Wien (wifo) - Die anhaltende Nachfrageschwäche in den Industrieländern dämpft zunehmend
die Konjunktur in den Schwellenländern. In Österreich war das BIP im III. Quartal entgegen ersten Berechnungen
nicht rückläufig, sondern nahm leicht zu. In den kommenden Monaten wird sich die Wirtschaft zwar weiterhin
gedämpft entwickeln, das allgemeine Indikatorenbild verschlechterte sich zuletzt aber nicht weiter.
Die Nachfrageschwäche im Euro-Raum und in den USA belastet den Welthandel weiterhin und bedingt spürbare
Exportrückgänge in den Schwellenländern. In den USA wurden die BIP-Zahlen für das III. Quartal
zwar nach oben korrigiert, vor allem jedoch wegen der Zunahme von Lageraufbau und Exporten; das Wachstum der heimischen
Nachfrage fiel geringer aus als ursprünglich angenommen. Japans Industrie ist besonders stark vom Handelsboykott
Chinas betroffen, in China selbst dürfte der Tiefpunkt der Wachstumsverlangsamung durchschritten sein.
Im Euro-Raum ging das BIP auch im III. Quartal zurück. Die Wirtschaftsleistung der Krisenländer Spanien,
Portugal, Italien und Zypern schrumpfte anhaltend, in Deutschland verlor das Wachstum an Kraft. Außerhalb
des Euro-Raumes erzielten in der EU lediglich die baltischen Länder starke Zuwächse; in Großbritannien
brachten die Olympischen Spiele im III. Quartal positive Einmaleffekte. Die Arbeitslosigkeit steigt weiter und
erreicht in einigen Ländern bereits ein sehr hohes Niveau. Die Refinanzierungsbedingungen der Länder
blieben im November stabil.
Entgegen ersten Berechnungen nahm das BIP in Österreich im III. Quartal leicht zu (+0,1% gegenüber dem
Vorquartal). Der private Konsum entwickelte sich anhaltend schwach, die Investitionen waren rückläufig.
Die Exporte wurden zwar gesteigert, der Wertschöpfungsgewinn aber durch die Ausweitung der Importe teilweise
kompensiert. Die zu Jahresbeginn beobachtete Zunahme der Ausfuhr in lateinamerikanische und asiatische Schwellenländer
kam in den letzten Monaten zum Erliegen. Die Exporte nach Deutschland blieben von Jänner bis August gegenüber
dem Vorjahr stabil, jene nach Italien waren deutlich rückläufig; die Lieferungen in die Schweiz nahmen
hingegen weiter zu.
Der neue WIFO-Frühindikator zeigte im November nach sechs Monaten des Rückganges erstmals aufwärts,
vom Konjunkturtest kommen ungünstigere Signale. In naher Zukunft wird die Konjunktur daher gedämpft bleiben.
Die Inflationsrate lag im Oktober weiterhin über 2%. Die Arbeitslosigkeit war im November höher als im
Vorjahr, das Angebot an Arbeitskräften nahm stärker zu als die Nachfrage. Im Vormonatsvergleich belasten
vor allem Saisoneffekte den Arbeitsmarkt, die saisonbereinigte Arbeitslosenquote betrug unverändert 7,2%.
Methodische Hinweise und Kurzglossar
Periodenvergleiche
Zeitreihenvergleiche gegenüber der Vorperiode, z. B. dem Vorquartal, werden um jahreszeitlich bedingte Effekte
bereinigt. Dies schließt auch die Effekte ein, die durch eine unterschiedliche Zahl von Arbeitstagen in der
Periode ausgelöst werden (etwa Ostern). Im Text wird auf "saison- und arbeitstägig bereinigte Veränderungen"
Bezug genommen.
Die Formulierung "veränderte sich gegenüber dem Vorjahr . . ." beschreibt hingegen eine Veränderung
gegenüber der gleichen Periode des Vorjahres und bezieht sich auf unbereinigte Zeitreihen.
Die Analyse der saison- und arbeitstägig bereinigten Entwicklung liefert genauere Informationen über
den aktuellen Konjunkturverlauf und zeigt Wendepunkte früher an. Die Daten unterliegen allerdings zusätzlichen
Revisionen, da die Saisonbereinigung auf statistischen Methoden beruht.
Durchschnittliche Veränderungsraten
Die Zeitangabe bezieht sich auf Anfangs- und Endwert der Berechnungsperiode: Demnach beinhaltet die durchschnittliche
Rate 2005/2010 als 1. Veränderungsrate jene von 2005 auf 2006, als letzte jene von 2009 auf 2010.
Reale und nominelle Größen
Die ausgewiesenen Werte sind grundsätzlich real, also um Preiseffekte bereinigt, zu verstehen. Werden Werte
nominell ausgewiesen (z. B. Außenhandelsstatistik), so wird dies eigens angeführt.
Produzierender Bereich
Diese Abgrenzung schließt die NACE-2008-Abschnitte B, C und D (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden,
Herstellung von Waren, Energieversorgung) ein und wird hier im internationalen Vergleich verwendet.
Inflation, VPI und HVPI
Die Inflationsrate misst die Veränderung der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr. Der Verbraucherpreisindex
(VPI) ist ein Maßstab für die nationale Inflation. Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) ist
die Grundlage für die vergleichbare Messung der Inflation in der EU und für die Bewertung der Preisstabilität
innerhalb der Euro-Zone.
Die Kerninflation als Indikator der Geldpolitik ist nicht eindeutig definiert. Das WIFO folgt der gängigen
Praxis, für die Kerninflation die Inflationsrate ohne die Gütergruppen unverarbeitete Nahrungsmittel
und Energie zu verwenden. So werden knapp 87% der im österreichischen Warenkorb für den Verbraucherpreisindex
(VPI 2010) enthaltenen Güter und Dienstleistungen in die Berechnung der Kerninflation einbezogen.
WIFO-Konjunkturtest und WIFO-Investitionstest
Der WIFO-Konjunkturtest ist eine monatliche Befragung von rund 1.500 österreichischen Unternehmen zur Einschätzung
ihrer aktuellen und künftigen wirtschaftlichen Lage. Der WIFO-Investitionstest ist eine halbjährliche
Befragung von Unternehmen zu ihrer Investitionstätigkeit ( http://www.konjunkturtest.at/ ). Die Indikatoren
sind Salden zwischen dem Anteil der positiven und jenem der negativen Meldungen an der Gesamtzahl der befragten
Unternehmen.
Arbeitslosenquote
Österreichische Definition: Anteil der zur Arbeitsvermittlung registrierten Personen am Arbeitskräfteangebot
der Unselbständigen. Das Arbeitskräfteangebot ist die Summe aus Arbeitslosenbestand und unselbständig
Beschäftigten (gemessen in Standardbeschäftigungsverhältnissen). Datenbasis: Registrierungen bei
AMS und Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.
Definition gemäß ILO und Eurostat: Als arbeitslos gelten Personen, die nicht erwerbstätig sind
und aktiv einen Arbeitsplatz suchen. Als erwerbstätig zählt, wer in der Referenzwoche mindestens 1 Stunde
selbständig oder unselbständig gearbeitet hat. Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, und Lehrlinge
zählen zu den Erwerbstätigen, nicht hingegen Präsenz- und Zivildiener. Die Arbeitslosenquote ist
der Anteil der Arbeitslosen an allen Erwerbspersonen (Arbeitslose plus Erwerbstätige). Datenbasis: Umfragedaten
von privaten Haushalten (Mikrozensus).
Begriffe im Zusammenhang mit der österreichischen Definition der Arbeitslosenquote
Personen in Schulungen
Personen, die sich zum Stichtag in AMS-Schulungsmaßnahmen befinden. Für die Berechnung der Arbeitslosenquote
wird ihre Zahl weder im Nenner noch im Zähler berücksichtigt.
Unselbständig aktiv Beschäftigte
Zu den "unselbständig Beschäftigten" zählen auch Personen, die Kinderbetreuungsgeld
beziehen, sowie Präsenz- und Zivildiener mit aufrechtem Beschäftigungsverhältnis. Zieht man deren
Zahl ab, so erhält man die Zahl der "unselbständig aktiv Beschäftigten".
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