Parlamentarische Vorlagen: Wirtschaft
Wien (pk) - Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) wurde Mitte 2002 als monokratisch organisierte
Aufgriffs- und Ermittlungsbehörde beim Bundesministerium für Wirtschaft, Jugend und Familie eingerichtet.
Sie wird vom unabhängig und weisungsfrei gestellten Generaldirektor für Wettbewerb geleitet. Wichtigstes
Ziel der BWB ist es, funktionierenden Wettbewerb sicherzustellen und Wettbewerbsverzerrungen oder -beschränkungen
im Sinne des Kartellgesetzes 2005 oder der Europäischen Wettbewerbsregeln in Einzelfällen entgegenzutreten
Das Jahr 2011
Im Bereich der Fusionskontrolle ist anzumerken, dass im Jahr 2011 ein deutlicher Anstieg der Anzahl der angemeldeten
Fusionen im Vergleich zu den vergangenen Jahren zu verzeichnen war (281 im Vergleich zu 238 im Jahre 2010). Die
überwiegende Mehrzahl der 281 Fälle, nämlich über 96 %, konnten in der ersten, vierwöchigen
Verfahrensphase abgeschlossen werden – in der Regel durch Fristablauf, oft aber auch durch Prüfungsverzicht.
Nur etwas mehr als 3 % der Fälle ging in die zweite Phase, das heißt, BWB und/oder Bundeskartellanwalt
stellten einen Prüfungsantrag.
An Einzelfällen sind beispielhaft mehrere Fusionen im Bereich der Lebensmittelproduktion bzw. der -distribution
hervorzuheben: Anfang Dezember 2010 wurde die Einbringung der Tirol Milch in die Berglandmilch gegen Gewährung
von Geschäftsanteilen als Zusammenschluss angemeldet. Nachdem mehrere Lebensmitteleinzelhandelsketten Bedenken
hinsichtlich einer Einschränkung des Wettbewerbs bei Molkereiprodukten geäußert hatten, haben BWB
und der Bundeskartellanwalt mehrere Auflagen erreicht, wie etwa eine Abnahmeverpflichtung oder ein Preismonitoring,
welche sicherstellen, dass das neue Unternehmen seine Marktposition weder auf der Einkaufs- noch auf der Verkaufsseite
ausnutzen kann.
Nach intensiven Voranmeldegesprächen mit BWB und Bundeskartellanwalt meldete Berglandmilch im Sommer 2011
die Einbringung der Stainzer Milch in die Berglandmilch (Wels, Österreich) gegen Gewährung von Geschäftsanteilen
an. Die Amtsparteien nahmen in diesem Fall in der ersten Phase eine weitreichende Verpflichtungserklärung
der Anmelder an, die geeignet war, die wettbewerbsrechtlichen Bedenken auszuräumen. Diese Verpflichtungserklärung
betrifft eine Verpflichtung zur Abnahme von Rohmilch bzw. Bio-Rohmilch von Dritten sowie als strukturelle Auflage
den Verkauf von Rohmilch im Umfang der nahezu gesamten Rohmilch-Erfassungsmenge des Zielunternehmens.
Im Frühjahr 2011 meldete die Pfeiffer Unternehmensgruppe den geplanten Erwerb von 100% der Anteile an der
Nussbaumer GmbH bei der BWB an, wegen wettbewerblicher Bedenken stellte die BWB einen Prüfungsantrag. Grund
dafür waren Bedenken hinsichtlich der Entstehung bzw. Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung
durch den Erwerb der drei steirischen Standorte. Um diese Marktbeherrschung zu verhindern, wurden von der BWB gemeinsam
mit den Zusammenschlussanmeldern Auflagen erarbeitet. Die Auflagen umfassen ein 10-jähriges umfassendes Preismonitoring
und eine zeitlich unbegrenzte Akquisitionssperre für Pfeiffer für das Bundesland Steiermark sowie den
Bezirk Jennersdorf. Mit Beschluss des Kartellgerichtes wurde der Zusammenschluss mit den genannten Auflagen schließlich
freigegeben.
Im Bereich der Kartellbekämpfung setzte die BWB ihren Ermittlungsschwerpunkt fort, mehrere Unternehmen im
Brauereisektor, einige Hersteller von Dämmstoffen sowie Baumärkte bzw. Groß- und Zwischenhändler
für Dämmstoffe waren Ziel von Hausdurchsuchungen der Behörde.
Im August brachte die Behörde einen Bußgeldantrag beim Kartellgericht ein. Betroffen war die Branche
der Reinigungsvollversorgung. Die Behörde hatte ihre Ermittlungen aufgrund eines Kronzeugenantrags eines in
der Branche tätigen Unternehmens eingeleitet. Der Bereich der Reinigungsvollversorgung umfasst im Wesentlichen
die Vermietung und Reinigung von Wäsche an Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens (z.B. sterile OP-Wäsche
in Krankenhäusern) wie auch die Vermietung und Reinigung von Berufsbekleidung bzw. anderer berufsbezogener
Textilien außerhalb des Gesundheitswesens. Der vor Gericht gebrachte Sachverhalt betrifft mutmaßliche
Absprachen zur Aufteilung von Gebieten zwischen zweier Unternehmen.
Einen weiteren Bußgeldantrag brachte die BWB gegen einen Hersteller von Dämmstoffen im Herbst 2011 ein.
Nach den der BWB vorliegenden Informationen hatte das Unternehmen die Verkaufspreise seiner EPS-Produkte durch
ein System von Preisbindungen mit den wichtigsten Unternehmen des Baustoffhandels jahrelang abgestimmt. Aufgrund
der mutmaßlichen Zuwiderhandlung haben VerbraucherInnen über einen längeren Zeitraum erhöhte
Preise für EPS-Dämmstoffe bezahlt.
Fortgesetzt hat die BWB ihre allgemeinen Untersuchungen zum österreichischen Treibstoffmarkt. Die BWB untersucht
im Rahmen der ihr vom Gesetzgeber zugewiesenen Aufgaben bereits seit geraumer Zeit verschiedenste Bereiche des
österreichischen Treibstoffmarktes. In jüngster Vergangenheit wurden unter anderem Untersuchungen durchgeführt
zur asynchronen Preisweitergabe, zum West-Ost-Gefälle der Treibstoffpreise, zum Markteintritt neuer Diskonter
sowie zur Handelsplattform Platts. Ein im April 2011 veröffentlichter Bericht "Der Österreichische
Kraftstoffmarkt" gibt einen umfassenden Einblick in den Kraftstoffmarkt. Fortgeführt wurde auch die enge
Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt sowie zahlreiche internationale Aktivitäten.
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