Brenner veranlasst Entlassung sowie Anzeige bei der Staatsanwaltschaft und will Reform sämtlicher
Kontrollen
Salzburg (lk) - Die im Land Salzburg für Finanz- und Budgetangelegenheiten zuständige Referatsleiterin
hat vermutlich ab 2001 eigenmächtig risikoreiche Finanzgeschäfte im Namen des Landes betrieben. Aus diesen
Geschäften entstanden in den Jahren 2006 und 2007 Buchverluste, die von der verdächtigen Finanzmanagerin
in der Buchhaltung versteckt wurden. Dafür hat sie mutmaßlich auch Protokolle und Unterschriften gefälscht.
Weder ihre Vorgesetzten, der Finanzbeirat des Landes noch der Landesrechnungshof und der Rechnungshof des Bundes
haben diese Geschäfte bei ihren Prüfungen gefunden. Um nicht entdeckt zu werden, hat die Mitarbeiterin
überdies die jeweiligen Finanzlandesräte über den Zustand des Finanzmanagements getäuscht.
Aufgeflogen ist die Mitarbeiterin, weil Finanzreferent Landeshauptmann-Stellvertreter Mag. David Brenner seit Sommer
konkreten Hinweisen nachgegangen ist. Das hat die Finanzmanagerin am 26. November 2012 zu einem Geständnis
gedrängt: Nach ihren eigenen Angaben ist ein rechnerisches Minus von etwa 340 Millionen Euro entstanden, das
jedoch nach Auskunft der Experten nach heutigem Stand keine negative Auswirkung auf das Landesbudget habe.
Landeshauptmann-Stellvertreter Brenner hat die Entlassung der Mitarbeiterin veranlasst sowie den Landesrechnungshof
eingeschaltet. Auch der Rechnungshof wird informiert. Ebenso hat er die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft eingebracht.
Weiters will Brenner eine komplette Neustrukturierung des Finanzmanagements und der Kontrollen. Der für kommenden
Mittwoch, 12. Dezember, geplante Budgetbeschluss im Landtag sei dadurch nicht gefährdet.
"Sie alle kennen mich als absoluten Verfechter von Transparenz in der Politik, gerade wenn es um die Finanzen
und damit um die Gelder der Steuerzahler und Steuerzahlerinnen geht", eröffnete Finanzreferent Brenner
am 06.12. ein Informationsgespräch über einen mutmaßlichen Kriminalfall in der Finanzabteilung
des Landes Salzburg. Gemeinsam mit dem Leiter der Finanzabteilung, Hofrat Dr. Eduard Paulus und dem Direktor des
Landesrechnungshofs, Dr. Manfred Müller, informierte Brenner dabei über den aktuellen Erkenntnisstand.
"Ich habe heute nach einer Woche härtester Arbeit und Recherchen die Aufgabe, sie darüber zu informieren,
dass eine führende Mitarbeiterin der Finanzabteilung des Landes vermutlich seit mehr als einem Jahrzehnt und
damit über drei Legislaturperioden und unter drei Finanzlandesräten alle Kontrollinstanzen und Sicherheitssysteme
des Landes und der Republik ausgehebelt hat. Sie hat dabei Finanzgeschäfte getätigt, zu denen sie nicht
berechtigt war. Sie hat Geschäfte abgeschlossen, die sie innerhalb der Abteilung verschwiegen hat. Und nach
unserem Wissensstand hat sie Protokolle des Finanzbeirats gefälscht, um den Rechnungshof und den Landtag zu
täuschen. Damit nicht genug: In mehreren Fällen müssen wir davon ausgehen, dass sie Unterschriften
gefälscht hat, um das Vier-Augen-Prinzip für Geschäftsabschlüsse zu umgehen", schilderte
Brenner, der heute auch seine Regierungskollegen und die Klubchefs der Landtagsfraktionen in Kenntnis gesetzt hat.
Zur Vorgeschichte: Im Jahr 2001 wurde vom damaligen Finanzreferenten das Finanzmanagement für ein aktives
Schuldenmanagement eingeführt. Die ab dieser Zeit für das Finanzmanagement zuständige Mitarbeiterin
erhielt vom Finanzreferent im Februar 2003 eine Vollmacht, mit der sie auch Derivatgeschäfte eingehen konnte.
Um diese Transaktionen zeichnen zu können, benötigte sie immer die Unterschrift eines zweiten Mitarbeiters.
Vermutlich in den Jahren 2006 und 2007 entstanden aus den von der Finanzmanagerin abgeschlossenen Geschäften
Buchverluste. Nach heutigem Stand könnte nach den Angaben der Finanzmanagerin aus den Geschäften bisher
ein rechnerisches Minus von derzeit 340 Millionen Euro entstanden sein, das aber nach heutigem Wissen keine negative
Auswirkung auf das Landesbudget hat.
Um nicht entdeckt zu werden, hat die Finanzmanagerin laut ihren eigenen Aussagen die Buchverluste jahrelang in
der sogenannten "Durchlaufenden Gebarung" des Landes verborgen und sowohl Politik als auch Rechnungshof
mit falschen Berichten getäuscht. Weil sie die Buchverluste aufholen wollte, ging die Finanzmanagerin zahlreiche
Geschäfte ein, ohne darüber ihre Vorgesetzten, den eigens zur Genehmigung solcher Geschäfte eingerichteten
Finanzbeirat oder den jeweils zuständigen Finanzreferent zu informieren.
Dabei hat die Mitarbeiterin nach derzeitigem Kenntnisstand auch Veranlagungen für den 2002 zur Ersparnis von
der Kapitalerstragssteuer (KESt) gegründeten "Versorgungs- und Unterstützungsfonds" des Landes
(VuF) vorgenommen, die nicht den Richtlinien entsprechen. Für diesen Fonds hat sie kurzfristige Kredite (sogenannte
"Barvorlagen") aufgenommen. Mit den Darlehen hat die Finanzmanagerin dann Wertpapiere gekauft. "Nach
den vorliegenden Informationen kann man allerdings davon ausgehen, dass dem Land bis heute dadurch kein wirtschaftlicher
Schaden entstanden ist. Dennoch wird jetzt jedes dieser Geschäfte überprüft", so Brenner.
Aufgeflogen ist die Mitarbeiterin, weil Landeshauptmann-Stellvertreter Brenner ab Sommer konkreten Hinweisen nachgegangen
ist: Am 17. Juli 2012 wurde Brenner darüber informiert, dass die Finanzmanagerin ein Geschäft abgeschlossen
hat, das nicht den Richtlinien entsprochen hat. Noch am gleichen Tag hat Brenner die Weisung erteilt, ihr die Handlungsvollmacht
zu entziehen und von der zuständigen Abteilung einen umfangreichen Bericht über das Finanzmanagement
angefordert. Die Mitarbeiterin wurde daraufhin bis 17. September 2012 beurlaubt. Nach ihrer Rückkehr blieben
ihr die Handlungsvollmachten für derartige Geschäfte weiterhin entzogen.
Als ein Ergebnis der von Brenner angeordneten Untersuchungen wurde er am 15. Oktober darüber informiert, dass
Geschäfte bestehen, die gegen die Richtlinien des Finanzmanagements verstoßen. Brenner erteilte daraufhin
die Weisung, diese Geschäfte sofort aufzulösen.
Darüber hinaus gab Finanzreferent Brenner im November den Auftrag, zu prüfen, ob ein völliger Ausstieg
aus dem Finanzmanagement möglich ist und welche Kosten damit verbunden wären. Bei dieser Prüfung
hat die Mitarbeiterin am 26. November 2012 gestanden, über viele Jahre Buchverluste versteckt zu haben. "Nach
einer Woche intensiver Nachforschungen haben sich die Verdachtsmomente so weit erhärtet, dass ich heute ihre
Entlassung in die Wege geleitet und die Staatsanwaltschaft eingeschaltet habe", so Brenner.
Als "besonders bestürzend" bezeichnet Landeshauptmann-Stellvertreter Brenner den Umstand, dass die
Finanzmanagerin sogar den Landesrechnungshof bei seinen jährlichen Prüfungen des Jahresabschlusses und
den Rechnungshof des Bundes bei zwei Sonderprüfungen von genau diesen Geschäften hinters Licht führen
konnte. Dr. Manfred Müller, Direktor des Landesrechnungshofs: "Die Finanzmanagerin hat alle Kontrollen
getäuscht. Dafür muss sie viel Energie aufgewendet haben, sonst wäre das nicht möglich gewesen.
Dem Landtag waren ihr Fleiß und ihre fachliche Brillanz seit Jahren bekannt."
Sogar der heute veröffentlichte Bericht des Rechnungshof des Bundes stellt der Finanzmanagerin ein gutes Zeugnis
aus. "Seit gestern müssen wir annehmen, dass sie das mithilfe von falschen Angaben und Protokollfälschungen
zuwege gebracht hat", so der zuständige Leiter der Finanzabteilung des Landes, Hofrat Dr. Eduard Paulus.
"Das tatsächliche Ausmaß ist uns derzeit nicht bekannt. Wir arbeiten aber mit Hochdruck und in
enger Abstimmung mit externen Experten daran, alle Unterlagen auszuwerten. Derzeit wird auch die Suspendierung
jenes Mitarbeiters der Finanzmanagerin geprüft, der Geschäfte gegengezeichnet hat", so Paulus weiter.
Der Leiter der Finanzabteilung hat auf Anforderung von Brenner gestern, 5. Dezember, einen Bericht vorgelegt, in
dem das Fehlverhalten der Finanzmanagerin vorläufig analysiert wurde. Der Mitarbeiterin sei laut Bericht folgendes
Fehlverhalten vorzuwerfen:
- Falschinformation der Vorgesetzten, der Rechnungshöfe und des Finanzbeirats
sowie der Rechenstelle der Deutschen Bank in Frankfurt über den Abschluss von Derivatgeschäften;
- Fälschung der Unterschrift eines Mitarbeiters auf mehreren Verträgen,
damit Verletzung des Vier-Augen-Prinzips;
- Klarer Verstoß gegen geltende Anweisungen;
- Nichteinhaltung der Limits der vom Finanzressortchef genehmigten "Richtlinien
für das Finanzmanagement des Landes Salzburg" vom 4. Juni 2007;
- Eventuell Verstoß gegen die vom Finanzressortchef genehmigten "Besonderen
Regeln für Veranlagungen" vom 10. Dezember 2010.
"Seit gestern Abend müssen wir davon ausgehen, dass sie in mehreren Fällen die Protokolle des Finanzbeirats
des Landes gefälscht und dem Rechnungshof des Bundes bei seinen Prüfungen vorgelegt hat. Auch mir selber
hat sie seit meinem Amtsantritt regelmäßig falsche Finanzberichte vorgelegt. Um die Sache ordentlich
aufzuklären, habe ich ein externes Expertenteam damit beauftragt, alles zu durchleuchten und gestern den Landesrechnungshof
miteinbezogen. Es wird jedes Blatt umgedreht", berichtete Brenner über den aktuellen Stand der Ermittlungen.
Brenner wird der Landesregierung am kommenden Montag einen Antrag vorlegen, nach dem ergänzend zur internen
Kontrolle und zur Sonderprüfung des Rechnungshofs auch ein externes "forensisches Expertenteam"
zur finanztechnischen Untersuchung beigezogen wird. Dieses Team soll sämtliche Vorgänge rund um das Finanzmanagement
rückwirkend bis 2001 detailliert prüfen. "Erste Ergebnisse dieser Untersuchung möchte ich Ende
Jänner am Tisch haben", kündigt Brenner an.
"Außerdem werden wir das gesamte Veranlagungsmanagement auf neue Beine stellen. Ich strebe an, dass
das Land Salzburg aus allen risikoreichen Geschäften kontrolliert aussteigt und keine neuen Risiken eingegangen
werden", erklärte Landeshauptmann-Stellvertreter Brenner seine weiteren Schritte. Ebenso will der Finanzreferent
eine komplette Neuorganisation der internen Kontrollsysteme und eine Überprüfung des Vier-Augen-Prinzips
für Verträge, "denn auch das hat offensichtlich nicht funktioniert".
"Sobald es neue Fakten gibt, werde ich die Öffentlichkeit umgehend informieren. Die Salzburgerinnen und
Salzburger haben ein Recht darauf, alle Details zu erfahren, denn es geht schließlich um Steuergelder. Wir
alle wurden anscheinend systematisch getäuscht und hinters Licht geführt - die Vorgesetzten, die Kontrollinstanzen
und genauso die Politik", so Brenner abschließend.
Es wird festgehalten, dass für die Mitarbeiterin die Unschuldsvermutung gilt.
Die Sofortmaßnahmen von Landeshauptmann-Stellvertreter Brenner im Überblick
- Volle Einbindung des Landesrechnungshofs;
- Information an den Rechnungshof des Bundes, damit auch er in dieser Causa aktiv
werden kann;
- Anzeige an die Staatsanwaltschaft;
- Beauftragung eines externen Experten-Teams, das bereits die Untersuchungen aufgenommen
hat;
- Bestellung eines zusätzlichen "Forensic Teams" in Abstimmung mit
dem Landesrechnungshof;
- Veranlassung, die betreffende Mitarbeiterin zu entlassen;
- Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den zweiten Mitarbeiter;
- Sicherung sämtlicher Unterlagen für die Untersuchungen;
- Information an Landeshauptfrau Mag. Gabi Burgstaller, Landeshauptmann-Stellvertreter
Dr. Wilfried Haslauer, Personalreferent Landesrat Sepp Eisl sowie an den Klubvorsitzenden Mag. Ing. Roland Meisl
(SPÖ), Klubobfrau Mag. Gerlinde Rogatsch (ÖVP), Klubobmann Dr. Karl Schnell (FPÖ) und Cyriak Schwaighofer
(Grüne).
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