Töchterle: Balance zwischen berechtigten Anliegen des Tierschutzes und notwendigen Rahmenbedingungen
für die Forschung
Wien (bmwf) - Der Ministerrat hat am 13.11. die Neufassung des Tierversuchsgesetzes beschlossen,
die aufgrund der Umsetzung einer EU-Richtlinie, die eine europaweite Harmonisierung der Tierversuchsgesetze vorsieht,
notwendig wurde. Dem Beschluss am 13. November 2012 sind zahlreiche Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern
aus der Forschung und Wirtschaft sowie des Tierschutzes vorausgegangen. "Unser Ziel bei der Umsetzung der
Neufassung war es, den geringen Umsetzungsspielraum zu nutzen, um die Balance zwischen den berechtigten Anliegen
des Tierschutzes und den notwendigen Rahmenbedingungen für die Forschung zu wahren", so Wissenschafts-
und Forschungsminister Dr. Karlheinz Töchterle. "Österreich hat im europäischen Vergleich eines
der strengsten Tierversuchsgesetze. Dessen hohe Standards werden beibehalten bzw. durch die Neufassung teilweise
weiter ausgebaut", verweist Töchterle etwa auf die Ausweitung des Geltungsbereichs und die verpflichtende
Einrichtung von Tierschutzgremien. Weiters wird in Österreich als einem der ersten europäischen Länder
auf Initiative des Wissenschafts- und Forschungsministeriums ein objektiver Kriterienkatalog zur Schaden-Nutzen-Analyse
entwickelt und zur Anwendung kommen. Die Neufassung des Tierversuchsgesetzes wird Ende des Monats im parlamentarischen
Wissenschaftsausschuss diskutiert.
Die Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz der für wissenschaftliche
Zwecke verwendeten Tiere muss ab Anfang 2013 angewendet werden. Im Juni 2012 wurde ein vom Wissenschafts- und Forschungsministerium
mit den drei anderen verantwortlichen Ressorts (Gesundheits-, Landwirtschafts- und Wirtschaftsministerium) abgestimmter
Entwurf sechs Wochen lang begutachtet. Dabei gingen 80 Stellungnahmen ein, die - wo entsprechend der Richtlinie
möglich und sinnvoll - in den Gesetzesentwurf eingearbeitet wurden. Dabei war es dem Ministerium ein Anliegen,
eine vernünftige Balance zwischen den berichtigten Anliegen des Tierschutzes und den notwendigen Rahmenbedingungen
für die Forschung zu finden. Ein spezieller Fokus wurde auf den Schutz des geistigen Eigentums, insbesondere
durch Verschwiegenheitspflichten, gelegt. Der geringe Spielraum, den die Richtlinienumsetzung ermöglicht,
wurde dabei bestmöglich genutzt und jene Punkte, in denen Österreich bisher strenger ist als die EU-Richtlinie,
werden beibehalten. Das betrifft insbesondere das Verbot von Versuchen mit Menschenaffen und die jährliche
unangemeldete Kontrolle von Tierversuchseinrichtungen.
Durch die Umsetzung der EU-Richtlinie wird die österreichische Gesetzeslage in einigen Punkten strenger geregelt
als dies bisher der Fall war:
- Es erfolgt eine Ausweitung des Geltungsbereichs (derzeit sind nur Wirbeltiere
erfasst) auf spezifische wirbellose Arten.
- Schweregrade: Tierversuche werden künftig nach ihrer Belastung für
das Tier in vier Schweregrade eingeteilt. Geplante Versuche müssen vor einer Genehmigung einer vorhergehenden
Bewertung unterzogen und eingestuft werden. Die Schweregrade werden in der Tierversuchsstatistik erfasst.
- Tierschutzgremium: In Einrichtungen, in denen Tierversuche durchgeführt
oder Versuchstiere gezüchtet werden, muss ein Tierschutzgremium eingerichtet werden, welches das Personal
vor Ort im Sinne der "3R" (replace, reduce, refine) berät, bzw. begleitend die Projektabwicklung
berät und überprüft.
- Tierversuche, die lang dauernde Schmerzen verursachen, welche nicht gelindert
werden können, sind grundsätzlich verboten. Ausnahmen dürfen nur im Einzelfall aus berechtigten
Gründen und nach einer Prüfung auf nationaler und europäischer Ebene gewährt werden. - Erhöhte
Transparenz: Im Sinne der Transparenz müssen Anträge für Tierversuche nicht-technische Projektzusammenfassungen
enthalten, die unter Wahrung der Anonymität öffentlich zugänglich gemacht werden.
Weiters schlägt das Wissenschafts- und Forschungsministerium die Einführung eines objektiven Kriterienkatalogs
für die vorzunehmende Schaden-Nutzen-Abwägung bei Tierversuchsprojekten vor. Ziel ist es, die Objektivität
und Transparenz der Genehmigungsverfahren zu erhöhen. Der Kriterienkatalog wird vom Messerli Forschungsinstitut
an der Veterinärmedizinischen Universität Wien entwickelt und vom Ministerium finanziert.
Österreich hat im europäischen Vergleich eines der strengsten Tierversuchsgesetze und die Zahl der Tierversuche
ist in Österreich -auch aufgrund der immer besser entwickelten Ersatzmethoden - stark zurückgegangen:
Seit 1990 wurde die Zahl um 61 Prozent reduziert. Aber: Auch bei zunehmender Anwendung von Ersatzmethoden kann
auf Tierversuche noch nicht gänzlich verzichtet werden. Sie sind etwa bei der Prüfung der Sicherheit
von Arzneimitteln für Menschen und Tiere teilweise nach wie vor nicht vermeidbar. Auf Tierversuchen basieren
aber auch herausragende Forschungsergebnisse im Bereich der Krebsforschung. Jüngstes Beispiel, das in den
vergangenen Wochen publiziert wurde: Wiener Wissenschaftler haben eine neue Therapiemöglichkeit bei einer
besonders aggressiven Blutkrebs-Form entwickelt.
Über das Tierversuchsgesetz Sorge getragen, dass Tierversuche auf ein unerlässliches Maß unter
strengen Auflagen beschränkt werden: - Tierversuchseinrichtungen müssen Mindestanforderungen erfüllen
und bedürfen einer Genehmigung
- Verantwortliche Leiterinnen und Leiter von Tierversuchen müssen Qualifikations-erfordernisse
erfüllen und bedürfen ebenfalls einer Genehmigung
- jeder Tierversuch bedarf grundsätzlich einer behördlichen Genehmigung
- Kontrollen der Einhaltung der Bestimmungen in Tierversuchseinrichtungen
In jedem Fall gilt es immer das 3R-Prinzip anzuwenden (replace, reduce, refine; Vermeiden, Vermindern, Verbessern).
Das heißt: - in jedem einzelnen Fall ist zu prüfen, ob Ersatzmethoden möglich sind (replace)
- bei notwendigen Versuchen muss die Anzahl der Versuchstiere möglichst gering
gehalten werden (reduce)
- die Belastung für die Versuchstiere muss so gering wie möglich sein
(refine)
- Tierversuche für Kosmetikprodukte sind und bleiben in Österreich gänzlich
verboten.
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