TU Wien, BOKU und IFA-Tulln starten eine Forschungskooperation: Spezielle Biomoleküle,
die an ganz speziellen Stoffen andocken, werden zum wertvollen Werkzeug für die Lebensmittelsicherheit.
Wien (tu) - Nicht überall gibt es Chemielabors, in denen man die Sicherheit von Lebensmitteln
testen kann. Gerade in ärmeren Ländern kommt es immer wieder zu Vergiftungen – etwa durch Toxine, die
von Schimmelpilzen erzeugt werden. Die Lösung dafür könnte in einer ganz besonderen Klasse von Biomolekülen
liegen: Den Aptameren. Die Technische Universität Wien startet in Kooperation mit der Universität für
Bodenkultur am Interuniversitären Department für Agrarbiotechnologie (IFA-Tulln) ein neues Projekt zur
Erforschung und Entwicklung dieser innovativen Klasse von Molekülen.
Wie Schlüssel und Schloss
Aptamere sind kurze DNA-Sequenzen, die aufgrund ihrer besonderen dreidimensionalen Struktur ein spezifisches
Zielmolekül erkennen können. Wie ein Schloss, das nur mit einem bestimmten Schlüssel aufgesperrt
werden kann, binden Aptamere nur an ganz bestimmte Zellen, Proteine oder Kohlehydrate. Auch für kleinere Moleküle,
etwa Antibiotika oder unterschiedliche Gifte, lassen sich genau passende Aptamere herstellen.
„Die Aptamere erkennen ihre Bindungspartner mit sehr hoher Spezifität, sodass selbst sehr ähnliche Substanzen
unterschieden werden können“, sagt Kurt Brunner. Er ist derzeit sowohl an der TU Wien als auch am Interuniversitären
Department für Agrarbiotechnologie (IFA Tulln) tätig. Diese beiden Forschungsinstitutionen werden gemeinsam
mit der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) in den nächsten Jahren an Aptameren forschen.
Evolution im Bioreaktor
Aptamere, die zu einem ganz bestimmten Molekül passen, lassen sich nicht einfach am Reißbrett planen.
Man gewinnt sie durch einen Prozess, der der natürlichen Evolution ähnelt: Man beginnt mit einer Vielzahl
verschiedener DNA-Stränge, die sich unterschiedlich gut an das gewünschte Zielmolekül binden. Jene
DNA-Stränge, die am besten passen, werden vervielfältigt. Nach zahlreichen Runden der Entwicklung bleiben
schließlich nur noch die bestbindenden Aptamere übrig, und die können dann eingesetzt werden, um
die Zielmoleküle mit hoher Zuverlässigkeit nachzuweisen.
Vergiftungen durch Schimmelpilze
Derzeit werden am IFA-Tulln Aptamere zur Erkennung von Aflatoxinen entwickelt. Aflatoxine sind giftige Produkte
von Schimmelpilzen, die vor allem auf Getreide und Nüssen aber auch zahlreichen anderen Feldfrüchten
vorkommen. Diese Pilzgifte sind akut lebertoxisch und können bei chronischer Aufnahme zu Krebs führen.
Die hohe Giftigkeit dieser Substanzen führte zu strengen Regelungen und Kontrollen in beinahe allen Industrieländern.
Wesentlich schwieriger ist aber die Situation in Entwicklungsländern. Aflatoxine treten vorwiegend in wärmeren
Zonen auf, jedoch fehlt genau dort das Geld und die Möglichkeit zur flächendeckenden Kontrolle von Lebensmitteln.
Immer wieder werden lokal gehäufte Vergiftungsescheinungen in Afrika beobachtet, Kinder sind davon meist am
stärksten betroffen.
Schnelltests für Mais
Mit den neuen Aptameren für Aflatoxine werden kostengünstige Schnelltests für das Grundnahrungsmittel
Mais entwickelt. Diese Tests sind besonders einfach in ihrer Anwendung und sehr unempfindlich gegen äußere
Einflüsse wie zum Beispiel große Hitze oder lange Lagerzeiten.
Die Finanzierung dieser Entwicklungen erfolgt über CIMMYT, ein in Mexiko ansässiges Zentrum zur Verbesserung
der Qualität von Mais und Weizen in weniger entwickelten Ländern. CIMMYT wiederum wird zu beträchtlichen
Teilen von der bekannten Bill und Melinda Gates Stiftung finanziert. Erste Testprototypen, die auf selbstentwickelten
Aptameren basieren, sollen bereits in zwei Jahren zur Verfügung stehen.
Das IFA-Tulln ist ein Department unter der Leitung der Universität für Bodenkultur Wien, in Zusammenarbeit
mit der Technischen Universität Wien und der Veterinärmedizinischen Universität Wien am Technopol-Standort-Tulln
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