Wien (pk) - Der Nationalrat gab am 06.12. nach einem heftigen verbalen
Schlagabtausch grünes Licht für die Erhöhung der Politikergehälter um 1,8%, nachdem diese seit
der letzten Anpassung im Jahr 2008 nicht mehr angehoben worden waren. Zudem schufen die Abgeordneten die organisatorische
Basis für das Bundesverwaltungsgericht sowie für das Auslaufen des Entschädigungsfonds. Durch die
Neuerungen der Dienstrechts-Novelle verlieren verurteilte Sexualstraftäter im öffentlichen Dienst ihren
Posten, die Inanspruchnahme des "Papa-Monats" wird erleichtert.
Voraussetzungen für den Start des Bundesverwaltungsgerichts 2014
Die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit schreitet nun mit großen Schritten voran. Nachdem der Nationalrat
bereits im Mai dafür die Grundlagen gelegt hat - ab dem Jahr 2014 wird es elf neue Verwaltungsgerichte erster
Instanz, neun in den Ländern und zwei beim Bund, geben – wurden heute die konkreten organisations- und verfahrensrechtlichen
Bestimmungen sowie Überleitungsregelungen für das Bundesverwaltungsgericht geschaffen. Das entsprechenden
Gesetz wurde unter Berücksichtigung einer von Abgeordnetem Johann Singer vorgebrachten Druckfehlerberichtigung
und des S-V-Abänderungsantrags einstimmig angenommen. Gestern wurde eine diesbezügliche Basis für
das Bundesfinanzgericht gelegt.
Abgeordneter Peter WITTMANN (S) hob hervor, dass das vorliegende Organisationsgesetz ein wesentlicher Schritt zur
Umsetzung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit sei. Die Organisation des Bundesverwaltungsgerichts setze
auf die Organisation des Asylgerichtshofs auf, skizzierte er. Wittmann zufolge wird das Bundesverwaltungsgericht
pro Jahr rund 33.000 Rechtssachen zu bewältigen haben, mit dem Gesetz würden sowohl Einzelentscheidungen
als auch Senatsentscheidungen ermöglicht. Der Erfolg des Gerichts wird seiner Ansicht nach wesentlich von
der Qualität der VerwaltungsrichterInnen abhängen.
Auch Abgeordneter Wolfgang GERSTL (V) sprach von einem wesentlichen Schritt zur Einrichtung der Verwaltungsgerichte.
Mit dem vorliegendem Organisationsgesetz lege man auch eine Latte für die Verwaltungsgerichte in den Bundesländern,
sagte er. Gerstl kritisierte in diesem Zusammenhang einen ersten Entwurf für das Verwaltungsgericht in Wien,
der seiner Ansicht nach nicht in allen Punkten rechtsstaatlichen Standards entspricht und politische Einflussmöglichkeiten
zulässt. Generell bekräftigte Gerstl, VerwaltungsrichterInnen müssten die gleiche Qualität
wie RichterInnen an ordentlichen Gerichten haben.
Abgeordneter Peter FICHTENBAUER (F) machte geltend, dass die Einrichtung von Verwaltungsgerichten so etwas wie
ein Jahrhundertprojekt sei, und begrüßte in diesem Sinn die Einbindung der Opposition. Seiner Auffassung
nach gilt es mit besonderer Nachdrücklichkeit und Achtsamkeit darauf zu schauen, "dass überall dort,
wo Gericht drauf steht, auch ein Gericht drinnen ist". Das UVS-Personal entspreche nicht immer der Qualität,
die man sich von RichterInnen erwarte, mahnte er und warnte vor einer "blinden Übernahme" von UVS-Mitgliedern
in die Verwaltungsgerichte.
Abgeordnete Daniela MUSIOL (G) zeigte sich überzeugt, dass die Wiener Stadtregierung Interesse an einem unabhängigen
Verwaltungsgericht in Wien hat und der Wiener Landtag ein entsprechendes Organisationsgesetz beschließen
werde. Sie selbst erachtet es für wesentlich, dass für RichterInnen an ordentlichen Gerichten und VerwaltungsrichterInnen
ein einheitliches Dienstrecht gilt. Ihrer Meinung nach ist die gleichwertige Einstufung aber noch nicht ganz gelungen.
Das vorliegende Organisationsgesetz wurde von Musiol ausdrücklich begrüßt, unter anderem verwies
sie auf die vorgesehene Kommission zur Auswahl künftiger PräsidentInnen und VizepräsidentInnen des
Bundesverwaltungsgerichts.
Abgeordneter Ernest WINDHOLZ (B) hob den Systemwechsel hervor, der mit der Einrichtung von Verwaltungsgerichten
verbunden ist. Insgesamt sieht er die Politik bei der Einrichtung der Gerichte auf gutem Weg, auch wenn man, wie
er meinte, in der Frage des einheitlichen Richterbildes noch nicht ganz so weit sei, wie sich das BZÖ das
vorstelle.
Abgeordneter Christoph HAGEN (T) stellte die Zustimmung des Team Stronach zum vorliegenden Gesetz in Aussicht.
Er sprach von einem wichtigen Schritt zur Verwaltungsreform, äußerte sich allerdings etwas kritisch
zu den Kosten.
Staatssekretär Josef OSTERMAYER machte darauf aufmerksam, dass das Bundesverwaltungsgericht am 1. Jänner
2014 seine Arbeit aufnehmen soll. Das Ziel sei sehr ambitioniert, erklärte er, schließlich müssten
bis dahin noch rund 100 Materiengesetze geändert, das Personal bestellt und entsprechende Räume akquiriert
werden. Man könne aber auf der bewährten Struktur des Asylgerichtshofs aufbauen. Als erster Präsident
des Bundesverwaltungsgerichts wird in diesem Sinn auch der nunmehrige Präsident des Asylgerichtshofs fungieren.
Ostermayer zufolge wird das Bundesverwaltungsgericht das größte Gericht Österreichs. Geplant sind
450 MitarbeiterInnen, die Zahl der jährlichen Rechtsfälle wird auf 33.000 geschätzt. Was das Verfahrensrecht
für die Verwaltungsgerichte betrifft, hofft Ostermayer auf einen Beschluss im Plenum des Nationalrats Ende
Jänner.
Abgeordnete Sonja STESSL-MÜHLBACHER (S) verwies darauf, dass mit der Einrichtung von Verwaltungsgerichten
der Rechtsschutz für die BürgerInnen wesentlich ausgebaut und auf europäischen Standard gehoben
werde. Das Bundesverwaltungsgericht werde eine Vielzahl von Materien zu behandeln haben, angefangen vom Vergaberecht
bis zu UVP-Verfahren, gab sie zu bedenken. Wie die anderen Abgeordneten ist auch für Steßl-Mühlbacher
ein einheitliches Richterbild ein wesentliches Ziel: es müsse möglich sein, zwischen ordentlichen Gerichten
und Verwaltungsgerichten zu wechseln.
Ein von Steßl-Mühlbacher eingebrachter umfangreicher Abänderungsantrag zielt darauf ab, den elektronischen
Rechtsverkehr im Bundesverwaltungsgericht zu ermöglichen.
Abgeordneter Michael HAMMER (V) wertete es als positiv, dass das Bundesverwaltungsgericht neben der Zentralstelle
in Wien auch Regionalstellen in Linz, Innsbruck und Graz haben wird. Das Gericht werde die Rechtsstaatlichkeit
stärken, ist er überzeugt. Das vorliegende Gesetz legt seiner Einschätzung nach auch den Grundstein
für hoch qualifiziertes Personal, letztendlich werde es aber auf die konkrete Auswahl der RichterInnen ankommen.
Entschädigungsfonds wird 2018 aufgelöst
Zur Debatte stand auch der Antrag der von Nationalratspräsidentin Prammer und Zweitem NR-Präsidenten
Neugebauer, mit dem präzise Ausführungsbestimmungen zur Auflösung des Entschädigungsfonds verankert
und Verjährungsfristen festgelegt werden. Der Fonds war im Jahr 2001 auf Basis des Washingtoner Abkommens
eingerichtet und mit 210 Millionen US-Dollar dotiert worden, zudem ist er mit der Naturalrestitution von im Bundesbesitz
befindlichen Liegenschaften betraut. Die endgültige Auflösung des Fonds ist für 2018 vorgesehen.
Bis dahin wird noch ein Bundeszuschuss von 9,88 Mio. € für die Jahre 2014 bis 2018 benötigt. Das restliche
Fondsvermögen soll dem Nationalfonds übertragen werden und jedenfalls Opfern des Nationalsozialismus
zugutekommen. Auch dieser Antrag erhielt einhellige Unterstützung.
Abgeordnete Ruth BECHER (S) führte aus, das vorliegende Gesetz biete die rechtliche Grundlage, um den Entschädigungsfonds
"zügig und sparsam zu beenden". Es sei sowohl mit dem Finanzministerium als auch mit dem Außenministerium
abgestimmt, skizzierte sie. Mit dem Betriebsrat des Fonds sei ein Plan zum Abbau der MitarbeiterInnen erarbeitet
worden. Laut Becher sind noch etliche Auszahlungsfälle offen, so müsse in noch mehr als 1.000 Fällen
nach Erben gesucht werden. Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution habe noch 750 Fälle in Bearbeitung.
Im Gegensatz zum Entschädigungsfonds bleibe der Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus weiter
bestehen, bekräftigte Becher.
Zweiter Nationalratspräsident Fritz NEUGEBAUER (V) hielt fest, die Geldleistungen aus dem Entschädigungsfonds
seien eine Geste der Republik Österreich, um erlittenes Unrecht wieder gutzumachen. Er wies darauf hin, dass
die Übereinkunft zur Einrichtung des Fonds im Jahr 2001 getroffen wurde und das Washingtoner Abkommen ein
wesentlicher Beitrag zur Aufarbeitung der österreichischen Geschichte gewesen sei. Die übrig bleibenden
Mittel aus dem Entschädigungsfonds werden ihm zufolge dem Nationalfonds zugeführt und für NS-Opfer
verwendet.
Abgeordneter Harald WALSER (G) erklärte, Österreich habe eine besondere Verantwortung gegenüber
den Opfern des Nationalsozialismus. Es habe lange genug gedauert, bis diese Verantwortung wahrgenommen wurde, betonte
er. In den letzten Jahren sei man aber sehr sorgsam mit den NS-Opfern umgegangen. Auch aus Sicht der Grünen
sei es an der Zeit, den Entschädigungsfonds "abzuwickeln", sagte Walser, man hätte in ein paar
Dingen auch ein bisschen schneller sein können. Zentral ist für ihn, dass sämtliche Gelder des Entschädigungsfonds,
die für die NS-Opfer vorgesehen waren, auch den NS-Opfern zugutekommen. Er regte überdies an, sich Gedanken
darüber zu machen, den Nationalfonds und den Zukunftsfonds zusammenzuführen.
Abgeordneter Ernest WINDHOLZ (B) bekräftigte, die Republik Österreich sei sich ihrer moralischen Verantwortung
gegenüber NS-Opfern bewusst und habe diese auch wahr genommen. Auch mit der Auflösung es Entschädigungsfonds
ende die moralische Verpflichtung nicht. Großes Lob äußerte Windholz wie schon seine VorrednerInnen
für die MitarbeiterInnen des Entschädigungsfonds.
Abgeordnete Christine MAREK (V) unterstrich, Österreich könne stolz auf den Nationalfonds und den Entschädigungsfonds
sowie weitere gesetzliche Maßnahmen zugunsten von NS-Opfern wie das Kunstrückgabegesetz sein.
Nationalratspräsidentin Barbara PRAMMER (S) schloss sich dem Dank an die MitarbeiterInnen des Entschädigungsfonds
an und betonte, mit dem vorliegendem Gesetz werde der Fonds einem "seriösen und kompakten Ende"
zugeführt. Bis Ende 2015 sollen auch die restlichen der ursprünglich 210 Mio. US-Dollar ausgezahlt sein.
2.000 Auszahlungsfälle seien noch offen, wobei sich gerade diese Fälle als sehr aufwändig gestalten,
meinte sie. Das unabhängige Antragskomitee des Entschädigungsfonds habe sich zudem ausbedungen, einen
umfassenden Endbericht vorzulegen. Die übrig bleibenden Mittel des Fonds werden laut Prammer für Programme
zugunsten hinterbliebenen NS-Opfern verwendet.
Unterschiedliche Sichtweisen über "angemessene" Politikerbezüge
Die Debatte über die Erhöhung der Politikerbezüge um 1,8 % wurde äußerst kontrovers geführt,
es gab dabei auch zahlreiche Ordnungsrufe seitens der Präsidentin. Schließlich passierte der entsprechende
Antrag der Koalitionsparteien mit S-V-G-Mehrheit den Nationalrat. Es ist dies die erste Bezugserhöhung nach
drei "Nulllohnrunden", zuletzt wurden die Politikerbezüge im Juli 2008 angepasst.
Ein Antrag des BZÖ, erneut eine "Nulllohnrunde" zu beschließen, fand allerdings keine Mehrheit.
Auch der Antrag der FPÖ betreffend Einführung einer Neuregelung der sogenannten Altpolitiker-Pensionen
fand keine ausreichende Unterstützung. Ebenso blieben die Initiativen der Grünen, die auf Kosteneinsparungen
bei Politikerpensionen nach altem Pensionsrecht abzielen, in der Minderheit. Die Grünen drängen in einem
Antrag und einem Entschließungsantrag nicht nur auf eine deutliche Anhebung der Pensionssicherungsbeiträge
für PolitikerInnen, die unter das alte Pensionsrecht fallen, sie wollen auch in anderen Sonderpensionssystemen
wie etwa den Altverträgen der Oesterreichischen Nationalbank progressive Pensionssicherungsbeiträge einführen.
Abgeordneter Werner NEUBAUER (F) meinte, es sei nicht angebracht, eine Erhöhung der Politikergehälter
in der Höhe von 1,8 % vorzunehmen, es handle sich, je nach Höhe des Grundbetrags, um einen beträchtlichen
Zuwachs von 150 bis 411 € monatlich. Der österreichische Bundespräsident verdiene mehr als Barack Obama,
der Bundeskanzler mehr als der britische Premierminister oder die deutsche Bundeskanzlerin. Das sei angesichts
der Krisenzeiten ein Skandal, den die Freiheitlichen nicht unterstützen würden. Er brachte daher einen
Abänderungsantrag ein, wonach die Anpassung der Bezüge öffentlicher Funktionäre bis 1. September
2013 und die Anpassung nach dem Bundesbezügegesetz bis 31. Dezember 2013 aufzuschieben wäre.
Abgeordneter Stefan PRÄHAUSER (S) wandte sich gegen Versuchen, die Gehälter der PolitikerInnen "nach
unten zu lizitieren", wie er sich ausdrückte. PolitikerInnen leisteten gute Arbeit für Österreich,
diese solle auch entsprechend respektiert und finanziell abgegolten werden. Die Funktionäre der Freiheitlichen
würden immer wieder zeigen, dass sie sich privat selbst nicht an die Forderungen halten, die sie öffentlich
aufstellen.
Abgeordneter Werner KOGLER (G) meinte, er könne sich vorstellen, dass man alle fünf bis zehn Jahre grundsätzlich
über die angemessene Höhe von Politikerbezügen diskutiere, und wie sie anzupassen seien. Es sollte
das nicht jedes Jahr wieder in Streit ausarten. Die Nulllohnrunden der letzten Jahre summierten sich auf eine Kürzung
der Politikerbezüge von 10 %, auch das gehöre zum Gesamtbild, das zu sehen sei. Es sei eine Initiative
der Grünen gewesen, weshalb die Erhöhung nicht 2,8 % betrage, entsprechend der Inflationsrate, sondern
sich an den Pensionserhöhungen von 1,8 % ausrichte. Die Freiheitlichen hätten dieser Regelung selbst
zugestimmt, um sie nun öffentlich anzugreifen. Das sei nichts anderes als "Theater", sagte Kogler.
Abgeordneter Josef LETTENBICHLER (V) sprach sich für eine rationale Argumentation in der Frage der Politikerbezüge
aus. Es sollte daraus nicht politisches Kleingeld geschlagen werden, wie es die FPÖ versuche. Politische Arbeit
habe einen Wert und sollte auch adäquat abgegolten werden. FPÖ und BZÖ versuchten, der Bevölkerung
etwas vorzumachen, sie würden sich in den Bundesländern nicht an das halten, was sie im Parlament einforderten,
meinte der Abgeordnete
Von "verlogener" Diskussion und "Scheinheiligkeit"
Abgeordneter Josef BUCHER (B) warf SPÖ und ÖVP vor, das Wort Solidarität in verlogener Weise zu
strapazieren, gegenüber der Bevölkerung Österreichs aber stets unsolidarisch zu sein. Es gebe kaum
Abgeordnete, die keine Zweitjobs hätten und nur über das Abgeordnetengehalt verfügen. Es sei in
den Zeiten der Krise eine moralische Verpflichtung, einen Solidarbeitrag der Politik zu leisten. Das BZÖ werde
jedenfalls keine Erhöhung der Politikergehälter mittragen.
Nationalratspräsidentin Barbara PRAMMER erteilte Abgeordnetem Bucher für den Ausdruck "verlogen"
einen Ordnungsruf.
Abgeordneter Jochen PACK (V) meinte, es werde nie möglich sein, es der Opposition in Fragen der Politikergehälter
recht zu machen. Der Vorwurf, sie seien zu hoch, werde immer erhoben werden. Eine sachliche Debatte sollte der
politischen Arbeit die entsprechende Wertschätzung zukommen lassen.
Abgeordneter Christoph HAGEN (T) meinte, Geld sei nicht der einzige Faktor der Wertschätzung politischer Arbeit.
Es gehe auch nicht nur um diese Erhöhung, sondern es sei ja auch die Parteienförderung angehoben worden.
Den PensionistInnen und öffentlichen Bediensteten mute man zur selben Zeit ein Minus zu, das sei nicht nachvollziehbar.
Abgeordneter Peter WITTMANN (S) nannte die Diskussion "verlogen". Grundsätzlich gehe es darum, die
Unabhängigkeit der Politik zu wahren. Wolle man Abgeordnete nicht bezahlen, so riskiere man, dass sie von
Lobbyisten und Interessensvertretungen bezahlt würden. Im Übrigen koste der neue Klub Team Stronach das
Parlament viel mehr als die geplante Erhöhung der Abgeordnetenbezüge. Die Abgeordneten dieser Fraktion
seien also unglaubwürdig.
Nationalratspräsidentin Barbara PRAMMER ersuchte nochmals, Ausdrücke wie "verlogene Diskussion"
zu unterlassen.
Abgeordneter Herbert KICKL (F) sprach von einem "grauslichen Gesamtbild", das die Politik zeige. Gerade
erst sei, mit Unterstützung der Grünen, die Parteienförderung von SPÖ und ÖVP um ein Drittel
angehoben worden. Kickl warf namentlich den Abgeordneten Pilz und Cap vor, von Politikerprivilegien zu profitieren,
insbesondere von der Regelung der Alt-Politikerbezüge. Diese Regelung sei nichts anderes als eine "Abgeltung
für politisches Versagen" und gänzlich abzuschaffen, forderte er.
Nationalratspräsidentin Barbara PRAMMER ersuchte mit Nachdruck, auch bei einer scharf geführten Debatte
von persönlichen Diffamierungen Abstand zu nehmen.
In einer Tatsächlichen Berichtigung hielt Abgeordneter Werner KOGLER (G) gegenüber Abgeordnetem Herbert
Kickl fest, die Grünen hätten der Erhöhung der Parteienförderung nicht zugestimmt, und aufgrund
ihrer Initiative falle der Zuwachs der Politikerbezüge für nächstes Jahr geringer aus, als zuerst
vorgesehen.
Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G) wandte sich gegen das "rechtspopulistische Flagellantentum" der FPÖ
in der Frage der Politikerbezüge. Die Debatte sei von Scheinheiligkeit geprägt, dabei habe diese Partei
selbst Schmiergeldempfänger in ihren Reihen. Sie habe das große Projekt der Neuordnung der Bezugspyramide,
durch welche viele Privilegien abgeschafft worden seien, nicht mitgetragen. In den letzten 15 Jahren habe sich
aber eine Verschiebung der Relationen von Politikereinkommen in Bund und Ländern ergeben, hierauf sollte man
das Augenmerk richten, meinte Öllinger. Die Vorschläge der Freiheitlichen zu den Alt-Politikerpensionen
seien nicht realistisch, sie würden nur Manipulationen Tür und Tor öffnen.
Nationalratspräsidentin Barbara PRAMMER erteilte Abgeordnetem Karl Öllinger für die Ausdrücke
"Scheinheiligkeit" und "Schmiergeldempfänger" einen Ordnungsruf.
Abgeordneter Ernest WINDHOLZ (B) erinnerte daran, dass die versprochene Verkleinerung des Nationalrats nicht zustande
gekommen sei. Das BZÖ hätte diese mitgetragen. Klubobmann Bucher habe einen Solidarbeitrag der Politik
vorgeschlagen, dieser Vorschlag sollte ernst genommen werden. Die grundsätzliche Situation, mit denen die
Nulllohnrunden der letzten Jahre begründet wurden, bestehe weiterhin, eine weitere Nulllohnrunde der Politik
sei daher angemessen, hielt Windholz aus seiner Sicht fest
In einer zweiten Wortmeldung forderte Abgeordneter Christoph HAGEN (T) alle auf, Vorwürfe an das Team Stronach,
seine Abgeordneten seien "gekauft", entweder zu belegen oder zu unterlassen. Den Vorwurf, Abgeordnete
seien Vertreter von Lobbyisten-Interessen, gab er an die ÖVP zurück.
Auch Abgeordneter Hagen erhielt von NR-Präsidentin Barbara PRAMMER für den Begriff "Verlogenheit"
einen Ordnungsruf.
Gegenseitige Vorwürfe
Abgeordneter Heinz-Christian STRACHE (F) warf SPÖ, ÖVP und Grünen vor, die Sauberkeit und Selbstbeschränkung,
die sie einforderten, selbst nicht zu praktizieren. Sie seien stets bereit, den Interessen von Bankspekulanten
auf Kosten der Bevölkerung entgegenzukommen. Die Politik müsse gerade in Zeiten, wo die Lebenshaltungskosten
der einfachen Menschen ständig steigen, Solidarität üben. Nichts anderes forderten FPÖ und
BZÖ.
Abgeordneter Josef CAP (S) sprach von rechtspopulistischer Rhetorik in der Frage der Politikerbezüge. Die
Bevölkerung nehme FPÖ, BZÖ und Team Stronach diese nicht ab. Die Partei, in der diese drei Fraktionen
einmal vereint gewesen seien, habe in der Zeit ihrer Regierungsverantwortung gezeigt, wie wenig ernst sie ihre
eigene Rhetorik nehme. Parteien müssten, um effektive Interessensvertretung betreiben zu können, auch
über die entsprechenden Mittel verfügen, und dürften dabei nicht von der Gnade privater Financiers
abhängen.
Abgeordneter Robert LUGAR (T) stellte die Frage in den Raum, was denn daran so schlecht sei, wenn jemand wie Frank
Stronach sein eigenes Geld einsetzt, um in Österreich etwas zu bewegen. Grundsätzlich trat auch Lugar
für leistungsgerechte Bezahlung der Abgeordneten ein, schränkte aber ein, das Parlament leiste viel zu
wenig. Eine Gehaltserhöhung sei deshalb nicht in Ordnung, die Menschen seien mit der Leistung der Abgeordneten
unzufrieden. Lugar schlug das Einfrieren sämtlicher Gehälter und deren Überweisung auf ein Treuhandkonto
vor, bis die Abgeordneten zu einer Übereinkunft über die Lösung der zahlreichen anstehenden Probleme
des Landes finden. Erst soll Leistung gebracht werden, dann gibt es Geld – und nicht umgekehrt, lautete seine Forderung.
Abgeordneter Heinz-Christian STRACHE (F) qualifizierte Cap als "Oberprivilegienritter" und wies im Übrigen
sämtliche gegen die FPÖ gerichteten Vorwürfe zurück. Die Freiheitlichen hätten 2005 einen
Schnitt gemacht und für Sauberkeit in ihren Reihen gesorgt, betonte Strache und empfahl auch den anderen Parteien,
diesem Beispiel zu folgen. An die Adresse der Regierungsparteien gerichtet, bemerkte Strache, SPÖ und ÖVP
würden ihre eigenen Gagen erhöhen, bei der Bevölkerung aber sparen und darüber hinaus jeden
Versuch einer Aufklärung von Skandalen verhindern und Untersuchungsausschüsse abdrehen. Diese Politik
würden die Menschen schon längst zutiefst ablehnen, war der F-Klubchef überzeugt.
Abgeordneter Karlheinz KOPF (V) führte den Wohlstand in Österreich auf Rahmenbedingungen zurück,
die hierzulande besser sind als in den meisten anderen europäischen Staaten. Die Abgeordneten seien für
viele dieser positiven Rahmenbedingungen mitverantwortlich. Sie würden ihre Leistung mit bestem Wissen und
Gewissen erbringen und haben es daher nicht nötig, sich wechselseitig zu beschimpfen, stellte Kopf fest. Der
V-Klubobmann warf FPÖ, BZÖ und Team Stronach überdies sebstzerstörerisches und billig-populistisches
Verhalten vor und meinte, damit würden sich die OppositionspolitikerInnen letzten Endes auch selbst beschädigen.
Er jedenfalls habe vier Jahre lang auf eine Erhöhung verzichtet und sehe nun kein Problem, diese 1,8 % Gehaltszuwachs
zu rechtfertigen, bekräftigte Kopf.
Abgeordneter Robert LUGAR (T) betonte, er schätze die Arbeit der Abgeordneten nicht gering, es gehe aber vielmehr
um den Zusammenhang von Gehaltserhöhung und Leistung, wie es in der Privatwirtschaft ja auch selbstverständlich
sei. Als Faktum bezeichnete es Lugar, dass das Parlament nichts von all den angekündigten Reformen umsetzen
konnte. Die Leistung sei mangelhaft, es dürfe deshalb keine Gehaltserhöhung geben, folgerte er einmal
mehr.
Abgeordneter Dieter BROSZ (G) richtete die Frage an Lugar, welche Leistung er denn dafür erbracht habe, dass
er jetzt als Klubobmann des Teams Stronach 70 % mehr Gehalt beziehe.
Bei der Abstimmung wurde das Bezügebegrenzungsgesetz nach Ablehnung des FP-Abänderungsantrags in Dritter
Lesung mit 2/3-Mehrheit angenommen. Die unter diesem Themenblock verhandelten Anträge von FPÖ, Grünen
und BZÖ blieben jeweils in der Minderheit.
Keine Gnade gegenüber Sexualstraftätern im öffentlichen Dienst
Mit der Dienstrechts-Novelle 2012 geht man rigoros gegen jene vor, die wegen sexuellen Missbrauchs, Vergewaltigung
oder einer anderen vorsätzlichen Sexualstraftat rechtskräftig verurteilt wurden. Ihr Dienstverhältnis
gilt mit der Verurteilung automatisch als aufgelöst, und zwar unabhängig vom Strafausmaß, wobei
bereits eine Anklage zu einer zwingenden Suspendierung führt. Die gleichen Konsequenzen gibt es nach Verurteilungen
wegen Quälens oder Vernachlässigens unmündiger und wehrloser Personen oder eines Gefangenen sowie
wegen Folter. Zudem wird ein eigener Paragraph zur Ahndung von staatlicher Folter in das Strafgesetzbuch (§
312a) aufgenommen.
Neben diesen Bestimmungen wird etwa die Inanspruchnahme des "Papa-Monats" im öffentlichen Dienst
deutlich erleichtert. Der so genannte "Papa-Monat", der nach der Geburt eines Kindes einen bis zu vierwöchigen
unbezahlten Karenzurlaub ermöglicht, kann in Hinkunft nicht mehr aufgrund von wichtigen dienstlichen Interessen
untersagt werden. Die Novelle passierte den Nationalrat mit Mehrheit.
Mitverhandelt wurde außerdem eine Reihe von Oppositionsanträgen, die jedoch in der Minderheit blieben.
So fordert die FPÖ, die Rechte von Beschwerdeführern in Disziplinarverfahren zu stärken ( 1909/A[E])
und die Bestimmungen für Belehrungen und Ermahnungen von BeamtInnen zu präzisieren, um Willkür hintanzuhalten
( 1705/A). Das BZÖ macht sich für ein Streikverbot im öffentlichen Dienst ( 930/A[E]) und die umgehende
Abschaffung der sogenannten "Hacklerregelung" für BeamtInnen stark ( 1872/A).
Abgeordneter Peter FICHTENBAUER (F) sah keinen sachlichen Grund für die Einführung des § 312a StGB
und warnte vor einer Verunsicherung der ExekutivbeamtInnen durch die Formulierung eines Tatbestands der Einschüchterung.
Jeder halbwegs gewitzte Delinquent werde diesen Paragraphen rasch auswendig können und das vorgefertigte Anzeigeformular
betreffend Einschüchterung parat haben, gab Fichtenbauer zu bedenken.
Abgeordneter Otto PENDL (S) begrüßte die Regelung der Außerdienststellung als Folge von Verurteilungen
wegen Sexualdelikten und anderer besonders schwerwiegender Verbrechen und meinte, es tue dem öffentlichen
Dienst gut, wenn es klare Spielregeln gibt. In einem Abänderungsantrag forderte Pendl unter anderem die Ausdehnung
des Anspruchs auf Pflegeurlaub für eigene Kinder auch bei getrennten Haushalten.
Abgeordnete Daniela MUSIOL (G) lehnte die Dienstrechtsnovelle ab, kritisierte insbesondere die niedrigere Einstufung
der RichterInnen am Bundesverwaltungsgericht und sah darin eine Ungleichbehandlung gegenüber den RichterInnen
an ordentlichen Gerichten.
Abgeordneter Johann SINGER (V) begrüßte den vereinfachten Zugang zum Papa-Monat für Beamte und
die Ausweitung der Pflegefreistellung und unterstützte zudem ausdrücklich die Bestimmungen über
die Auflösung des Dienstverhältnisses bei besonders schwerwiegenden Delikten.
Abgeordneter Ernest WINDHOLZ (B) forderte eine Totalreform des öffentlichen Dienstes im Sinne einer schlanken
Verwaltung und eines Modernisierungsschubs und beklagte, sämtliche diesbezügliche Vorhaben der Regierung
seien nicht umgesetzt worden. Als Garant, "damit sich nur ja nichts ändert", bezeichnete er Präsident
Neugebauer.
Abgeordnete Angela LUEGER (S) bekannte sich zu den strafrechtlichen Bestimmungen der Novelle, begrüßte
den Papa-Monat und sah in der Pflegefreistellung einen Meilenstein.
Abgeordneter Christoph HAGEN (T) forderte in seiner Wortmeldung unter anderem eine Hacklerregelung speziell für
ExekutivbeamtInnen.
Zweiter Nationalratspräsident Fritz NEUGEBAUER (V) bezeichnete das vorliegende Paket als Ergebnis wochenlanger
ernsthafter sozialpartnerschaftlicher Verhandlungen für die vielen unterschiedlichen Bereiche des öffentlichen
Dienstes. Mit Nachdruck verteidigte er die Hacklerregelung für BeamtInnen, bedauerte aber, die falsche Benennung
der Maßnahme würde zu Missverständnissen und Diffamierungen führen. Zu den strafrechtlichen
Bestimmungen im Dienstrecht stellte Neugebauer fest, wer wegen derart verwerflicher, vorsätzlicher Delikte
rechtskräftig verurteilt wird, habe im öffentlichen Dienst nichts verloren.
Abgeordneter Werner HERBERT (F) wandte sich vehement gegen die neue disziplinarrechtliche Bestimmung der Dienstrechtsnovelle,
die er im Namen der FPÖ daher ablehnte. Die Regelung der zwingenden Suspendierung bei einer Anklage etwa wegen
eines Sexualdelikts komme einer "Vorverurteilung" gleich, die nicht dem rechtsstaatlichen Prinzip entspreche,
zeigte sich Herbert erbost. Generell sei die vorliegende Novelle säumig, endlich einheitliche Rahmenbedingungen
für öffentlich Bedienstete zu schaffen, monierte der F-Mandatar.
Für Abgeordneten Albert STEINHAUSER (G) war es unerklärlich, dass die FPÖ im Menschenrechtsausschuss
nicht für den von der UNO empfohlenen Anti-Folter-Paragraphen gestimmt hat, sei es doch dringend notwendig,
Österreichs hohe menschenrechtliche Standards auch im Strafrecht zu verankern. Hinsichtlich der Sanktionierung
von Straftaten durch BeamtInnen sprach sich der G-Mandatar dafür aus, einen Amtsverlust an die Strafhöhe
nach einer Verurteilung zu knüpfen, anstatt einzelne Deliktsgruppen herauszugreifen, und so Ungleichbehandlungen
zu vermeiden. Seine Fraktion werde folglich der Dienstrechtsnovelle keine Zustimmung erteilen, erklärte Steinhauser.
Abgeordneter Christian LAUSCH (F) brachte den Anstieg an Mahnungen Bediensteter durch ihre Vorgesetzen, der in
den letzte Jahren an vielen Dienststellen zu beobachten gewesen sei, zur Sprache und wertete diesen Vorgang als
"Erziehungsmittel", das mit dem Rechtsstaat nicht vereinbar sei. BeamtInnen würden durch Mahnungen,
die in ihrem Personalakt aufscheinen, das gesamte Berufsleben lang "angepatzt", war Lauschs Kritik.
Er weise die Aussage Steinhausers, die FPÖ sei gegen eine Anti-Folter-Regelung, auf das Schärfste zurück,
meldete sich Abgeordneter Peter FICHTENBAUER (F) zu Wort und verwies darauf, dass Folter gemäß österreichischem
Recht bereits strafbar sei.
Heinisch-Hosek: Neues Dienstrecht muss noch ein wenig warten
Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele HEINISCH-HOSEK unterstrich, wie jedes Jahr
sei in der vorliegenden Dienstrechtsnovelle auf die Bedürfnisse der verschiedenen Gruppen im Öffentlichen
Dienst Bedacht genommen worden. Erfreut nehme sie in diesem Zusammenhang den Abänderungsantrag zur Pflegefreistellung
zur Kenntnis. Österreich habe eine "schlanke Verwaltung", hielt Heinisch-Hosek fest und dankte den
öffentlich Bediensteten, dass sie trotz Aufnahmestopps und dem Abbau von Planstellen in der allgemeinen Verwaltung
weiterhin im Dienste der BürgerInnen arbeiteten. Zur Verschärfung der Strafbestimmungen bei Sexualdelikten
und Folter sagte die Bundesministerin, mit der Suspendierung eines/r Beamten/in nach einer Anklage durch den Staatsanwalt
werde die Reputation des Öffentlichen Dienstes geschützt.
Positiv wertete sie den Zuspruch zum Papa-Monat in der öffentlichen Verwaltung, obwohl in diesem Zeitraum
keine Gehaltszahlung erfolge, und betonte, mit der Novelle werde die Inanspruchnahme dieser Form der väterlichen
Kinderbetreuung vereinfacht.
Der Öffentliche Dienst verbessere sich laufend, da Bedienstete mobiler würden und sich aus eigenem Antrieb
weiterbildeten, befand Heinisch-Hosek. Sie sprach sich zwar klar für ein einheitliches Dienstrecht mit höheren
Einstiegsgehältern aus, gab jedoch zu bedenken, dass dies auf Grund des derzeitig straffen Finanzrahmens nicht
sofort umzusetzen sei. Dennoch liefen bereits Verhandlungen, zumindest ein allgemeines LehrerInnen-Dienstrecht
zu schaffen, so Heinisch-Hosek.
Der Abänderungsantrag zur Pflegefreistellung öffentlich Bediensteter, eingebracht durch SPÖ und
ÖVP, fand mehrheitliche Zustimmung. Die Regierungsvorlage zur Dienstrechtsnovelle wurde ebenso von der Mehrheit
angenommen, wobei in dritter Lesung von 159 abgegebenen Stimmen 100 ihre Unterstützung aussprachen und damit
die Mehrheit gegeben war.
|