Südtiroler Landtagsabgeordnete in Sorge um die Autonomie
Wien (pk) - Nationalratspräsidentin Barbara Prammer empfing am 23.11. eine Delegation des Südtiroler
Landtages mit Landtagspräsident Mauro Minniti an der Spitze und führte mit den MandatarInnen ein rund
einstündiges Gespräch, in dessen Mittelpunkt die Sorgen der Südtiroler um das Autonomiestatut stand,
auch nachdem die Regierung Monti Vorschläge für eine Verfassungsänderung in Richtung eines Zentralstaates
unterbreitet hat, was Eingriffe in Südtiroler Kompetenzen mit sich bringen würde. Nationalratspräsidentin
Barbara Prammer drückte den Abgeordneten aus Südtirol Verständnis für deren Sorgen aus, betonte,
dass Südtirol ein wichtiges Anliegen des österreichischen Parlaments sei und unterstrich die Schutzfunktion
Österreichs für Südtirol.
In ihren Begrüßungsworten führte Präsidentin Prammer aus, ihr sei bewusst, dass dieser Besuch
in einer brisanten Zeit stattfinde. Die Situation sei insgesamt schwieriger geworden, sagte die Präsidentin
und wies auch auf die aktuellen Beratungen in Brüssel hin. Südtirol, das sie selbst mehrmals besucht
habe, sei allen Abgeordneten des österreichischen Parlaments nach wie vor ein besonderes Anliegen, sagte Prammer
und machte auf die Tätigkeit des ständigen Südtirol-Unterausschusses aufmerksam, mit dem die Gäste
aus Südtirol im Anschluss an das Gespräch mit der Präsidentin zusammentrafen. Überdies finden
im österreichischen Parlament regelmäßig Veranstaltungen zum Thema Südtirol statt, erinnerte
Prammer und sicherte den Gästen zu, diese Linie fortzusetzen. Österreich verlasse die Position nicht,
die es in der Vergangenheit eingenommen habe und werde an seiner Schutzfunktion für Südtirol festhalten.
Der Südtiroler Landtagspräsident Mauro Minniti dankte für die Einladung und informierte die Nationalratspräsidentin
über den Druck, unter dem die Autonomie Südtirols von Seiten der italienischen Zentralregierung stehe.
Diese Autonomie sei kein Privileg, hielt Minniti fest, sie stehe Südtirol "aufgrund der Besonderheit
unseres Landes zu, daher müssen wir sie schützen", fügte Minniti hinzu. Es sei in Südtirol
immer positiv empfunden worden, dass Österreich in der Vergangenheit immer zu seinem Wort gegenüber Südtirol
gestanden habe, sagte der Landtagspräsident, der sich nachdrücklich für die Fortsetzung des Dialogs
mit Österreich und insbesondere auch mit dem Südtirol-Ausschuss aussprach.
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer betonte die vielen Berührungspunkte zwischen Südtirol und
Österreich und sah Parallelen zwischen der guten Entwicklung Südtirols und der guten Bewältigung
der Finanzkrise in Österreich. Klar sei, dass es für Südtirol schwieriger geworden sei, seine erfolgreiche
Entwicklung im Spannungsfeld der Konsolidierungspolitik des großen Italiens fortzusetzen. Das kürzlich
beschlossene Budget für 2013 erlaube es Österreich, sich den Maastrichkriterien wieder anzunähern,
ohne in das Sozialbudget einzugreifen. Im Gegenteil - Österreich investiere nach wie vor in den Arbeitsmarkt.
Den Regionen komme dabei große Bedeutung zu, weil sie sich als effiziente Faktoren in der Wirtschaftspolitik
erweisen, sagte Barbara Prammer.
Abgeordneter Elmar Pichler Rolle (SVP) hielt fest, es gehe nicht darum, die ausgezeichneten Beziehungen zwischen
Österreich und Rom zu trüben, beklagte aber zugleich, die Regierung Monti würde bei ihren Sparmaßnahmen
Bestimmungen des Autonomiestatuts außer Acht lassen. Zudem greife die Regierung in Rom in Kompetenzen Südtirols
ein und beabsichtige, die Verfassung Italiens noch zentralistischer zu gestalten. Diese Verfassungsänderung
bereite den Südtirolern große Sorgen, weil sie die den Verlust Südtiroler Kompetenzen an den Zentralstaat
mit sich bringen würde. "Was Recht ist, soll auch Recht bleiben" hielt Elmar Pichler Rolle an dieser
Stelle fest und bat um die Unterstützung Österreichs.
Abgeordneter Sven Knoll (Süd-Tiroler-Freiheit) kritisierte die Auffassung Mario Montis, Südtirol sei
eine rein italienische Angelegenheit und deponierte den Wunsch vieler Südtiroler, die österreichische
Staatsbürgerschaft zu bekommen. Dies würde es Österreich erleichtern, seine Schutzfunktion für
Südtirol wahrzunehmen, weil Österreich dann nicht mehr nur eine Minderheit in einem Nachbarland, sondern
seine eigenen Staatsbürger schützen würde. Abgeordneter Knoll trat zudem für einen regen Kontakt
zwischen den Südtiroler Landtag und dem Südtiroler Ausschuss des österreichischen Parlaments ein.
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer wollte nicht alle Worte eines Politikers, über die die Medien
berichten, auf die Goldwaage legen und betonte einmal mehr, dass Österreich zu seiner Schutzfunktion für
Südtirol stehe. Die Frage einer Doppelstaatsbürgerschafts der Südtiroler hielt Prammer für
schwierig, weil sie im Widerspruch zum österreichischen Staatsbürgerschaftsrecht stehe und das Verhältnis
und zu seinen sechs Volksgruppen berühren würde.
Abgeordnete Veronika Stirner Brantsch (SVP) sprach vom Wunsch der Südtiroler, ihre Autonomie weiter auszubauen
und meinte, die Situation Südtirols sei nicht ohne Weiteres mit der Situation anderer Regionen in Italien
vergleichbar, weil die Südtiroler eine Minderheit darstellen, die ein international verankertes Autonomiestatut
habe, auf dessen Einhaltung die Südtiroler vehement bestehen. Autonomiekompetenzen dürfen nicht beschnitten
werden, sagte die Abgeordnete und sprach die Befürchtung aus, eine jüngere Generation von Politikern
in Österreich empfinde das Thema Südtirol anders als dies bei früheren Generationen der Fall gewesen
sei.
Diesem Eindruck widersprach die Nationalratspräsidentin. Geändert habe sich lediglich die Situation seit
dem Inkrafttreten der Autonomie, wobei Prammer auf die gute Entwicklung Südtirols hinwies und den Wunsch nach
Weiterentwicklung der Autonomie für verständlich bezeichnete. Es sei notwendig, die Kompetenzfragen und
die Finanzierungsfragen zu lösen und dabei miteinander im Dialog zu bleiben. In diesem Zusammenhang wies Prammer
auf Entwicklungen auf EU-Ebene hin, etwa auf die Entwicklung einer Fiskalunion, die große Herausforderungen
für die Nationalstaaten mit sich bringen.
Abgeordnetem Andreas Pöder (BürgerUnion für Südtirol), der sich froh darüber zeigte, dass
Südtirol im österreichischen Parlament einen Ansprechpartner habe und davor warnte, im Zuge der Konsolidierungspolitik
Demokratie und Minderheitenrechte auf der Strecke bleiben zu lassen, stimmte Präsidentin Prammer zu und bezeichnete
die Weiterentwicklung der Demokratie und die Rolle der Parlamente in Europa als wichtig. Dabei erinnerte Prammer
an die Mitentscheidungsrechte, die der österreichische Nationalrat beim ESM erhalten habe; die könnten
auch für andere EU-Staaten vorbildhaft sein. Generell würden demokratische Aspekte bei Entscheidungsabläufen
in Brüssel immer wichtiger, schloss die Nationalratspräsidentin.
Im Anschluss an die Aussprache mit der Nationalratspräsidentin traf die Südtiroler Landtagsdelegation
mit den Mitgliedern des Südtirol-Unterausschusses zu einem Gespräch zusammen. Zum Abschluss ihres Gesprächsreigens
im Hohen Haus konferierten die Gäste aus Südtirol mit dem Präsidenten des Bundesrates Georg Keuschnigg.
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