ELGA bleibt dennoch weiterhin umstritten
Wien (pk) - An der Spitze der dem Nationalrat vorliegenden Gesetze stand am 13.11. die Einführung der
heftig umstrittenen Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA), die schließlich mehrheitlich beschlossen wurde.
Thema waren auch Organspenden und Arzneimittelsicherheit.
Wie durchsichtig dürfen PatientInnen sein?
Die äußerst kontroverse Debatte im heutigen Nationalrat spiegelte die in der Öffentlichkeit geführte
Auseinandersetzung um die Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) wider. Während die Befürworter die Vorteile
einer für die ÄrztInnen verschiedener Institutionen verfügbaren Information im Interesse einer besseren
Behandlungsqualität ins Treffen führten, warnten die Gegner von ELGA vor datenschutzrechtlichen Problemen.
Das Gesetz passierte schließlich - nach einer namentlichen Abstimmung - den Nationalrat mit Mehrheit. Im
Wesentlichen waren die Abgeordneten der beiden Regierungsfraktionen dafür, Abgeordnete Karin Hakl (V) stimmte
jedoch dagegen. Seitens der Grünen wich wiederum Abgeordneter Kurt Grünewald vom Stimmverhalten seines
Klubs ab und unterstützte ELGA.
ELGA ist ein Informationssystem, das PatientInnen sowie Spitälern, niedergelassenen Ärzte, Apotheken
und Pflegeeinrichtungen einen gesicherten, orts- und zeitunabhängigen Zugang zu wichtigen Gesundheitsdaten
(Entlassungsbriefe, Labor- und Röntgenbefunde, Medikamentenverschreibungen) ermöglicht. Die vorhandenen
Befunde werden somit – patientenbezogen - gebündelt, unabhängig davon, wo diese in Österreich abgespeichert
sind (z.B. Spitäler, Labors). Die e-card ist dabei der Schlüssel zum Abruf der Daten. Spätestens
Ende 2013, Anfang 2014 sollen alle PatientInnen Zugang zu ELGA haben; ab 2015 müssen Krankenhäuser und
Pflegeeinrichtungen teilnehmen, ab 2016 alle VertragsärztInnen und Apotheken und ab 2017 schließlich
die Privatkrankenanstalten.
Abgeordnete Dagmar BELAKOWITSCH-JENEWEIN (F) konnte im System der Elektronischen Gesundheitsakte keine Vorteile
für die PatientInnen erkennen. Ein Ausstieg aus dem System über eine der neun Ombudsstellen Österreichs
gestalte sich äußerst mühevoll, kritisierte sie und monierte, auch nach einem Opt-out einer Person
blieben die Gesundheitsdaten weiterhin gespeichert. Ein Ärztewechsel, etwa um unterschiedliche Meinungen einzuholen,
werde durch das ELGA-System für Kranke außerdem erschwert. Zentraler Kritikpunkt Belakowitsch-Jeneweins
war, dass die Europäische Kommission eine Datenschutzverordnung plant, mit deren Inkrafttreten das nationale
Datenschutzrecht aufgehoben wird. In Folge würden die Gesundheitsdaten österreichischer PatientInnen
in der gesamten EU einsehbar, befürchtete die F-Mandatarin und forderte Gesundheitsminister Alois Stöger
auf, Initiativen gegen diese EU-Verordnung, die laut Belakowitsch-Jenewein für 2014 angedacht ist, zu setzen.
In einer tatsächlichen Berichtigung hielt demgegenüber Abgeordneter Johann MAIER(S) fest, dass mit der
geplanten Datenschutzgrundverordnung Gesundheitsdaten nicht in Echtzeit abrufbar würden, sondern lediglich
für Gesundheitszwecke wie einer Elektronischen Gesundheitsakte verarbeitet werden könnten.
Bezugnehmend auf Kampagnen gegen die E-Card, die als Mittel zum Datenmissbrauch gebrandmarkt worden sei, zeigte
Abgeordnete Sabine OBERHAUSER (S) keine Verwunderung über "falsche Behauptungen" der FPÖ hinsichtlich
der Elektronischen Gesundheitsakte. Die E-Card sei heute gut etabliert, ähnlich werde es ELGA ergehen. Oberhauser
betonte, der Gesundheitsminister habe in intensiver Zusammenarbeit mit allen Stakeholdern, auch mit der Ärztekammer,
durch ELGA ein System etabliert, das die Versorgung verbessern werde. Die Elektronische Gesundheitsakte biete erstmals
die Möglichkeit, auf Patientendaten dezentral zuzugreifen, führte Oberhauser aus und vermerkte, bereits
jetzt würden Spitäler uneinheitlich Krankendaten speichern. Auch für die Ärztnnen werde ELGA
von Nutzen sein, meinte die S-Mandatarin und erklärte, einzelne Fragen von VertragsärztInnen zur Handhabung
des Systems könne man noch bis 2016 klären. Jetzt gelte es, so Oberhauser, die gesetzlichen Rahmenbedingungen
dafür zu schaffen.
Chancen und Risiken von ELGA
Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G) räumte ein, dass die derzeitige Verwaltung von Gesundheitsdaten in Österreich
nicht zufriedenstellend sei. Seine Fraktion werde daher einzelnen Bestimmungen wie jenen im Telematikgesetz zum
verbesserten Datenschutz zustimmen. Im Zusammenhang mit den Regelungen zur Elektronischen Gesundheitsakte erboste
Öllinger jedoch der Mangel an Freiwilligkeit, eigene Krankendaten abrufbar zu machen. Das System sei zudem
noch nicht ausgereift, da etwa Daten aus dem Impfpass oder dem Mutter-Kind-Pass nicht in ELGA vorgesehen sind,
bemängelte der G-Mandatar. Er führte als nachahmenswertes Beispiel das Gesundheitssystem Dänemarks
an, wo der konkrete Nutzen der Versicherten bei der Erfassung ihrer Daten im Mittelpunkt stehe, die PatientInnen
daher freiwillig für eine Teilnahme optieren könnten und außerdem über das System Informationen
zu Wartelisten oder Krankenhausrankings bekämen. Starke Bedenken äußerte Öllinger in Bezug
auf die Verordnungsermächtigung, mit der das Gesundheitsministerium ohne Kontrolle des Parlaments die Aufnahme
neuer Gesundheitsdaten in ELGA anordnen könne und auch hinsichtlich der Kostenhöhe des Systems, die Öllinger
als nicht realistisch bezeichnete. Er brachte daher einen Abänderungsantrag der Grünen zur Regierungsvorlage
ein, der allerdings bei der Abstimmung keine Mehrheit fand.
ELGA bestehe sowohl aus Chancen als auch aus Risiken, bemerkte Abgeordneter Erwin RASINGER (V) eingangs. Nach 18
Monaten detaillierter Verhandlungen sei der "untaugliche" Erstentwurf zu den Elektronische Gesundheitsakten
jedoch zu einem Gesetzesentwurf geworden, dem er seine Zustimmung erteile. Er begründete dies durch die Verbesserung
der Informationsverfügbarkeit über ELGA, gerade auch im Zusammenhang mit der e-Medikation, durch die
Verschreibungen unterschiedlicher ÄrztInnen einsehbar würden. Hundertprozentige Datensicherheit sei natürlich
auch bei ELGA nicht sicherzustellen, merkte Rasinger an, er wies allerdings darauf hin, dass PatientInnen jederzeit
die Möglichkeit hätten, aus dem System auszusteigen. Ernst nehme er die Bedenken der ÄrztInnen,
auf Grund der zusätzlichen Computerarbeit mit ELGA nicht mehr ausreichend Zeit für die behandelten Personen
zu haben, sagte Rasinger und hielt deswegen fest, ELGA stelle ein "Zusatztool" für die Behandlung
dar.
Abgeordneter Wolfgang SPADIUT (B) befand, ELGA sei gesundheitspolitisch und datenschutzrechtlich "schlecht
durchdacht". Er kritisierte heftig die Opt-out Regelung im Gesetzesentwurf, durch die ein/e Patient/in nur
durch Einspruch die Löschung seiner/ihrer Daten veranlassen kann und mutmaßte, der Gesundheitsminister
habe wohl befürchtet, nicht ausreichend PatientInnen für ein Opt-in System motivieren zu können.
Außerdem, meinte Spadiut, könnten auch nach Verlassen des Systems Krankendaten daraus für wissenschaftliche
Zwecke beziehungsweise im Sinne der Marktforschung genutzt werden. Unverständlich war es für den Abgeordneten
des BZÖ, dass der Vorschlag seiner Fraktion, Gesundheitsdaten auf der e-Card zu speichern, kein Gehör
gefunden hatte. Mit Krankenakten auf der e-Card wären geringere Kosten angefallen und PatientInnen hätten
ihre Daten autonom schützen können, zeigte Spadiut auf.
Stöger: ELGA ist Qualitätsstärkung des Gesundheitssystems
Gesundheitsminister Alois STÖGER stellte eingangs klar, die Bedürfnisse und Interessen der PatientInnen
stünden im Mittelpunkt seiner Gesundheitspolitik. ELGA wertete er als großen Meilenstein bei der Modernisierung
des österreichischen Gesundheitssystems, zu der auch die Neuregelung zum Krankengeld für Selbständige
oder die verbesserten Leistungen bei der Zahngesundheit zählen. Mit den Elektronischen Gesundheitsakten habe
er zusammen mit Sozialversicherungen und den Bundesländern ein patientenorientiertes System geschaffen, durch
das Informationsschwierigkeiten zwischen ÄrztInnen und PatientInnen der Vergangenheit angehörten. Gelangten
Entlassungsbefunde nach Spitalsaufenthalten bisher nur an die HausärztInnen der jeweiligen Personen, könnten
nunmehr auch andere ÄrztInnen bei späteren Konsultationen der PatientInnen 28 Tage lang Einsicht in die
erforderlichen Gesundheitsdaten nehmen. Dadurch verbessere sich der Informationsaustauch zwischen Spitälern
und behandelnden ÄrztInnen fundamental, unterstrich Stöger.
Der Datenschutz werde mit den Elektronischen Gesundheitsakten ebenfalls erhöht, erwiderte Stöger datenschutzrechtliche
Bedenken, da umfassende Information über Zugriffe zu den Daten gewährleistet sei. Zudem sehe man harte
Strafen bei Verstößen gegen den Datenschutz vor. Im Unterschied zu gescheiterten elektronischen Gesundheitssystemen
anderer Staaten baue ELGA auf bestehenden Systemen in Österreich auf und vernetze die Daten, ohne sie zentral
abrufbar zu machen, beschrieb der Gesundheitsminister. Aus seiner Sicht stellt ELGA insgesamt eine Qualitätsstärkung
des österreichischen Gesundheitswesens dar, der auch dem Wunsch der Ärzteschaft entspreche.
Kritik an neun unterschiedlichen Krankenanstaltengesetzen
Mit der Klarstellung, dass in der Entwicklung von ELGA ÄrztInnen, Sozialversicherungen und Bundesländer
eingebunden waren, begann Abgeordneter Johann MAIER (S) seinen Redebeitrag, in dem er sein Missfallen über
einen angekündigten Protest der Ärztekammer ausdrückte. Die derzeit unterschiedlichen Datenspeicherungssysteme
in verschiedenen Spitälern böten keine Datensicherheit, fand Maier, Protestaktionen seitens der ÄrztInnen,
um die Bevölkerung zu verunsichern, entsprächen aus diesem Grund nicht deren Berufsethos. Maier erklärte,
die Maßnahmen zur Sicherstellung der Gesundheitsdaten in ELGA lägen über den geltenden Standards
im Datenschutzgesetz und böten einheitliche Zugriffsregeln. Problematisch sah der S-Mandatar die je nach Bundesland
anders gestalteten Krankenanstaltengesetze Österreichs, die teilweise auch "Massenabfragen" von
Krankenakten zuließen, und appellierte, die entsprechenden Landesgesetze im Sinne der PatientInnen zu ändern.
Grundsätzlich sei ELGA eine gute Sache, stellte Abgeordneter Robert LUGAR (T) eingangs fest, immerhin würden
damit Doppelverschreibungen oder Wechselwirkung durch von verschiedenen ÄrztInnen verschriebenen Medikamenten
verhindert. Der T-Mandatar zählte allerdings eine Reihe von Faktoren auf, die für ihn die Bedenken der
ÄrztInnen verständlich machten. Die praktische Handhabung des Systems sei ebenso ungeklärt wie Kosten
und Datenschutzaspekte bei ELGA. Lugar meinte deswegen, ein lokaler Testbetrieb der Elektronischen Gesundheitsakte
sei unbedingt notwendig. Der eingeschlagene Weg, das ELGA-Gesetz gleich in ganz Österreich zu implementierten,
sei nicht richtig und könne in der Umsetzung große Probleme verursachen, warnte Lugar.
Abgeordnete Gertrude AUBAUER (V) beleuchtete den Verhandlungsgegenstand aus Sicht der SeniorInnen. Für ältere
Menschen sei es ein großer Fortschritt, Informationen bei Arztbesuchen elektronisch abrufbar zu haben, so
würden Missstände wie Doppelbefundungen behoben, begrüßte Aubauer den ELGA-Entwurf. Als weiteren
positiven Effekt der Elektronischen Gesundheitsakte nannte die V-Mandatarin die prognostizierten Einsparungen von
130 Mio. € ab 2017, da diese Mittel für Präventionsmaßnahmen gut eingesetzt werden könnten.
Dezidiert sprach sich Aubauer dagegen aus, Verunsicherung bei PatientInnen in Bezug auf ELGA zu schüren, sei
doch das Vertrauensverhältnis zwischen ÄrztInnen und PatientInnen von außerordentlicher Wichtigkeit.
Sie hoffe daher, so die Abgeordnete, dass auch sämtliche ÄrztInnen vom Nutzen des elektronischen Systems
überzeugt werden könnten.
Abgeordneter Andreas KARLSBÖCK (F) war der Meinung, dass es in der Zweiten Republik noch nie eine so große
Unruhe im Gesundheitssystem gegeben hat. Als Gründe dafür führte der Redner u.a. die massiven Leistungskürzungen,
die vielen Selbstbehalte sowie die schlechten Arbeitsbedingungen des medizinischen Personals an. Zudem erhalten
die Patienten nicht mehr das beste, sondern das billigste Medikament und sie müssten so lang wie noch nie
auf einen Arzttermin warten. Skandalös sei auch die Tatsache, dass über 70.000 Kinder allein in Wien
keinen adäquaten Therapieplatz in Ergo-, Physio- und Psychotherapie bekommen. Dieser Trend werde noch weitergehen,
befürchtete Karlsböck, da Bund, Länder und Sozialversicherungen eine radikale Umgestaltung des Gesundheitssystems
planen, da insgesamt 3,4 Mrd. € eingespart werden sollen. Was den elektronischen Gesundheitsakt betrifft, so kritisierte
der Redner, dass dieses möglicherweise nutzbringende Instrumentarium viel zu schlecht vorbereitet und viel
zu schlecht umgesetzt wurde. Weitere Mängel beim Projekt ELGA sah er in Bezug auf die unzureichende Verschlüsselung
und Datensicherheit, auf das gewählte Opt-out-Modell sowie hinsichtlich der fehlenden Testphase. "Volle
Kontrolle, volle Überwachung, Ende des Datenschutzes" resümierte Karlsböck mit Bedauern. ELGA
sei zudem medizinisch unbrauchbar, es behindere die ärztliche Tätigkeit und koste ein Vermögen.
Kritik an der Ärztekammer
"Das ist genau das, was einen Maserati-fahrenden Zahnarzt von mir unterscheidet", entgegnete Abgeordneter
Erwin SPINDELBERGER (S) seinem Vorredner, er wolle nämlich sachlich an das Thema ELGA herangehen. Er sei persönlich
sehr stolz darauf, bei der "Taufe der elektronischen Gesundheitsakte" dabei sein zu dürfen, weil
damit ein Meilenstein in der österreichischen Gesundheitspolitik gesetzt werde. Künftig würden alle
Befunde und gesundheitsrelevanten Dokumente der PatientInnen unter Wahrung höchster Sicherheitsstandards dezentral
elektronisch gespeichert, wobei jeder die Möglichkeit habe, entweder gar nicht teilzunehmen oder einzelne
Befunde herauszunehmen. Durch dieses Gesetz könne die Behandlungsqualität enorm gesteigert werden, war
Spindelberger überzeugt. Aus diesem Grund verstehe er auch nicht das unverantwortliche Vorgehen mancher FunktionärInnen
der Ärztekammer, die unberechtigte Ängste schürten und damit die PatientInnen verunsicherten.
Abgeordneter Kurt GRÜNEWALD (G) gab zu bedenken, dass das Verhalten der FunktionärInnen in der Ärztekammer
nicht unbedingt das widerspiegle, was die betroffenen MedizinerInnen denken. Die Ärzteschaft sei kein monolithischer
Block, meinte er, und bei den angestellten ÄrztInnen sei sicher die Mehrheit für ELGA. Die Widerstände
bei den praktischen ÄrztInnen seien seiner Ansicht nach vor allem auf Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes
und einer befürchteten Zunahme der Bürokratie zurückzuführen. Wenn man mehr Patientenfreundlichkeit
an den Tag gelegt hätte, wäre auch ein aktives Opt-in-Modell wahrscheinlich kein Problem gewesen, vermutete
Grünewald. Der Zeitraum bis zur vollständigen Einführung von ELGA sollte daher sinnvoll genutzt
werden, um noch erforderliche Verbesserungen vorzunehmen. Für positiv erachtete es der G-Gesundheitssprecher,
dass die PatientInnen erstmals ihre Befunde und Arztbriefe einsehen können. Auch für ÄrztInnen könne
es einen Gewinn bedeuten, wenn ihre Diagnosen von KollegInnen einsehbar sind, da sie angehalten seien, noch genauer
vorzugehen.
Österreich ist für sein gutes Gesundheitssystem bekannt und es mache daher Sinn, wenn wir auch eines
der ersten Länder sind, in denen es eine funktionierende elektronische Gesundheitsakte gibt, urteilte Abgeordnete
Karin HAKL (V). Umso bedauerlicher sei daher, dass die im Verhandlungsprozess vorgebrachten Bedenken der ÄrztInnen
von Seiten des zuständigen Ministeriums nicht ernst genommen wurden. Absolut unverständlich sei ihr auch,
warum keine Inhaltsverschlüsselung der Daten verpflichtend vorgesehen wurde. Auch wenn sie hoffe, dass dieser
Makel noch auf dem Verordnungsweg bereinigt wird, werde sie heute dem Gesetz, das sehr viele gute Aspekte enthalte,
leider nicht zustimmen können, kündigte Hakl an.
Das Kostenargument
Die elektronische Gesundheitsakte sei eine jahrelange, endlose Geschichte, die heute nun beschlossen werden soll,
wobei Einführungskosten von 150 Mio. € anfallen, erklärte Abgeordnete Ursula HAUBNER (B). Ihre Partei
bezweifle, ob der nun vorliegende Gesetzesentwurf der richtige Weg sei, weil etwa damit keine echte Freiwilligkeit
gewährleistet werde. Jeder einzelne Bürger und jede einzelne Bürgerin sollte mittels eines Opt-in-Systems
selbst entscheiden können, welche Daten von ihm bzw. ihr gespeichert werden und wer darauf zugreifen kann,
wendete Haubner ein. Sie befürchtete auch, dass ELGA ein Mehr an Bürokratie bringen wird, was auf Kosten
der persönlichen Kontakte und Gespräche zwischen ArztInnen und PatientInnen gehen werde. Ablehnend äußerte
sich die Mandatarin zudem dazu, dass die Daten für andere Zwecke – auch nicht in anonymisierter Form – verwendet
werden können.
Abgeordneter Ewald SACHER (S) betrachtete ELGA aus dem Blickwinkel der Pflege und war überzeugt davon, dass
es auch in diesem Bereich zu Fortschritten kommen werde. In einer weiteren Ausbauphase werden nämlich auch
die Pflegedienstanbieter in das ELGA-System einbezogen, was zu einer besseren Informationsvernetzung führen
werde, meinte er. Von den Vorteilen würden in erster Linie die PatientInnen profitieren, betonte Sacher, weil
ein Mehr an Wissen zu einer besseren Qualität bei den medizinischen und pflegerischen Behandlungen beitragen
könne. Er gehe zudem davon aus, dass die Kosten reduziert werden können und mehr Zeit und Geld für
die eigentliche Pflege zur Verfügung stehen wird.
Abgeordneter Martin STRUTZ (F) sprach von einer hochsensible Materie mit weitreichenden Folgen für jeden einzelnen
Bürger und jede einzelne Bürgerin. Auch wenn die Zukunft erst zeigen werde, ob ELGA funktioniert, bleibe
er persönlich skeptisch, da es sich um ein Zwangssystem handelt, das von oben herab verordnet wird. Seine
Fraktion lehne ELGA vor allem deshalb ab, weil das System nicht ausgereift sei, weil es viel zu viel Geld koste,
das besser für längst überfällige medizinische Leistungen eingesetzt werden sollte, und weil
ein lückenloser Datenschutz nicht gesichert sei. Massive Bedenken kämen auch von Seiten des Rechnungshofs,
wie man im entsprechenden Bericht nachlesen könne, zeigt Strutz auf.
Abgeordneter Karl DONABAUER (V) erinnerte daran, dass bei der Einführung der e-card eine ebenso heftige Debatte
geführt und von Seiten der Opposition vor den massiven negativen Auswirkungen gewarnt worden sei, die aber
alle nicht eingetreten seien. Die E-Card sei heute ein Vorzeigeprodukt des österreichischen Gesundheitssystems,
um das wir in Europa beneidet werden, machte Donabauer geltend. Er glaube, dass ELGA eine ähnliche positive
Entwicklung nehmen kann, wenn alle gemeinsam daran arbeiten. Die Zeit sei einfach reif dafür, die Daten besser
zu vernetzen und die einzelnen Gesundheitsbereiche miteinander abzustimmen, und zwar zum Wohle der PatientInnen,
zeigte sich Donabauer überzeugt.
Für Abgeordneten Albert STEINHAUSER (G) standen bei ELGA die Fragen im Vordergrund, ob die persönlichen
Gesundheitsdaten sicher sind, wer sie einsehen kann und ob man sich gegen Missbrauch schützen kann. Da gerade
die Gesundheitsdaten aus kommerziellen Gründen interessant seien, müsse man dabei mit besonderer Sorgfalt
und unter Einhaltung höchster Sicherheitsstandards vorgehen, urgierte er. Seiner Meinung nach gebe es sehr
wohl Defizite, da eine Vollverschlüsselung der Daten fehle. Sollte es nämlich einen Hacker wirklich gelingen,
in das System einzudringen, dann könne er auf alle Informationen zugreifen. Außerdem hätte er sich
die Einführung eines Opt-in-Modells gewünscht, weil es u.a. die Verwaltung dazu zwingen würde, die
Kundenorientierung in den Mittelpunkt zu stellen. Abschließend brachte Steinhauser noch einen Abänderungsantrag
seiner Fraktion ein.
Abgeordnete Anna HÖLLERER (V) hob insbesondere den Nutzen für die PatientInnenen hervor, den die Einführung
von ELGA mit sich bringen wird. Aufgrund ihrer beruflichen Erfahrungen wisse sie, wie wichtig es in Notfällen
ist, dass die ÄrztInnen rasch und zuverlässig Zugang zu medizinischen Daten von PatientInnen haben, die
nicht mehr ansprechbar sind, mahnte sie. Wenn ELGA im Vollausbau eingesetzt wird, dann könnten gerade solche
Schwierigkeiten oder Schnittstellenprobleme vermieden werden. Durch ELGA würden die Patientendaten unmittelbar
und überall, wo es erlaubt ist, ohne Zeitverzögerung verfügbar sein, wobei allerdings höchste
Datenschutzstandards eingehalten werden müssen. Durch das Opting-Out könne jeder selbst entscheiden,
ob er seine Gesundheitsdaten bei ELGA gespeichert haben will oder nicht.
Abgeordneter Gerhard KÖFER (o.F.) ging in seiner Wortmeldung zunächst auf die Vor- und Nachteile des
mittlerweile größten sozialen Netzwerks, nämlich Facebook, ein. Einerseits habe sich der arabische
Frühling dieses modernen Kommunikationsinstruments bedient, aber andererseits wurden dadurch auch Scheidungen,
Job- oder Wohnungsverluste verursacht, weil die Nutzer all ihre Informationen für jeden öffentlich gemacht
haben. Ähnliches sehe er auch bei ELGA, führte der Redner weiter aus, da es sich einerseits um einen
Meilenstein in der Gesundheitspolitik handle, der eine Vernetzung aller relevanten Daten gewährleiste, andererseits
aber auch gewisse Gefahren in sich berge. Als Beispiel dafür führte er den möglichen Missbrauch
oder den Verlust von sensiblen Daten an. Solche "Kinderkrankheiten" können sich vielleicht Facebook
oder Twitter leisten, eine elektronische Gesundheitsakte aber nicht, warnte Köfer.
Die beiden G-Abänderungsanträge wurden in Zweiter Lesung abgelehnt. Die Dritte Lesung zum Elektronischen
Gesundheitsakte-Gesetz erfolgte namentlich. Das Gesetz wurde vom Nationalrat bei 171 abgegebenen Stimmen mit 102
Ja- zu 69 Nein-Stimmen verabschiedet.
Höhere Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei Organspenden
Mit dem neuen Organtransplantationsgesetz trägt Österreich einer EU-Richtlinie Rechnung, deren Ziel es
ist, EU-weit hohe Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Organspenden sicherzustellen. Im Konkreten
müssen künftig etwa Aufzeichnungen über Lebendspenden geführt sowie schwerwiegende Zwischenfälle
und unerwünschte Reaktionen, die bei der Entnahme oder Transplantation von Organen auftreten, erfasst werden.
Außerdem werden Transplantationszentren im Rahmen der Nachsorge verpflichtet, LebendspenderInnen innerhalb
von drei Monaten nach der Operation einer Nachkontrolle zu unterziehen und diese in regelmäßigen Abständen
an die Durchführung einer fachärztlichen Untersuchung zu erinnern. Zudem ist künftig jedem Lebendspender
bzw. jeder Lebendspenderin ein individueller risikobasierter Nachsorgeplan auszuhändigen.
Der Gesetzentwurf wurde ebenso einstimmig gebilligt wie die begleitenden Änderungen in den Sozialversicherungsbestimmungen.
Abgeordneter Wilhelm HABERZETTL (S) besprach die Übernahme europäischer Sicherheitsstandards bei Organtransplantationen
von lebenden SpenderInnen und eine Nachsorgeverpflichtung gegenüber den Organspendern positiv.
Auch Abgeordnete Claudia DURCHSCHLAG (V) begrüßte die Verbesserung der rechtlichen Situation bei der
Lebendspende von Organen und sprach die Erwartung aus, dass die gute österreichische Lösung bei der Organtransplantation
noch sicherer werde.
Abgeordneter Andreas KARLSBÖCK (F) kündigte die Zustimmung seiner Fraktion zur vorliegenden Gesetzesänderung
an und ging auf ethische Probleme bei Organspenden ein. Der Arzt problematisierte das Kriterium "Hirntod"
für die Feststellung des Todeszeitpunkts eines Menschen und schilderte die Situation von Hinterbliebenen,
etwa der Eltern tödlich verunglückter Kinder, die keine Möglichkeit hatten, sich von ihrem Kind,
das in einer Klinik für eine Organspende herangezogen wurde, würdig zu verabschieden. Karlsböck
sprach sich auch für eine Diskussion über die in Österreich geltende "Widerspruchslösung"
aus und machte darauf aufmerksam, dass in Deutschland jeder Versicherte aktiv ja oder nein zu einer Organentnahme
sagen müsse. "Das würde auch uns ethisch und moralisch weiterbringen", meinte Abgeordneter
Karlsböck.
Abgeordneter Kurt GRÜNEWALD (G) folgte den Ausführungen seines Vorgängers teilweise, hielt aber
fest, dass es schwierig sei, Regeln für einen humanen Umgang mit den Hinterbliebenen tragisch ums Leben gekommener
Menschen in einem Gesetz festzuschreiben. Den festgestellten Hirntod eines Menschen als Kriterium für den
Zeitpunkt des Todes verteidigte Abgeordneter Grünewald und wies auf die zahlreichen Kontrollen hin, die Voraussetzung
für jede Organentnahme bei einem Verstorbenen seien. In der Frage der Nachbetreuung von Organspendern riet
der Mediziner dazu, den Vorschlägen Rechnung zu tragen, die die Gesellschaft für Transplantationsmedizin
diesbezüglich unterbreitet hat.
Abgeordneter Wolfgang SPADIUT (B) unterstrich die Notwendigkeit, die Spende menschlicher Organe durch lebende Personen
gesetzlich zu regeln und hielt es für wichtig, diesen Menschen ein entsprechendes Nachsorgeprogramm anzubieten.
Abgeordnete Elisabeth KAUFMANN-BRUCKBERGER (T) kündigte ebenfalls die Zustimmung ihrer Fraktion an, wobei
sie sich dafür aussprach, die Menschen darüber zu informieren, dass die Organtransplantation in Österreich
sehr streng geregelt und jeder Handel mit Organen ausgeschlossen ist. Ihre Fraktion unterstütze ausdrücklich
auch jede Art von Nachsorge und medizinischer Betreuung von LebendspenderInnen.
Auch Gesundheitsminister Alois Stöger zeigte sich erfreut über die Verbesserung des Organtransplantationsgesetzes.
Österreich habe mit diesem Gesetz beste Erfahrungen gemacht. Nunmehr gehe es um den besonderen Schutz von
LebendspenderInnen, um das Verbot der Lebendspende unter 18 Jahren, die gesetzliche Regelung der Nachsorge sowie
um den besonderen Schutz von LebendspenderInnen im Sozialversicherungsrecht.
Abgeordneter Johann HECHTL (S) bekannte sich nachdrücklich zum Grundsatz der Freiwilligkeit sowie zur Unentgeltlichkeit
bei Organspenden und zur Übernahme aller Kosten bei der Organspende, der Nachsorge und einer allfälligen
Komplikation durch die Sozialversicherung.
Abgeordnete Ruth BECHER (S) brach eine Lanze für die in Österreich geltende Widerspruchslösung bei
der Entnahme von Organen aus dem Körper Verstorbener. Der Vergleich der Organtransplantation in Österreich
und Ländern mit ähnlichen Regelungen, in denen eine Zustimmungslösung gelte – etwa Deutschland -,
zeige die Vorteile der Widerspruchslösung klar auf, sagte die Abgeordnete.
Arzneimittelsicherheit wird weiter erhöht
Neue Risikomanagement-Bestimmungen für bereits zugelassene Arzneimittel und neue Meldepflichten im Fall von
Nebenwirkungen soll die Arzneimittelsicherheit weiter erhöht werden. Mit einer entsprechenden Änderung
des Arzneimittelgesetzes reagiert man auf eine EU-Richtlinie, mit der ein Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel
geschaffen wird. Die Änderungen passierten den Nationalrat einstimmig. Ein vom BZÖ eingebrachter Entschließungsantrag
blieb in der Minderheit.
Abgeordneter Erwin KAIPEL (S) erläuterte die vorliegenden EU-Anpassungen wie die Erweiterung des Begriffs
"Nebenwirkung", die Wirkungsangaben und die Möglichkeit, durch eine bessere Zusammenarbeit der Gesundheitsbehörden
in den EU-Mitgliedsstaaten Doppelgleisigkeiten zu vermeiden und die Arzneimittelsicherheit zu erhöhen. Außerdem
werde die Datenerfassung im Bereich der Arzneimittel in der Europäischen Union vereinheitlicht. Seine Fraktion
wird dieser Vorlage gerne zustimmen, schloss Abgeordneter Kaipel.
Abgeordnete Ridi Maria STEIBL (V) begrüßte die Verbesserungen beim Risikomanagement des Arzneimittelwesens
und die neue Meldeverpflichtung für Nebenwirkungen von Medikamenten. Dem Internethandel mit Arzneimitteln
erteilte die Abgeordnete eine Absage und ersuchte den Gesundheitsminister, diese Entwicklung nicht nur im Auge
zu behalten, sondern ihr Einhalt zu gebieten.
Abgeordnete Dagmar BELAKOWITSCH-JENEWEIN (F) kündigte die Zustimmung der FPÖ zur Erhöhung der Medikamentensicherheit
an und schloss sich der Ablehnung des Arzneimittelvertriebs über das Internet an. Die Rednerin verlangte,
die Menschen auch vor dem Verkauf nutzloser Medizinprodukte in Supermärkten zu schützen.
Abgeordneter Kurt GRÜNEWALD (G) problematisierte seinerseits den Versandhandel mit Medikamenten, unterstrich
die Notwendigkeit, das Risikomanagement im Arzneimittelbereich zu verbessern und warnte angesichts der aufwendigen
Bearbeitung von Meldungen über Arzneimittel-Nebenwirkungen vor Einsparungen beim Bundesamt für Gesundheitsfragen.
Abgeordneter Wolfgang SPADIUT (B) stimmte der Umsetzung der EU-Verordnung für ein besseres Risikomanagement
und neuen Meldepflichten bei Arzneimittel-Nebenwirkungen zu und unterstützte jene, die sich gegen die Legalisierung
des Arzneimittelhandels per Versand und Internet einsetzen. Dazu legte der Abgeordnete einen BZÖ-Entschließungsantrag
vor, der jedoch in der Minderheit blieb.
Abgeordnete Elisabeth KAUFMANN-BRUCKBERGER (T) begrüßte die verstärkte Zusammenarbeit der EU-Länder
auf dem Gebiet des Arzneimittelwesens, insbesondere bei der Qualitätskontrolle. Sie hielt es ebenfalls für
notwendig, die legale Lieferkette im Medikamentenhandel zu schützen, um die Menschen vor gefälschten
Medikamenten zu bewahren, von denen man wisse, dass sie große Gesundheitsrisiken mit sich bringen.
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