Transistoren haben eine begrenzte Lebenserwartung, besonders bei großer Hitze. Tibor
Grasser untersucht, woran das liegt, und bekommt den Paul-Rappaport-Award.
Wien (tu) - Warum gehen Transistoren kaputt? In der Mikroelektronik hat man oft mit dem Problem zu
kämpfen, dass Bauteile irgendwann versagen – besonders, wenn sie bei hoher Temperatur betrieben werden. Woran
das liegt, wird in der die Forschungsgruppe rund um Prof. Tibor Grasser am Institut für Mikroelektronik erforscht.
Noch vor wenigen Jahren vermutete man ganz andere Ursachen für Transistor-Versagen, die Forschungen an der
TU Wien haben zu einem Paradigmenwechsel beigetragen. Für einen Review-Artikel über dieses Thema wurde
Tibor Grasser und sein Forschungsteam gemeinsam mit den Partnerunternehmen IMEC, Infineon und KAI am 10. Dezember
von der IEEE Electron Devices Society nun mit dem Paul Rappaport Award ausgezeichnet.
Heiße Transistoren werden müde
An einem Transistor muss eine gewisse elektrische Spannung angelegt werden, damit er Strom leitet. Wie hoch die
Spannungsschwelle ist, die dabei überschritten werden muss, kann sich mit der Zeit ändern. „Der Transistor
geht nicht abrupt kaputt, er wird langsam immer schlechter, das Gerät wird langsamer oder funktioniert irgendwann
gar nicht mehr“, erklärt Tibor Grasser.
Für die Mikroelektronik-Industrie ist es immens wichtig, die Lebensdauer ihrer Bauteile abschätzen zu
können. Nachdem niemand jahrelang auf die nötigen Daten warten kann, unterzieht man die Transistoren
oft Tests unter besonders erschwerten Bedingungen. „Statt die Transistoren bei Zimmertemperatur zu untersuchen,
erhitzt man sie beispielsweise auf 200°C und legt vielleicht auch noch eine hohe Spannung an“, sagt Grasser.
Das reduziert die Lebensdauer der Bauteile von Jahren auf Wochen oder Tage.
Stresstest für Elektronik
Um aus diesen Messungen allerdings Rückschlüsse darauf ziehen zu können, wie sich die Transistoren
unter normalen Bedingungen verhalten würden, muss man die Mechanismen der Degenerationsprozesse genau verstehen.
Tibor Grasser und sein Team untersuchen daher die quantentheoretischen Hintergründe, die das Versagen des
Transistors erklären.
Antworten liegen auf atomarer Ebene
Moderne Feldeffekt-Transistoren sind Schichten von Silizium und Siliziumoxid aufgebaut. Silizium und Sauerstoff
gehen feste Bindungen ein und ergeben eine nicht überall ganz gleichmäßige Struktur. An den Grenzflächen
gibt es einzelne Atome, denen ein Bindungspartner fehlt – diese freien Stellen werden durch Wasserstoffatome abgesättigt.
Diese Wasserstoffatome standen im Zentrum der lange Zeit verbreiteten Theorien über die temperaturabhängige
Zerstörung der Transistoren: Wenn der Wasserstoff nämlich abgelöst wird und sich von der Grenzfläche
fortbewegt, dann entstehen geladene Defekte an der Oberfläche. Einzelne elektrische Ladungsträger im
Transistor können die Spannung erhöhen, die angelegt werden muss, um Strom passieren zu lassen.
„Die Diffusion von Wasserstoff in dieser Form ist grundsätzlich kein unplausibles Modell“, findet Tibor Grasser,
„und wenn man sich die experimentellen Daten genauer ansieht, die in den letzten Jahren gesammelt wurden, dann
muss man erkennen, dass dieses Modell nicht wirklich stimmen kann.“ Entscheidend sind hingegen Oxid-Defekte im
Halbleiter: „Silizium-Oxid bildet kleine Tetraeder, manchmal fehlt allerdings ein Sauerstoff-Atom“, sagt Grasser.
„Auch das verursacht punktuelle Ladungen und erhöht die nötige Schwellenspannung.“
Theoretische Rechnungen, Computersimulationen und experimentelle Messungen gehören in der Gruppe von Tibor
Grasser zusammen. „Wenn man nicht genau versteht, was bei der Messung passiert, kann man auch keine gute Theorie
entwickeln“, meint er. Die internationale Elektrotechnik-Vereinigung IEEE (Institute of Electrical and Electronics
Engineers) lud Tibor Grasser ein, zu diesem so wichtige Thema der temperaturabhängigen Transistor-Degradation
die eigenen Arbeiten über die letzten sechs Jahre zusammenzufassen. Aus den über 600 in den Journalen
der IEEE Electron Devices Society erschienen Publikationen wird jährlich die beste mit dem Paul Rappaport-Preis
prämiert – mit seiner Veröffentlichung konnte Tibor Grasser in diesem Jahr diese prestigeträchtige
Auszeichnung an die TU Wien holen.
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