Vorratsdatenspeicherung

 

erstellt am
19. 12. 12

VfGH hat Bedenken gegen Vorratsdatenspeicherung und wendet sich an EuGH
Wien (vfgh) - Der Verfassungsgerichtshof hat Bedenken, dass die EU-Richtlinie über die sogenannte Vorratsdatenspeicherung der EU-Grundrechtecharta widersprechen könnte. Die 14 Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter haben aus diesem Grund den Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingeschaltet und ihm Fragen zur Auslegung der EU-Grundrechtecharta vorgelegt.

Anlass für diese Vorgangsweise sind Anträge an den Verfassungsgerichtshof, die sich gegen behauptete Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes über die Vorratsdatenspeicherung richten. Die bekämpften gesetzlichen Bestimmungen sind in Umsetzung der Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie der EU beschlossen worden. Es haben sich bisher die Kärntner Landesregierung, ein Angestellter eines Telekommunikations-Unternehmens sowie zusammengefasst insgesamt über 11.000 Privatpersonen an den Verfassungsgerichtshof gewendet.

Die EU-Grundrechtecharta garantiert - wie die Europäische Menschenrechtskonvention und das in der österreichischen Verfassung verankerte Grundrecht auf Datenschutz - , dass jede Person das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten hat. Bei der Beurteilung der bekämpften Bestimmungen hat der Verfassungsgerichtshof auch die EU-Grundrechtecharta als Prüfungsmaßstab anzuwenden.

Dem Verfassungsgerichtshof ist bewusst, dass die Vorratsdatenspeicherung die Ermittlung, Feststellung und Verfolgung schwerer Straftaten zum Ziel hat. "Ungeachtet dessen bestehen Bedenken hinsichtlich der Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung an sich und der mit ihr notwendig verbundenen Folgen", so die 14 Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter in ihrem Beschluss.

"Die Vorratsdatenspeicherung betrifft fast ausschließlich Personen, die keinen Anlass für die Datenspeicherung gegeben haben. Die Behörden ermitteln ihre Daten und sind über das private Verhalten solcher Personen informiert. Dazu kommt das erhöhte Risiko des Missbrauchs", erklärt VfGH-Präsident Gerhart Holzinger zu den Bedenken. Und weiter: "Der Verfassungsgerichtshof ist verpflichtet, den EuGH einzuschalten, wenn er Zweifel an der Gültigkeit bzw. Auslegung von Unionsrecht hat. Wir haben Zweifel daran, dass die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit den Rechten, die durch die EU-Grundrechtecharta garantiert werden, wirklich vereinbar ist".

Zum weiteren Ablauf: Mit diesem Vorlagebeschluss an den EuGH ist das Verfahren unterbrochen. Nach der Beantwortung der Fragen durch den EuGH nimmt der Verfassungsgerichtshof die Beratungen wieder auf. Wie lange der EuGH für sein Verfahren braucht, lässt sich nicht abschätzen. Für das Jahr 2011 gibt der EuGH eine durchschnittliche Verfahrensdauer bei Vorabentscheidungsersuchen von 16,4 Monaten an.

Die Vorratsdatenspeicherung bleibt trotz des Vorlagebeschlusses bis auf weiteres in Kraft. Für den VfGH besteht nämlich keine Möglichkeit, dass er die entsprechenden Regelungen von sich aus vorläufig außer Kraft setzt.


 

Bures begrüßt Einschaltung des EuGH
Wien (bmvit) - Verkehrsministerin Doris Bures begrüßt die Einschaltung des EuGH durch den österreichischen Verfassungsgerichtshof (VfGH) zur Prüfung der EU-Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung. Bures hofft, dass dieser Schritt nun endgültige Klarheit darüber bringen werde, ob die EU-Richtlinie mit den Bestimmungen der EU-Grundrechtecharta vereinbar sei oder nicht. Dies sei umso wichtiger, als die Kommission gerade mit der Überarbeitung der Richtlinie beschäftigt sei.

Bures: "Mir als mit der Umsetzung im Telekommunikationsgesetz beauftragten Verkehrsministerin war der Gang zum EuGH verwehrt, da im Jahr 2006 die damalige Justizministerin Gastinger der Richtlinie zugestimmt hatte. Angesichts bestehender Zweifel habe ich mich aber bereits mehrfach für eine Überprüfung der EU-Richtlinie durch den zuständigen Rat für Justiz und Inneres ausgesprochen."

Die Vorratsdatenspeicherung sei eine hochsensible Materie, daher seien alle datenschutz- und grundrechtlichen Bedenken sehr ernst zu nehmen, so Bures. Österreich habe die Richtlinie so grundrechtssensibel wie nur möglich umgesetzt - und zwar unter Einbeziehung des Ludwig Boltzmann-Instituts für Menschenrechte. Solange der EuGH die EU-Richtlinie nicht aufhebt, ist sie gültiges EU-Recht und für alle Mitgliedstaaten verbindlich. Die nationale Umsetzung muss daher vorerst in Kraft bleiben.


 

Mölzer: EU-Pläne zur totalen Überwachung der Bürger müssen vereitelt werden
Wien (fpd) - Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, die Vorratsdatenspeicherung dem Europäischen Gerichtshof zur Prüfung vorzulegen, sei zu begrüßen, sagte der freiheitliche Delegationsleiter im Europäischen Parlament, Andreas Mölzer. "Wenn sämtliche Verbindungsdaten von Mobiltelefonen und Internet für sechs Monate gespeichert werden sollen, dann hat dies nichts mit der Bekämpfung von Terroranschlägen zu tun, vielmehr handelt es sich um eine Maßnahme zur totalen Überwachung der Bürger", hielt Mölzer fest.

Überhaupt gelte es, bezüglich der von der Europäischen Union geplanten Maßnahmen, die angeblich der Erhöhung der Sicherheit dienten, besondere Wachsamkeit an den Tag zu legen, betonte der freiheitliche EU-Mandatar. "Beim INDECT-Projekt beispielsweise soll mit Überwachungskameras nach 'auffälligem Verhalten' von Bürgern Ausschau gehalten werden. Die Brüsseler Zentrale will also unbescholtene Bürger der totalen Kontrolle unterziehen, nichts mehr soll geheim bleiben", warnte Mölzer.

Insgesamt stelle sich die Frage, so der freiheitliche Europaabgeordnete, warum die EU jedem einzelnen mit einem derartigen Misstrauen begegne. "Wenn alle möglichen Daten gesammelt und die Menschen einem so dichten Überwachungsnetz unterworfen werden sollen, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt, dann ist das ein Verhalten, das zu Diktaturen und nicht zu einer sogenannten Wertegemeinschaft passt. Hier gilt es, den Anfängen zu wehren, wenn wir in Europa nicht Orwellsche Zustände haben wollen", schloss Mölzer.


 

 Steinhauser: Wichtiger Erfolg im Kampf gegen Vorratsdatenspeicherung
Wien (grüne) - "Die Vorlage der Klagen gegen die Vorratsdatenspeicherung an den europäischen Gerichtshof durch das österreichische Verfassungsgericht ist ein erster Erfolg und ein wichtiger Etappensieg", freut sich der Grüne Justizsprecher Albert Steinhauser. Steinhauser hat gemeinsam mit der Bürgerinitiative AK Vorrat eine Klage organisiert, die in der Folge von 11.139 BürgerInnen eingebracht wurde.

Der Grüne Justizsprecher sieht damit zwei wichtige Hürden genommen. "Der Verfassungsgerichtshof hat damit unsere Klage zugelassen und hält die rechtlichen Bedenken offensichtlich für relevant. Jetzt liegt der Ball j beim EuGH. Es wird sich zeigen, ob die Grundrechtscharta jetzt den Härtetest besteht und sich als Schutz für die Bürgerinnen und Bürger erweist", meint Steinhauser.

Der Verfassungsgerichtshof hat jedenfalls ein klares Zeichen in Richtung der Politik gesetzt. "Sämtliche Ausweitungsphantasien beispielsweise in Richtung Urheberrechte sollten damit beendet sein. Das Parlament sollte durch Beschluss die Gesetzeslage zur Vorratsdatenspeicherung jedenfalls bis zur rechtlichen Klärung aussetzen", fordert Steinhauser.


 

Datenschutzrat begrüßt Befassung des EuGH zur Vorratsdatenspeicherung
Wien (bpd) - Der Vorsitzende des Datenschutzrates Johann Maier begrüßt ausdrücklich die Einschaltung des EuGH durch den österreichischen Verfassungsgerichtshof (VfGH) zur Prüfung der EU-Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung im Hinblick auf die Frage ihrer Grundrechtskonformität. "Gerade der Datenschutzrat hat sich aufgrund erheblicher Bedenken gegen die Eignung, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des Instruments der Vorratsdatenspeicherung stets klar gegen diese ausgesprochen. Diese Linie wird nunmehr durch den heute bekannt gewordenen Beschluss des VfGH, die Grundsatzfrage der Vereinbarkeit der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit der Grundrechtecharta der EU dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen bestätigt", so Maier.

Im Resümee seiner Begründung gelangt der VfGH zum Schluss, dass nicht zuletzt auch im Hinblick auf Zweifel an der Eignung zur Zielerreichung der mit der Vorratsdatenspeicherung verbundene Eingriff unverhältnismäßig erscheint. Im Lichte der einschlägigen internationalen und nationalen Rechtsgrundlagen zum Datenschutz und zur Privatsphäre, wie sie schon vor Inkrafttreten der Grundrechtecharta zu beachten waren, hat der Datenschutzrat bereits im September 2002 festgehalten, "dass die Frage der Verhältnismäßigkeit einer zwingenden Anordnung der flächendeckenden Speicherung von Verkehrsdaten für Zwecke der Strafverfolgung über jenen Zeitraum hinaus, in dem sie für die Übertragung der Nachricht oder für die Gebührenabrechnung und die Bezahlung von Zusammenschaltungen notwendig sind, in keiner Weise geklärt" sei und hat sich gegen eine Zustimmung zu einer derartigen Regelung ausgesprochen". Diese Haltung hat der Datenschutzrat in weiterer Folge mehrfach einstimmig bekräftigt.

"Auch nach der Verabschiedung RL 2006/24/EG bekräftigte der DSR anlässlich seiner 175. Sitzung am 16. Mai 2007 in seiner Stellungnahme zur damals geplanten Telekommunikationsgesetzes-Novelle zur Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung neuerlich seine Bedenken gegenüber der flächendeckenden Speicherung von Vorratsdaten für Zwecke der Strafverfolgung", so der Datenschutzratsvorsitzende. Hervorgehoben hat der Datenschutzrat bei dieser Gelegenheit, dass im Rahmen der innerstaatlichen Umsetzung der ursprüngliche Zweck und Anlass für die Erlassung der Richtlinie zu beachten sei, nämlich die Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität. Der dem nationalen Gesetzgeber verbleibende rechtspolitische Gestaltungsspielraum müsse insbesondere den datenschutzrechtlichen Grundsätzen der Zweckbindung sowie der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen.

Der VfGH ist nach dem irischen High Court erst das zweite Höchstgericht eines EU-Mitgliedslandes, welches die Frage der Grundrechtskonformität der Vorratsdatenspeicherung dem EuGH vorlegt.

"Die vom Datenschutzrat geforderte Beteiligung der Republik am irischen Vorabentscheidungsverfahren, mit dem Ziel ein grundrechtsfreundliches Auslegungsergebnis zu erzielen, kam bedauerlicherweise noch nicht zustande. Im Lichte des im Rahmen eben dieses Beschwerdeverfahrens gefassten Vorlagebeschlusses des VfGH stehen freilich einem Engagement der Republik Österreich keinerlei sachliche Argumente mehr entgegen. Eine Beteiligung der Republik Österreich am nunmehrigen österreichischen Vorabentscheidungsverfahren wäre daher im Sinne der Bedenken des VfGH ausdrücklich zu begrüßen", so der Vorsitzende des Datenschutzrates Maier abschließend.


 

ISPA: VfGH zweifelt an der Vereinbarkeit von Vorratsdatenspeicherung und Grundrechtecharta
Wien (ispa) - "Die ISPA begrüßt die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, dem Europäischen Gerichtshof die Frage der Vereinbarkeit der Vorratsdatenspeicherung mit der europäischen Grundrechtecharta, zur Vorabentscheidung vorzulegen", kommentiert ISPA Generalsekretär Maximilian Schubert den Beschluss des österreichischen Höchstgerichtes.

Verwendung von Vorratsdaten für Urheberrechtsauskünfte wäre grundrechtswidrig
"Wenn der Verfassungsgerichtshof Zweifel an der Zulässigkeit der Vorratsdatenspeicherung für die Verfolgung schwerer Straftaten hat, dann ist es wohl offensichtlich, dass eine Verwendung dieser Daten für Urheberrechtsauskünfte jedenfalls grundrechtswidrig wäre" stellt Schubert klar.

Das Vorhandensein von Daten weckt Begehrlichkeiten
"Es handelt sich bei der Vorratsdatenspeicherung um eine bisher noch nie dagewesene Sammlung von Daten unbescholtener Nutzerinnen und Nutzer. Die aktuelle Diskussion rund um eine Novelle des Urheberrechts zeigt jedoch nur allzu deutlich, dass sobald Daten vorhanden sind, auch verschiedenste Begehrlichkeiten geweckt werden", gibt Schubert zu bedenken.

"Das jüngst geäußerte Ansinnen der Verwertungsgesellschaften, für die Erreichung von Schadenersatzzahlungen Verkehrsdaten oder sogar Vorratsdaten zu verwenden, ist daher inakzeptabel. Außerdem wäre dies auch grundrechtswidrig", erklärt Schubert. Diese Daten dürfen bislang nur beim Verdacht auf Straftaten herangezogen werden. "So soll es auch bleiben. Eine Ausweitung für zivilrechtliche Ansprüche könnte dazu führen, dass auf Verkehrsdaten auch bald in Scheidungs- Miet- und Versicherungsverfahren zugegriffen werden kann. Das wäre ein grundrechtlicher Dammbruch", warnt Schubert.

Über die ISPA
Die ISPA - Internet Service Providers Austria ist der Dachverband der österreichischen Internetwirtschaft. Sie wurde 1997 als eingetragener Verein gegründet und vertritt rund 200 Mitglieder aus den Bereichen Access, Content und Service u.a. gegenüber Politik und Verwaltung und anderen Gremien. Ziel der ISPA ist die Förderung des Internets sowie die Kommunikation der Marktteilnehmer untereinander.

 

 

 

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