Aktuelle Stunde im Bundesrat
Wien (pk) - Mit einer Tagesordnung von 50 Punkten setzte der Bundesrat am 20.12. den Schlusspunkt der parlamentarischen
Sitzungen vor Weihnachten. Zur Diskussion standen neben den letzten Beschlüssen des Nationalrats auch zahlreiche
Berichte. Die Sitzung wurde mit einer Aktuellen Stunde zum Thema "Europäische Perspektiven: Nächste
gemeinsame Schritte für Wachstum, Beschäftigung und sozialen Frieden" eingeleitet. Bundeskanzler
Werner Faymann diskutierte mit den Bundesrätinnen und Bundesräten über die Herausforderungen für
die EU und die weiteren Schritte zur Bewältigung der Krise.
Am Beginn der Sitzung wurde Stefan Posch (Liste FRITZ) als neues Mitglied der Länderkammer angelobt, nachdem
Bundesrat Stefan Zangerl sein Mandat niedergelegt hatte.
Europäische Union: Probleme und Chancen
Bundesrat Gerald KLUG (S/St) war überzeugt davon, dass Österreich von seiner EU-Mitgliedschaft seit Anbeginn
erheblich profitiert habe. Durch die Europäische Union habe Österreich nicht nur Zugang zu einem riesigen
Binnenmarkt, sie sorge auch dafür, dass die südlichen und östlichen Nachbarstaaten demokratisiert
und stabilisiert werden. Außerdem würden durch die EU erstmals europaweite Mindeststandards im Sozial-
und im Umweltbereich festgelegt, hob Klug hervor. Es sei unbestritten, dass Österreich selbst in Zeiten der
Krise einen Gewinn aus seiner Mitgliedschaft ziehe. Diese Fakten sollten endlich auch von der Opposition zur Kenntnis
genommen werden, forderte der S-Mandatar.
Klar sei aber auch, dass Europa vor großen Herausforderungen stehe, da die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise
überwunden und die gemeinsame Währungsunion zukunftsfähig gemacht werden müssen, fuhr Klug
fort. Mittlerweile sei allen in Europa klar geworden, dass Sparen allein nicht aus der Krise führe, urteilte
er. Vielmehr brauche es eine Kombination aus intelligenter Budgetkonsolidierung und Investitionen in Wachstum und
Beschäftigung, was von Bundeskanzler Faymann auf europäische Ebene immer wieder urgiert und dort schließlich
auch akzeptiert wurde. Der österreichische Weg spiegle diese Position klar wieder, da seit längerem eine
– erfolgreiche - Politik der nachhaltigen Einsparungen, der zukunftsorientierten Investitionen und der gerechten
Steuermaßnahmen verfolgt werde. Aus diesem Grund setzt sich Österreich auf EU-Ebene auch besonders für
den Ausbau der Forschung, der Entwicklung und Bildung sowie der transeuropäischen Infrastrukturprojekte und
der nachhaltigen Arbeits- und Beschäftigungsmaßnahmen ein. Ein besonderes Anliegen aller EU-Staaten
müsse es zudem sein, die vor allem in den südlichen Ländern exorbitant hohe Jugendarbeitslosigkeit
zu bekämpfen, forderte Klug. Eine europaweite Ausbildungsgarantie nach österreichischem Vorbild könnte
dafür eine Lösung sein, schlug er vor.
Klug verteidigte sodann die Hilfsmaßnahmen für Griechenland, da ein Zusammenbruch der Euro-Zone verheerende
Auswirkungen gehabt hätte. Es sei aber klar, dass Griechenland selbst große Anstrengungen unternehmen
müsse. Schließlich wies Klug darauf hin, dass Bundeskanzler Faymann nicht nur bei den Verhandlungen
über das Agrarbudget, sondern auch in Bezug auf die mögliche Einführung einer Finanztransaktionssteuer
beachtliche Erfolge verbuchen konnte, da mittlerweile zwölf Staaten mit ins Boot geholt worden seien.
Wer die europäische Union in Frage stellt, verschließe die Augen vor der Realität, die durch eine
zunehmende Globalisierung geprägt ist, meinte Bundesrätin Angelika WINZIG (V/O). Aufgrund des wirtschaftlichen
Aufstiegs von Ländern wie China und Indien einerseits sowie aufgrund der Überalterung der Gesellschaft
in Europa andererseits, sei die EU gefordert, noch stärker zusammenzuwachsen, war Winzig überzeugt. Von
besonderer Wichtigkeit sei eine funktionierende Wirtschafts- und Währungsunion, um den globalen Herausforderungen
durch andere Kontinente und einem nach wie vor ungeregelten weltweiten Finanzsystem entgegenzuwirken. Der Europäische
Rat habe daher auch Mitte 2010 die EU 2020-Strategie beschlossen, um intelligentes, nachhaltiges und integratives
Wachstum zu fördern. Österreich habe sich dabei sehr ambitionierte Ziele gesetzte, wie etwa die Erhöhung
der Beschäftigungsquote oder Ausbau der Forschungs- und Entwicklungsausgaben.
Ein besonderes Anliegen ist ihr die Unterstützung der kleineren und mittleren Betrieben, die nur in einem
Umfeld gedeihen können, das die Umsetzung von innovativen Ideen und Unternehmensgründungen begünstigt.
Sie zeigte sich daher sehr erfreut darüber, dass aufgrund der Initiative des Vizekanzlers bei der letzten
Regierungsklausur in Laxenburg ein Arbeits- und Unternehmerpaket beschlossen wurde. Wichtig wären jetzt noch
weitere Schritte in Richtung einer Verwaltungsreform, einer Arbeitszeitflexibilisierung und eines leistungsgerechten
Steuersystems, forderte Winzig abschließend.
Bundesrätin Monika MÜHLWERTH (F/W) analysierte die aktuelle Lage in der EU und kam zum Schluss, dass
vor allem junge Menschen angesichts der hohen Arbeitslosenraten in manchen Ländern derzeit wenig Perspektiven
haben. Auch das Wirtschaftswachstum sei EU-weit eher mager, urteilte die FPÖ-Mandatarin. Diese Probleme bedrohten
natürlich auch den sozialen Frieden, wie man an zahlreichen Protesten und Demonstrationen in verschiedenen
Staaten bereits sehen könne.
Wenn man die Situation in Österreich betrachte, dann sei hier auch nicht alles so rosig, wie oft gern von
Regierungsseite verbreitet werde, stellte Mühlwerth fest. Die Schulden belaufen sich auf immerhin 75 % der
heimischen Wirtschaftsleistung, zeigte sie auf, wobei die öffentlichen Haftungen (z.B. für die ÖBB,
Asfinag, BIG etc.) und Garantien in der Höhe von etwa 100 Mrd. € (laut Eurostat), für die der Steuerzahler
gerade stehen müsse, noch nicht berücksichtigt seien. Dennoch stehe die Haushaltsdisziplin nicht ganz
oben auf der Prioritätenliste der Bundesregierung, kritisierte die Rednerin. Ablehnend äußerte
sie sich hinsichtlich des Vorschlags, eine so genannten Reichensteuer einzuführen, weil damit nur der Produktionsstandort
unattraktiv gemacht werde und die UnternehmerInnen in andere Länder ausweichen.
Faymann: Gemeinsame Lösungen sind gefragt
In seiner einleitenden Stellungnahme erinnerte Bundeskanzler Werner FAYMANN zunächst an die Überreichung
des Nobelpreises an die EU, den alle Bürger und Bürgerinnen Europas erhalten haben. Dadurch sei klar
zum Ausdruck gekommen, auf welchem primären Prinzip die Gründung der Union basierte, nämlich dem
friedlichen Zusammenleben aller Völker in Europa. Gerade die ökonomisch schwierigen Zeiten in den letzten
Jahren hätten gezeigt, dass ein Land allein nicht in der Lage ist, die ursächlichen Probleme an der Wurzel
zu packen. Es sei wirklich bedauerlich, dass durch die Finanzmarktkrise so viele Mittel vernichtet wurden, die
man für die Bekämpfung der Armut oder für Investitionen in Bildung und Beschäftigung dringend
gebraucht hätte, sagte der Bundeskanzler.
Gemeinsame Lösungen seien daher gefragt, wie etwa die Installierung einer europäischen Bankenaufsicht,
die Beschränkung von Wettgeschäften an der Börse oder die Einführung einer Finanztransaktionssteuer,
machte der Bundeskanzler geltend. Faymann räumte jedoch ein, dass es aufgrund der großen Unterschiede
in den Bereichen Wirtschaftsleistung, Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitslosigkeit oder Lebensstandard in den einzelnen
EU-Staaten nicht leicht sei, die richtigen Maßnahmenpakete zu schnüren. Völlig abzulehnen seien
aber sicherlich jene Vorschläge, die darauf abzielen, einzelne Länder aus der Euro-Zone rauszuschmeißen,
unterstrich der Bundeskanzler, da dies u.a. zu Massenarbeitslosigkeit und Massenarmut führen würde.
Abschließend verwies Faymann auf die zahlreichen Vorteile, die Österreich als kleines, exportorientiertes
Land aus seiner EU-Mitgliedschaft zieht. Den Bundesräten gegenüber betonte er noch, dass er sich auf
EU-Ebene immer für die Förderung des ländlichen Raums sowie die Stärkung der Regionen eingesetzt
habe, denn diese Faktoren machten die Besonderheit Europas erst aus.
Europa ist mehr als eine Währung
Bundesrat Marco SCHREUDER (G/W) betonte, es sei wichtig, dass der Bundesrat EU-Themen intensiv diskutiere. Gerade
jetzt stehe die Zukunft der Europäischen Union zur Disposition. Der politische Kampf spiele sich dabei zwischen
zwei Polen ab. Auf der einen Seite sah Schreuder die nationalistischen Kräfte, die sich zunehmend isolieren
wollten, auf der anderen Seite jene, die für die Umwandlung Europas in einen echten Bundesstaat eintreten.
Zur derzeitigen Krise merkte er an, es sei unvermeidlich, dass es in einer Währungsunion zwischen Staaten
mit unterschiedlicher Exportleistung zu Ungleichgewichten komme. Die Frage sei daher, wie man diese ausgleichen
könne. Die Währungsunion sei etwas historisch Einmaliges, daher stehe sie vor vielen bisher ungelösten
Herausforderungen. Die entscheidende Frage dabei sei, ob man Europa auf eine Wirtschafts- und Währungsunion
beschränken könne, sagte der Bundesrat, und plädierte für eine Union, die gemeinsam gegen den
Klimawandel, für mehr Beschäftigung, die Stärkung der Demokratie sowie der Menschen- und Bürgerrechte
auftritt. "Europa ist mehr als eine Währung" schloss Schreuder.
Bundesrat Stefan SCHENNACH (S/W) sprach sich zu Beginn seiner Rede für die Erbschaftssteuer aus. Das Beispiel
Griechenlands zeige, wie wichtig es sei, dass die Superreichen ihren Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit leisten.
Schennach wandte sich gegen "antieuropäische Brandstifter", welche seiner Meinung nach die derzeitige
Verunsicherung auszunützen versuchten. Mit dem Schilling und auf sich allein gestellt hätte Österreich
die Krise der letzten Jahre sicher nicht bewältigt, war er überzeugt. Jetzt sei es wichtig, dafür
zu sorgen, dass nicht die jungen Menschen den Preis der Banken- und Wirtschaftskrise bezahlen müssen. Europa
brauche eine Beschäftigungsinitiative, damit seine Jugend an ein friedliches, gemeinsames Europa glauben könne.
Bundesrat Schennach lobte Bundeskanzler Werner Faymann dafür, dass er von Anfang an auf eine Finanztransaktionssteuer
gedrängt habe. Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und die Einführung
des dualen Ausbildungssystems in ganz Europa müssten nun ebenfalls so rasch wie möglich umgesetzt werden,
sagte Schennach.
Bundesrat Edgar MAYER (V/V) meinte ebenfalls, ohne die Gemeinschaftswährung wäre Österreich ein
Opfer der Spekulanten geworden. Die Finanztransaktionssteuer, für die sein Vorredner Bundeskanzler Faymann
so gelobt habe, sei im Übrigen von der ganzen österreichischen Bundesregierung mitgetragen worden, betonte
der Bundesrat. Der europäische Rat habe eine Reihe von Maßnahmen zur Vertiefung der Wirtschafts- und
Währungsunion beschlossen. Von besonderer Wichtigkeit seien dabei die Maßnahmen gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit,
die im Durchschnitt doppelt so hoch sei wie die Arbeitslosenrate der Erwachsenen. Europa laufe Gefahr, eine ganze
Generation zu verlieren, warnte Mayer. Österreich biete mit der dualen Ausbildung ein Best Practice Modell
für ganz Europa. Nicht zustimmen konnte Mayer der Forderung nach Eurobonds, denn diese würden eine Vergemeinschaftung
der Schulden bringen. Bevor es dazu komme, sei eine Stärkung der budgetären Kontrollmechanismen in Europa
nötig, meinte er. Österreich habe sein Budget eben erst in Ordnung gebracht, es bestehe kein Anlass,
sich neue Schulden aufzuhalsen.
Bundesrat Gerd KRUSCHE (F/St) warf Bundeskanzler Faymann und seinen Vorrednern vor, zum Thema Europa nur "Plattitüden
und hohle Phrasen" geboten zu haben. Gleichzeitig versuche man, aus der Diskussion jene auszugrenzen, die
berechtigte Kritik an dem Weg, den Europa derzeit gehe, üben. Das sei ein undemokratisches Verhalten, kritisierte
Krusche. Die FPÖ habe sich immer zur EU bekannt, sehe aber ihre derzeitige Form kritisch. Europa brauche mehr
direkte Demokratie, nicht Ausgrenzung, sagte Krusche. Die Jugendarbeitslosigkeit sei nicht die einzige tickende
Zeitbombe für den sozialen Frieden in Europa. Eine weitere Zeitbombe sei die hemmungslose Zuwanderung in die
EU. In Österreich stehe man vor großen Aufgaben bei der Stärkung der Kaufkraft und in der Verbesserung
der Bildungspolitik. Skeptisch zeigte sich der Bundesrat in der Frage, wie eine effektivere Bankenaufsicht geschaffen
werden könnte. Was er bisher dazu gehört habe, sei für ihn eher enttäuschend.
Bundeskanzler Werner FAYMANN betonte gegenüber seinem Vorredner, er trete stets für das Recht aller auf
freie Meinungsäußerung ein. Gegen antidemokratische Hetze werde er sich aber stets zu Wehr setzen. Die
Ausbildungsgarantie mit den überbetrieblichen Lehrwerkstätten sei als Ergänzung zur Ausbildung,
die in den Betrieben stattfinde, gedacht. Dieses System funktioniere in Österreich auch sehr gut. Auf europäischer
Ebene werde unser Land daher immer wieder als Vorbild genannt. Wir hätten daher allen Grund, stolz auf unser
Land zu sein, sagte Faymann. Gleichzeitig bleibe noch vieles zu tun, das im neuen Jahr engagiert angegangen werden
müsse.
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