Technologie-Hypes stehen & fallen durch Vernetzung
Wien (fwf) - Überzogene Hoffnungen auf neue Technologien entstehen durch Verknüpfungen
mit weiteren gesellschaftlich-relevanten Erwartungen. Das ist ein zentrales Ergebnis einer Studie, die vom Wissenschaftsfonds
FWF unterstützt wurde. Diese analysierte den "Aufstieg & Fall" von Technologie-Hypes anhand
der Brennstoffzellentechnologie als alternatives Antriebskonzept. Eine Technologie, die nach viel Furore und Investitionen
Ende der 1990er-Jahre kurz vor der Einführung stand – nur um von einem Hype um batteriegetriebene Elektroautos
abgelöst zu werden. Im Rahmen der Studie wurden anhand von Medienberichterstattungen und Einzelgesprächen
die dahinter liegenden Erwartungsdynamiken analysiert. Die Ergebnisse bieten Politik und Wirtschaft nun auch ein
Analysekonzept, um solche Dynamiken zu erkennen.
Technologien können unser Leben revolutionieren. Der Glaube daran stellt entscheidende Weichen für den
Erfolg der Technologie: Systeme, die auf alter Technologie basieren – oder diese unterstützen –, müssen
aufgegeben und neue geschaffen werden. Ist der Wille dazu zeitig erkennbar, werden Zeit & Geld in die Entwicklung
investiert – ist er das nicht, versiegt das Engagement. Ein Wechselspiel von Entwicklung und Erwartung, das Fortschritt
oder Frustration bringt. Wie es dabei wiederholt zu Hypes – und späteren Enttäuschungen – kommen kann,
wurde nun in einem Projekt des Wissenschaftsfonds FWF anhand der Brennstoffzellentechnologie analysiert.
Glühende Begeisterung
"Gerade im Bereich der Mobilität wechselten die Hoffnungsträger in rascher Folge. Ende der 1990er
Jahre galt die auf Wasserstoff beruhende Brennstoffzellentechnologie als enorm erfolgversprechend", erläutert
DI Dr. Matthias Weber vom AIT – Austrian Institute of Technology, dessen Team die Studie mit KollegInnen der EAWAG,
einem Schweizer Forschungsinstitut aus dem ETH-Bereich, durchführte. "Doch bereits im Jahr 2003 begann
die Elektromobilität eine neue Perspektive – und Hoffnung – aufzuzeigen. Später galten dann auch zeitweise
die Biotreibstoffe als neue Chance, die inzwischen aber auch auf große Skepsis stoßen."
Das Team um Dr. Weber analysiert, wie die anfängliche Hoffnung auf die Brennstoffzelle bereits kurze Zeit
später zu regelrechten Hypes aufgebauscht wurde. Als Grundlage der Untersuchung wurden fünf verschiedene
Diskurs-Bereiche definiert: Massenmedien, Politik, Fachwelt und Finanz/Börse. Für diese Bereiche erfolgte
anschließend eine detaillierte Diskursanalyse, die auf zahlreichen Medienberichten und Umfragen auf ausgesuchten
Fachkonferenzen beruhte. Weiters wurden 30 Interviews mit Stakeholdern der Innovationssysteme durchgeführt
und ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass übersteigerte Erwartungen an die Leistungsfähigkeit einer Technologie
ein Grund für die Entstehung von Hypes sind – aber bei weitem nicht der einzige.
Vernetzung verstärkt
Tatsächlich zeigte die Studie, dass die Verknüpfung von Erwartungen verschiedener Ebenen zu Hypes beitragen
kann. Dazu Mag. Björn Budde, der im Rahmen des Projekts seine Doktorarbeit durchführt: "Die Erwartungen
an die Brennstoffzelle wurden mit Erwartungen an ein komplett neues, Wasserstoff-basiertes Wirtschaftssystem verbunden.
Das steigerte die Erwartungen natürlich enorm." Doch damit nicht genug. Die Diskursanalyse und die Auswertung
der Interviews zeigten weiters, dass durch die Verknüpfung mit einer Wasserstoff-basierten Wirtschaft sogar
Hoffnungen entstanden, das Klimaproblem und die Erdölabhängigkeit zu lösen. "Je bedeutender
aber die an eine Technologieentwicklung geknüpften Hoffnungen, umso tiefer kann die Enttäuschung natürlich
sein, wenn sich die Erwartungen nicht bald erfüllen", führt Mag. Budde weiter aus. Dabei zeigt sich
auch, dass Hypes kein alleiniges Phänomen der Massenmedien sind. Tatsächlich traten sie in mehreren der
untersuchten Diskurse auf – von Massenmedien über Wissenschaft bis hin zur Politik –, was in der Folge zu
einer gegenseitigen Verstärkung der Begeisterung führte.
Diese Vernetzung ist auch die Ursache für einen wichtigen Effekt, der in dem FWF-Projekt entdeckt wurde: Die
Beurteilung einer Technologie kann sich dramatisch ändern, wenn sich Erwartungen auf anderer – aber verknüpfter
Ebene – verschieben. Vor diesem Hintergrund wurde dann im Rahmen der Studie ein neuer konzeptioneller Rahmen, der
der sogenannten "Netzwerk-Erwartungen", entworfen. Dieses Analysekonzept sieht bei der Bewertung des
zukünftigen Potenzials einer neuen Technologie auch die Bewertung nicht-technologischer Erwartungen vor. Eine
Evaluierungsmethode, die einen wichtigen Beitrag zum frühzeitigen Verständnis liefert, wo und warum Technologie-Hoffnung
sich in Enttäuschung wandeln kann – und wie eine solche eventuell vermieden werden kann.
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