Wien (belvedere) - Im Rahmen der 2007 initiierten Ausstellungsreihe Intervention lädt das Belvedere
regelmäßig zeitgenössische Künstler ein, ortsspezifische Arbeiten in einen eigenen Kontext
zur Geschichte des Hauses zu setzen. Nach Gudrun Kampl, Brigitte Kowanz, Werner Reiterer, Tilman Kaiser und Marianna
Gartner zeigen Lisa Oppenheim und Agnieszka Polska ab 21. November ihre von Martha Kirszenbaum kuratierte Intervention.
In einem klaren visuellen Kontrast werden die historischen Gemälde des Museums aus einer zeitgenössischen
Position thematisiert. Gerade durch die räumliche Zweiteilung - Oberes Belvedere und 21er Haus - schafft die
Intervention einen spannenden Diskurs zwischen den gegensätzlichen Weltbildern von Barock und Moderne. Die
Arbeiten der beiden Künstlerinnen entstanden im Rahmen des Curator in Residence-Programms des Belvedere, das
ausgewählten Kuratoren wissenschaftliche Arbeiten zum Sammlungs- und Forschungsschwerpunkt des Belvedere/21er
Haus ermöglicht.
Sowohl die aus New York stammende Lisa Oppenheim als auch die in Krakau lebende Agnieszka Polska arbeiten vorwiegend
mit den Medien Film und Fotografie, wobei aus ihren Werken ein gemeinsames Interesse an der Avantgarde und an historischen
Kunstpraktiken spricht. Da im Oberen Belvedere vor allem wichtige Positionen österreichischer Maler und Bildhauer
gezeigt werden, war es das besondere kuratorische Anliegen, für die Intervention zwei junge internationale
Künstlerinnen einzuladen, die durch andere Medien die historischen Werke im Oberen Belvedere mit zeitgenössischen
Wahrnehmungen ergänzen.
Gegensätze Sonne und Mond sowie Barock und Moderne
Inspiriert von Werken aus der Sammlung des Belvedere umfasst Lisa Oppenheims neue Serie Heliogramme im 21er
Haus Fotogramme, die auf dem ausdrucksstarken Symbol der Sonne basieren. Ihnen stellt Agnieszka Polska ihren narrativ-melancholischen
Animationsfilm Eclipse im Oberen Belvedere gegenüber. Beeinflusst vom jeweiligen Baustil der Museumsgebäude
- einerseits das barocke, hell-dunkel konnotierte Schloss, andererseits der lichtdurchflutete Bauhauspavillon des
21er Haus - zielt die Intervention darauf ab, durch die visuelle Gegenüberstellung von Sonne und Mond eine
Verbindung zwischen den Bauwerken herzustellen. So entstehen durch die thematische Ausrichtung und die zweigeteilte
Positionierung spannende Berührungspunkte zwischen Barock und Moderne und ihren konträren Welt- und Gesellschaftsbildern.
Historische Sammlung als Ausgangspunkt
Als Grundlage für die vor Ort fotografierten Druckgrafiken der Serie Heliogramme, die an der Ostwand des 21er
Haus gezeigt werden, wählte Lisa Oppenheim Sonnenmotive aus Gemälden der historischen Sammlung wie Egon
Schieles Vier Bäume (1917) oder Anton Romakos Italienisches Fischerkind (1870-1875) und schlug so eine Brücke
zu den zeitgenössischen Exponaten im 21er Haus. Ihre Heliogramme verweisen auf die Macht der Sonne, zumal
die Negative ihrer Bilder zu verschiedenen Zeiten im Tageslicht belichtet werden. Je nach Zeitpunkt variieren infolgedessen
Intensität und Qualität des Lichts, manchmal nur subtil, manchmal aber auch so drastisch, dass die Künstlerin
nicht in der Lage ist eine Belichtung vorzunehmen. Diese Momente erscheinen auf den Druckgrafiken an der Wand dann
als leere Räume und machen eine zeitlich flüchtige Erfahrung sichtbar.
Auch Agnieszka Polska stellt mit ihrem Animationsfilm Eclipse klare Bezüge zu Gemälden der Belvedere
Sammlung her, indem sie einen umfassenden Korpus von Gegenständen inszeniert, die aus verschiedenen Gemälden
stammen und in einem langsamen, ununterbrochenen Kameraschwenk wiedergegeben werden. In der Ansammlung von Objekten
erkennt man ein Aquarium, ein totes Schaf und eine Hyazinthe aus Oskar Kokoschkas Stillleben mit Hammel und Hyazinthe
(1910) oder eine Soldatenfigur und eine Muschelform aus Greta Freists Wache (1938). Die aus ihrem ursprünglichen
Zusammenhang gerissenen Bestandteile der Sammlung und ihre Formierung in einer Animation lassen ein neues Ensemble
entstehen, das sich langsam fortbewegt und zu blau-violetten Farbtönen verdunkelt - ähnlich einer totalen
Sonnenfinsternis.
Curator in Residence
Das Curator in Residence-Programm (CIR) des Belvedere/21er Haus richtet sich weltweit an Kuratoren, die eingeladen
werden für die Dauer von drei bis fünf Monaten im Belvedere bzw. im 21er Haus insbesondere zu für
die Sammlung des Museums relevanten Themen zu forschen. Ziel des Programms ist die Förderung von Kuratoren
bzw. Wissenschaftlern, die zum Sammlungs- und Forschungsschwerpunkt des Belvedere/21er Haus - österreichische
Kunst vom Mittelalter bis zur aktuellen Kunstproduktion im internationalen Kontext - arbeiten. Die Ergebnisse des
Forschungsaufenthalts werden als Vortrag, als Präsentation im Rahmen der Internetpräsenz oder eben als
Intervention in der Sammlung der Öffentlichkeit vorgestellt. Die aus New York und Paris stammende und international
renommierte Kuratorin Martha Kirszenbaum war im Sommer 2011 Curator in Residence des Belvedere/21er Haus.
Eröffnung - Intervention Lisa Oppenheim / Agnieszka Polska Dienstag, 20. November 2012 19.00 Uhr Oberes Belvedere,
Prinz Eugen-Straße 27, 1030 Wien 20.30 Uhr 21er Haus, Schweizergarten, Arsenalstraße 1, 1030 Wien Shuttleservice
von 19.45 bis 20.45 Uhr
Es sprechen Agnes Husslein-Arco, Direktorin des Belvedere Martha Kirszenbaum, Kuratorin der Intervention
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