stabilität der CEE-Region kein großes Risiko darstellt",
unterstreicht Kotian. Damit ist im Vergleich zu 2008 die Region von einem globalen Kreditabbau weniger stark betroffen.
FDIs und Nettozuflüsse aus der EU (eine Finanzierung, die keine Schulden erzeugt) decken nun zusammen in allen
CEE6-Ländern fast das gesamte Leistungsbilanzdefizit ab. Dies gilt (noch) nicht für Rumänien, das
im Vergleich zu anderen Ländern der Region, die der EU drei Jahre früher beitraten, bei der Aufnahme
von EU-Mitteln noch nachhinkt.
Österreichische, deutsche und italienische Banken stehen zum CEE6-Engagement
Wie aus EZB-Daten über nicht konsolidierte Auslandsforderungen österreichischer, deutscher und italienischer
Banken an einzelne EU-Mitglieder hervorgeht, haben österreichische, deutsche und italienische Banken ihre
Kreditvergabe an die CEE5-Länder relativ stabil gehalten, wobei Ungarn wieder der Ausreißer ist.
Ausblick für Q3 2012: Starke Nachfrage nach CEE-Staatspapieren verstärkt Zuflüsse von Finanzkapital
CEE-Staatsanleihen haben bereits eine starke Rallye hinter sich (womit die Renditen um weitere 50 - 100 Bp
gesunken sind). Sie profitierten von der Reduzierung von Restrisiken in der Eurozone durch Draghis Versprechen,
"alles Nötige zu tun", sowie von weiteren Stützungsmaßnahmen in Form von OMTs (dem unbegrenzten
Ankauf von Staatsanleihen) und von Q3, der dritten Runde quantitativer Lockerungen durch die US-Zentralbank. Im
3Q12 verzeichneten auf Landeswährung lautende polnische und ungarische Staatsanleihen ein Rekordhoch, da Devisenausländer
ihre Bestände im 3Q um insgesamt EUR 4 Mrd aufstockten. Zusätzlich platzierten CEE6-Regierungen im September
und Oktober auf den internationalen Märkten Euro-Anleihen im Wert von EUR 6,3 Mrd. "Hochfrequenzdaten
über von Ausländern gehaltene Staatsanleihen weisen darauf hin, dass Finanzkapitalzuflüsse auch
im dritten Quartal potenzielle Abflüsse aus anderen Kapitalanlagen abfedern werden", prognostiziert Kotian.
Schlussfolgerung: Grenzübergreifender Kreditabbau stellt keine Bedrohung der externen Stabilität von
CEE dar. Allerdings könnten Verschiebungen in der Struktur des Auslandskapitals und eine Verlagerung der Allokation
aus dem privaten in den öffentlichen Sektor zukünftiges Wachstum gefährden
Bisher hat der Kreditabbau in CEE die Devisenreserven nur um jenen Betrag sinken lassen, der der Reduktion der
kurzfristigen Auslandsverschuldung im 2Q12 entsprechen würde.
"Änderungen in der Struktur des Auslandskapitals könnten in Zukunft jedoch ein potenzielles Risiko
für die CEE-Region darstellen. Erhöhte Zuflüsse an Finanzinvestitionen könnten sich im Fall
eines globalen Abverkaufs negativ auswirken und die Volatilität erhöhen, insbesondere in Ländern,
deren Staatsanleihen in hohem Ausmaß von Ausländern gehalten werden (Polen und Ungarn). Ein zweiter
Punkt, der Anlass zu Besorgnis gibt, besteht darin, dass sich die Allokation des Auslandskapitals geändert
hat: Es fließt nun weniger Auslandskapital in den Privatsektor (über FDIs, Kredite) und mehr in den
öffentlichen Sektor (über Staatsanleihen, EU-Mittel). Dies könnte das potenzielle Wachstum gefährden,
sofern das Kapital nicht in einem produktiven Sektor effizient eingesetzt wird", so Juraj Kotian abschließend.
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