Wien (universität) - Infolge der Kernwaffentests der 1960er Jahre wurden große Mengen von
Uran-236 weltweit freigesetzt. Stephan Winkler, Isotopenforscher am VERA-Labor der Universität Wien, konnte
nun erstmals dieses radioaktive Isotop – das bisweilen als nicht messbar galt – in Korallen aus der Karibischen
See nachweisen. Da sich Uran-236 in Salzwasser löst, wandert es mit den Meeresströmungen mit und wird
dadurch zu einem interessanten "Werkzeug" für die Klima- und Meeresforschung. Winkler publiziert
dazu aktuell in der Fachzeitschrift "Earth and Planetary Science Letters" (EPSL).
Durch die atmosphärischen Kernwaffentests der 1950er und 1960er Jahre wurden viele künstliche radioaktive
Isotope produziert und weltweit verbreitet. Davon ist Uran-236 eines der häufigsten, sein Nachweis ist jedoch
so schwierig, dass es bis vor kurzem nicht gemessen werden konnte. Mit Hilfe des für den Nachweis schwerer
Ionen speziell optimierten Vienna Environmental Research Accelerators (VERA) der Universität Wien konnte jetzt
der "Bomben-Puls" von Uran-236 erstmals in Korallen aus der Karibischen See nachgewiesen werden.
Korallen mit Jahresringen
Ähnlich wie Bäume Ringe bilden, zeigen manche Korallenarten Jahresringe in ihrem Kalkskelett. Darin wird
mit jährlicher Auflösung die Zusammensetzung des Urans im Ozean "aufgezeichnet". Die Analyse
der Korallen ermöglicht also nicht nur die Messung des heutigen Uran-236-Gehalts, sondern macht es auch möglich,
die Chronologie der einzelnen Kernwaffentests rückblickend zu rekonstruieren.
Erforschung der Meeresströmungen mit Uran-236
"Im Vergleich mit anderer, vom Menschen verursachter Kontamination ist Uran-236 nur sehr schwach radioaktiv
und spielt daher für die Strahlenbelastung keine Rolle. Uran ist im Salzwasser gut löslich und wandert
mit den Meeresströmungen mit. Das macht Uran-236 zu einem idealen 'Werkzeug' für die Meeresforschung",
erklärt Stephan Winkler, Erstautor der Studie und Isotopenforscher am VERA-Labor der Universität Wien.
Die Kenntnis der Meeresströmungen ist für die Klimaforschung von großer Bedeutung, da die Ozeane
Wärme speichern und über weite Strecken transportieren.
Die größten atmosphärischen Tests fanden 1962 statt. Das in der Atmosphäre erzeugte Uran-236
fiel innerhalb von zwei Jahren fast vollständig aus. Das generelle Muster der globalen Verteilung ist von
anderen Radioisotopen bekannt. Der "Fall-out" – so wird der Niederschlag der Radioisotope aus den Kernwaffentests
bezeichnet – ist recht ungleich auf beiden Hemisphären verteilt: Auf die nördliche Hemisphäre fiel
etwa vier Mal so viel Uran-236 als auf die südliche – ein Effekt, der die Untersuchung des Wasseraustausches
zwischen den Hemisphären stark begünstigt.
Der für die Studie gewählte Bohrkern stammt vom Turneffe Atoll der Karibischen See. Dieser Ort ist zwar
auf der nördlichen Hemisphäre, Meeresströmungen tragen aber Wassermassen aus dem Südatlantik
zu. Dieser Effekt ist in den Messergebnissen zu sehen. Tatsächlich nahm die Uran-236-Konzentration in der
Karibischen See in den ersten zehn Jahren nach den Kernwaffentests schneller ab, als das durch Diffusion also das
Vermischen von Wasser und Uran-236 – in der Tiefe möglich wäre. Der Effekt lässt sich durch das
Einströmen von Wassermassen aus der Südhalbkugel erklären.
Publikation in Earth and Planetary Science Letters" (EPSL)
Bomb fall-out 236U as a global oceanic tracer using an annually resolved coral core: Stephan R. Winkler, Peter
Steier, Jessica Carilli. 15. Dezember 2012.
|