Wien (bmi) - In einer Pressekonferenz präsentierte Innenministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner gemeinsam
mit dem Direktor des Bundeskriminalamts General Franz Lang und dem Experten Prof. MedRat Dr. Reinhard Fous, am
13.11. die neue Anti-Drogenstrategie der Polizei: mehr Präventionsarbeit, effizientere Kontrolluntersuchungen
und ein weiterer Ausbau der nationalen und internationalen Drogenbekämpfung stehen auf dem Programm.
Die Suchtmittelthematik ist eine Querschnittsmaterie, die nicht nur mehrere Ministerien und eine Vielzahl an Behörden,
sondern auch private Bereiche vom Arbeitsplatz bis hin zum Familienleben betrifft. Die Rolle der Exekutive ist
dabei primär der Bereich der Repression, der Strafverfolgung, sie bringt ihr Wissen zugleich auch aber bei
zahlreichen präventiven Maßnahmen ein. "Leider müssen wir als Polizei aber zunehmend Mängel
in der Vollziehung erkennen, die zum Teil massive Auswirkungen auf unsere Arbeit haben", so Innenministerin
Mag. Johanna Mikl-Leitner, die deshalb die Ausarbeitung einer umfassenden Anti-Drogenstrategie aus Sicht des Innenministeriums
in Auftrag gegeben hat.
"Die steigenden Anzeigen des aktuellen Suchtmittelbericht 2011 bestätigen zwar einerseits die intensive
repressive Arbeit der Polizei, denn Drogendelikte sind Kontrolldelikte, sie zeigen aber andererseits auch die Notwendigkeit
auf, zukünftig neue, schnellere und effizientere Wege einzuschlagen", so die Innenministerin. Denn alarmierend
ist vor allem, dass sich die Anzahl der Drogenersteinsteiger bei den 14- bis unter 18-Jährigen von 395 im
Jahr 2009 auf 670 im Jahr 2011 beinahe verdoppelt hat. Oft wird gerade bei den Jugendlichen der Drogenkonsum verharmlost,
was auch durch die Rechtsordnung begründet ist. So wird als Beispiel im Führerscheingesetz das Lenken
eines Kraftfahrzeuges mit mehr 1,5 Promille Alkohol im Blut mit dem Entzug der Lenkerberechtigung für sechs
Monate geahndet, bei festgestellter Drogenbeeinträchtigung hingegen nur bis maximal einem Monat. "Das
Innenministerium wird sich hier daher verstärkt mit seinem Fachwissen einbringen."
Das Fünf-Punkte-Programm
Die Bekämpfung der Drogenkriminalität braucht einen ganzheitlichen Zugang, sowohl präventiv als
auch repressiv. Das Programm des Innenressorts ist daher umfassend angelegt.
1. Effiziente Frühintervention: Gerade bei Drogenerstkonsum von Jugendlichen kann durch Information
und Prävention viel erreicht werden. Obwohl die Suchtprävention eine primäre Aufgabe des Gesundheitsbereiches
darstellt, scheint es erforderlich, das Fachwissen der Polizei noch besser einzuarbeiten. In ganz Österreich
sind derzeit 255 Präventionsbeamtinnen und –beamten im Bereich Suchtmittel ausgebildet und im Einsatz. "Da
insbesondere auf Wien ein Hauptaugenmerk gelegt wird, werden wir ab Jänner 2013 zusätzliche 44 Beamtinnen
und Beamte einsetzen", so Mikl-Leitner. Weiters haben wir in den Präventionsstellen der Bundesländer
einige tolle Präventionsprojekte in Schulen, wie zum Beispiel das Projekt "Clever und cool" und
das Projekt "Suchtfrei.ok", die weiter forciert werden.
2. Schnellere Reaktion: Die so genannte Sekundärprävention fällt ebenso in die Zuständigkeit
der Gesundheitsbehörden des Bundes, der Länder und der Gemeinden. Aus Sicht der Exekutive gibt es derzeit
das Defizit, dass oftmals zu spät reagiert wird. Hier ist aus polizeilicher Sicht eine schnellere behördliche
Reaktion nötig. Denn gerade bei Erstkonsumentinnen und -konsumenten muss die medizinische Beurteilung zeitnah
zur Beanstandung erfolgen und von wesentlich höherer Qualität sein. Ein Zuwarten führt einerseits
zu mangelnder Einsicht des Betroffenen und andererseits zu Folgeschäden durch den Konsum von Suchtgift in
der Zwischenzeit. Derzeit erfolgt aufgrund der gesetzlichen Vorgabe die Verständigung der Gesundheitsbehörden
durch die Polizei erst nach Abklärung des gesamten Sachverhaltes mit der Berichterstattung an die Staatsanwaltschaft.
Damit vergehen oft wichtige Monate, in denen die Gesundheitsbehörden bereits tätig werden könnten.
Durch eine Änderung des Paragraph 14/2 Suchtmittelgesetzes wäre eine derartige Verständigung bereits
dann möglich, wenn für die Polizei "aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass jemand Suchtgifte
missbraucht."
3. Effiziente Kontrolluntersuchungen: Weiters bieten die derzeit praktizierten medizinischen Untersuchungen
enorme Schlupflöcher, durch die ein weiterer Drogenkonsum vertuscht werden kann. Derzeit wird zur Unterstützung
bei der Befundung durch den Amtsarzt beinahe ausschließlich auf eine Harn¬untersuchung zurückgegriffen.
Diese Methode ist zwar einfach zu handhaben und auch preisgünstig, hat jedoch den Nachteil, dass ein möglicher
Missbrauch nur relativ kurz nachweisbar ist. Außerdem werden in der Praxis oft Umgehungs-möglichkeiten
bei der Probenabgabe ausgenutzt. Eine langfristige Beurteilung ist nur durch eine Haaruntersuchung möglich.
Dort wo diese nicht möglich ist, wie zum Beispiel bei fehlendem Haar, ist jedenfalls sicherzustellen, dass
die Abgabe des zu untersuchenden Harns unter streng kontrollierten Verhältnissen stattfindet. Die Haaranalyse
ist wesentlich genauer und aussagekräftiger als Harnuntersuchungen und ermöglicht eine lückenlose
Beobachtung des Drogenkonsums des Probanden über einen längeren Zeitraum. Das Bundesministerium für
Inneres wird daher ein Pilotprojekt in einer Gesundheitsbehörde starten und mit Unterstützung eines polizeilichen
Amtsarztes Erfahrungswerte sammeln.
4. Weg von Drogenersatzstoffen: Schon mitten in der Drogenkarriere werden die Betroffenen dann meist großzügig
mit Drogenersatzstoffen versorgt, die wiederum neue Probleme hervorrufen. Oberstes Ziel muss es daher sein: weg
von der Substitutionsbehandlung und hin zu einer viel früher greifenden Therapie, wie zum Beispiel begleitende
psychosoziale Maßnahmen. Studien belegen, dass lediglich fünf von hundert der Substitutionspatientinnen
und –patienten der Drogenausstieg tatsächlich gelingt. Derzeit werden in Österreich rund 16.782 Personen
substituiert. Darüber hinaus ist der Missbrauch der Substitutionspräparate, zum Beispiel durch Weiterverkauf,
sehr groß.
5. Verstärkte Überwachung: Um das Drogenangebot in Österreich weiter entscheidend zu reduzieren,
wird die Polizei einerseits den Kontrolldruck auf der Straße weiter verstärken. In Wien wurden daher
bereits von 4. bis 11. November 2012 Schwerpunktaktionen durchgeführt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen:
91 Festnahmen, 89 Anzeigen, Sicherstellung von 6.300 Euro Bargeld, von 13 Gramm Kokain, 20 Gramm Heroin, 120 Gramm
Cannabis, 370 Stück verschiedenster Tabletten (EXTS, Amphetamine, etc.) und einer Hanfplantage in einer Privatwohnung.
Andererseits wird sich das Bundeskriminalamt noch mehr auf die Verfolgung der international operierenden Drogenkartelle
konzentrieren und die Transitroute Österreich überwachen. Denn Österreich nimmt – geprägt durch
die geografische Lage an der "Balkan Route" – eine strategisch wichtige Position im Drogenschmuggel ein.
Die österreichische Polizei wird daher vor allem ihre grenzübergreifenden Operationen am Balkan forcieren.
Das Bundeskriminalamt hat bereits 2009 bis 2012 die Federführung an dem Projekt "Drug Policing Balkan"
übernommen. Das Folgeprojekt 2013 bis 2015 wurde schon bei der Europäischen Kommission beantragt.
|