Krems/Wien (rk) - Immer wieder haben in den letzten Jahren Fälle von schweren Kindesmisshandlungen
eine teilweise heftig geführte mediale Debatte um die Verantwortung in der Kinder- und Jugendhilfe entfacht.
Entscheidet die/der MitarbeiterIn des Jugendamtes falsch – im Falle einer Entfernung des Kindes aus der Familie,
obwohl dies vielleicht nicht nötig gewesen wäre bzw. umgekehrt im Falle einer zu späten Abnahme,
so kann strafrechtliche Anzeige erhoben werden – gegen die/den einzelnen MitarbeiterIn.
Der Jugendausschuss des Österreichischen Städtebundes, in dem sowohl Politiker als auch Beamte der kommunalen
Ebene vertreten sind, beschäftigte sich bei seiner Sitzung am 27.11. in Krems mit dem heiklen Thema einer
möglichen strafrechtlichen Anzeige von Jugendamts-MitarbeiterInnen. Viele der im Ausschuss vertretenen Städte
sind Statutarstädte und damit selbst Bezirksverwaltungsbehörde und führen somit auch Jugendämter.
Bis jetzt gab es zwar erst einige wenige erstinstanzliche Urteile und nur eine letztinstanzliche Verurteilung –
die Möglichkeit, strafrechtlich angezeigt und vor Gericht zu stehen, ist dennoch präsent.
Flächendeckende Umsetzung des Vier-Augenprinzips gefordert
"Der Jugendausschuss des Österreichischen Städtebundes fordert daher alle Länder auf, das
Vier-Augen-Prinzip bei der Gefährdungsabklärung anzuwenden und den MitarbeiterInnen der Jugendämter
hier einen rechtsicher(er)en Raum zu bieten und das neue Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz mitzutragen. Bund
und Länder sollen sich endlich hinsichtlich der Finanzierung einigen", so die Vorsitzende des Ausschusses,
die Welser Stadträtin Silvia Huber.
Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger stellt sich hinter den Ausschuss und appelliert ebenso an
die Bundesländer, auf diese Weise die MitarbeiterInnen der Jugendämter besser vor strafrechtlicher Anklage
zu schützen. Die Mittel seien bei allen Gebietskörperschaften knapp, dies sei auch eine Frage der Prioritätensetzung,
so Weninger.
Wie agieren Jugendämter?
Mit dem Blick auf das Wohl der Kinder und Jugendlichen, versuchen die Jugendämter, die Familien zu stabilisieren
und ihnen in der Erziehungsarbeit Unterstützung und Begleitung anzubieten. Um dies zu erreichen, setzen die
Jugendämter darauf, vertrauensvolle, tragfähige Beziehungen sowohl zu den Kindern als auch zu den Eltern
aufzubauen. Das Kind aus der Familie zu nehmen, ist dabei der härteste – und letzte – Schritt, den das Jugendamt
setzen kann. Die Abnahme des Kindes ist daher die "ultima ratio", die auf die Familie oft traumatisierende
Wirkung hat.
Die "Garantenhaftung", wie sie im §2 StGB in Zusammenhang mit §215 ABGB zu finden ist, erweckt
falsche Erwartungen über die Tätigkeit der Jugendämter. Jugendämter wenden keine polizeilichen
Ermittlungsmethoden an, weder verhören sie die Familien, noch überwachen sie sie. Dies wird auch nicht
angestrebt, da das Ziel ja ist, dass die Familie in ihrer – sehr oft nur temporären – Überforderung begleitet
wird. "An die Jugendämter dürfen darum auch keine Maßstäbe angelegt werden, dass sie
sich Wissen über die Familie aneignen, an die sie fast nur mit Hilfe von Methoden der polizeilichen Ermittlungsarbeit
gelangen könnten. Dies würde in völligem Gegensatz zu den Zielen der Sozialarbeit stehen",
so Silvia Huber.
Informationen über den Österreichischen Städtebund
Der Österreichische Städtebund ist die kommunale Interessenvertretung von insgesamt 246 Städten
und größeren Gemeinden. Etwa 65 Prozent der Bevölkerung und 71 Prozent der Arbeitsplätze befinden
sich in Österreichs Ballungsräumen. Mitglieder des Städtebundes sind neben Wien und den Landeshauptstädten
praktisch alle Gemeinden mit über 10.000 EinwohnerInnen. Die kleinste Mitgliedsgemeinde zählt knapp 1.000
EinwohnerInnen. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. Neben dem Österreichischen Gemeindebund, der die kleineren
Gemeinden vertritt, ist der Österreichische Städtebund Gesprächspartner für die Regierung auf
Bundes- und Landesebene und ist in der österreichischen Bundesverfassung (Art. 115 Abs.3) ausdrücklich
erwähnt.
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