Eltern
wollen Kinderbetreuungsplätze statt mehr Geldleistungen
Wien (ak) - „Die Mittel für den Kindergarten-Ausbau müssen von 15 auf jährlich 100 Millionen
Euro aufgestockt werden“, fordert AK Präsident Herbert Tumpel. Laut einer aktuellen, österreichweiten
SORA-Umfrage wollen Eltern mehr und bessere Kinderbetreuung: 53 Prozent wollen mehr Betreuungsplätze, 54 Prozent
bessere Öffnungszeiten. 67 Prozent finden eine Umschichtung weg von Steuerleistungen hin zu mehr Kinderbetreuung
gerecht. „Eine gut ausgebaute Kinderbetreuung kommt Familien aller Einkommensklassen zugute. Üppige Steuerzuckerl
bei gleichzeitig magerem Betreuungsangebot hilft dagegen nur Besserverdienern“, so Tumpel.
Was Eltern wollen
Laut aktueller SORA-Umfrage unter 1.000 Personen wollen Eltern mehr und bessere Kinderbetreuung:
- 53 Prozent der befragten Eltern sagen, es gibt zu wenige Kinderbetreuungsplätze
für Kinder unter 6 Jahre.
- 54 Prozent der Eltern sagen, die Öffnungszeiten sind zu kurz.
- Immerhin 36 Prozent wollen qualitativ bessere Kinderbetreuungsplätze.
Finanzierung durch Umschichtung von steuerlichen Förderungen:
- 67 Prozent befürworten eine Umschichtung weg von steuerlichen Förderungen
hin zu Sachleistungen als gerecht.
- Nur 27 Prozent sind gegen eine Umschichtung.
Gäbe es 100 Millionen Euro mehr Budget für Familien, wollen:
- 48 Prozent die Schaffung neuer Kinderbetreuungsplätze.
- 30 Prozent eine Erhöhung der Familienbeihilfe um 4,50 Euro pro Kind (Erhöhung,
die für 100 Mio Euro zu haben wäre).
- Nur 10 Prozent eine höhere Steuergutschrift von 6 Euro pro Kind.
- 141.000 Eltern können nicht oder nur Teilzeit arbeiten
Für die kommenden sechs Monate fehlen laut Erhebung der Österreichischen Wirtschaftskammer 150.000 Fachkräfte
(Quelle: WKÖ, 29. 11. 2012). Dabei ist das Potenzial gerade bei Frauen groß: 20,3 Prozent der Frauen
zwischen 25-34 Jahren haben eine Hochschulausbildung. (Männer: 15,5 Prozent). 13,5 Prozent der jungen Frauen
haben einen Abschluss einer Berufsbildenden Höheren Schule (Männer: 12,1 Prozent), 14,9 Prozent einen
Abschluss einer Berufsbildenden Mittleren Schule (Männer: 10,6 Prozent). 25,5 Prozent haben einen Lehrabschluss
(Männer: 30,8 Prozent). (Quelle: Bildungsstandregister 2009, Statistik Austria)
Doch viele dieser gut ausgebildeten Frauen schaffen nach der Geburt eines Kindes den Einstieg in den Beruf nicht,
weil die Kinderbetreuung nicht ausreicht. Dabei zeigt die Kindertagesheimstatistik der Statistik Austria für
2010:
Aufgrund fehlender Kinderbetreuung können insgesamt 141.000 Eltern nicht oder nur Teilzeit arbeiten.
86 Prozent davon sind Frauen.
Ungenügende Öffnungszeiten, zu viele Schließtage in den Ferien und zu hohe Kosten beklagen mehr
als 102.000 Eltern.
Nur knapp 20 Prozent der Kinder unter sechs Jahren haben einen Betreuungsplatz, der mit einer Vollzeiterwerbstätigkeit
vereinbar ist.
Für Kinder unter drei Jahren fehlen noch immer 26.000 Betreuungs-Plätze, um zumindest das EU-Ziel von
33 Prozent Betreuungsquote zu erreichen, das nur in Wien derzeit erfüllt ist. In den anderen Bundesländern
gibt es nicht einmal für jedes fünfte Kleinkind einen Platz.
Viele gehen bei steuerlicher Familienförderung leer aus
Der Staat lässt sich die steuerliche Familienförderung einiges kosten: 325 Millionen Euro pro Jahr
sind für die steuerliche Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten und den Kinderfreibetrag reserviert. Aber
davon profitieren zu viele nicht:
- Nur für 800.000 Kinder konnte der 2009 eingeführte Kinderfreibetrag
bisher genutzt werden. Dabei stünde er eigentlich allen 1,8 Millionen Kindern in Österreich zu, für
die Familienbeihilfe bezogen wird.
- Für weitere 400.000 Kinder wurde der Kinderfreibetrag zwar beantragt, die
Eltern gingen aber wegen zu geringen Einkommens leer aus, weil sie im Monat weniger als 1.205 Euro brutto verdienen
oder ihr jährliches steuerpflichtiges Einkommen unter 12.000 Euro beträgt. Besonders betroffen sind Teilzeitbeschäftigte,
zumeist Frauen und Beschäftigte in Branchen mit vergleichsweise niedrigen Löhnen (Handel, Gastgewerbe,
Reinigung).
- Die steuerliche Absetzbarkeit der Kinderbetreuung wurde 2010 für 135.000
Kinder geltend gemacht – ein Bruchteil aller 800.000 Kinder unter zehn Jahren, für die die Absetzbarkeit gilt.
- Von 106 Millionen Euro Betreuungskosten, die geltend gemacht wurden, gab es für
knapp 19 Millionen Euro an Betreuungskosten keinen steuerlichen Vorteil.
Von Kinderbetreuungseinrichtungen hingegen profitieren alle Familien, besonders jene mit niedrigen und mittleren
Einkommen.
Unternehmen machen Eltern Vereinbarkeit von Beruf und Familie schwer
Laut SORA-Umfrage meinen 55 Prozent der Eltern, die Bereitschaft der Betriebe, sich für eine bessere Vereinbarkeit
von Beruf und Familie einzusetzen, ist zu gering. Ein Drittel aller Eltern fühlt sich direkt betroffen.
Die häufigsten Probleme aus der Beratungspraxis der AK sind:
- Verschlechternde Versetzungen beim Wiedereinstieg: eine weniger qualifizierte
Tätigkeit oder ein weit entfernten Arbeitsort wird bestimmt.
- Arbeitszeiten, die mit der Kinderbetreuung nicht zusammenpassen: Ein Drittel
aller Frauen und 20 Prozent aller Männer mit Kindern bis vier Jahre arbeiten in einem Kleinbetrieb (bis 20
Beschäftigte) – und sind daher vom Recht auf Elternteilzeit ausgeschlossen (Elternbefragung des Österreichischen
Instituts für Familienforschung).
- Geringe Akzeptanz für Väter in Karenz, Elternteilzeit oder Pflegefreistellung.
Forderung
„Die Faktenlage in Österreich spricht deutlich für einen Kurswechsel in der Familienpolitik. Wir brauchen
weniger steuerliche Förderung und dafür mehr Sachleistungen. Das ist auch eine Frage der Gerechtigkeit:
Wir wollen alle Familien mit Kindern fördern“, sagt Tumpel und fordert:
1) 100 Millionen Euro für Kinderbetreuung
Der Ausbau der Kinderbetreuung und die Verbesserung des Angebotes muss Priorität in der Familienförderung
bekommen.
- In den kommenden 4 Jahren sollen jeweils 100 Millionen Euro jährlich zum
Ausbau und zur Verbesserungen in der Kinderbetreuung vom Bund in die Hand genommen werden. (Finanzierung durch
Umschichtungen aus der steuerlichen Familienförderung.)
- Das schafft 35.000 zusätzliche Betreuungsplätze.
- Bei 70.000 Plätzen könnten die Öffnungszeiten verbessert werden.
- In der Kleinkindbetreuung kann mehr Personal für bessere Betreuungsqualität
zur Verfügung gestellt werden.
Die positiven Effekte:
- 30.000 bis 44.000 mehr Jobs, gerechte Bildungschancen für alle Kinder.
- Nach vier Jahren Ausbau bleiben langfristig wirksame, direkt und indirekt wirksame
Beschäftigungseffekte von zumindest 30.000 Jobs. Davon sind 14.000 Eltern – vor allem Mütter - die zuvor
mangels Kinderbetreuung nicht erwerbstätig sein konnten. Bei günstiger Konjunkturlage könnten nochmals
14.000 Jobs dazu kommen.
- Dadurch ergeben sich Mehreinnahmen durch direkte Lohnabgaben sowie Einsparungen
in der Arbeitslosenversicherung, die die laufenden Kosten ab dem fünften Jahr nicht nur abdecken, sondern
sogar übersteigen.
- Ein Kindergartenbesuch wirkt sich positiv auf die Sprachentwicklung aus: Laut
österreichweiter Sprachfeststellung hat die Hälfte aller Kinder, die keinen Kindergarten besucht, Bedarf
an Sprachförderung. Bei den Kindergartenkindern waren es mit 23 % nicht einmal die Hälfte.
- Der Anteil lässt sich durch mehr Personal in der Frühförderung
noch verringern.
2) Mehr Betriebskindergärten
Die Arbeitgeber verlangen auch von Arbeitnehmern mit Familie immer mehr Flexibilität, tun selbst aber
kaum etwas für mehr Vereinbarkeit. Die AK fordert von der Wirtschaft mehr Betriebskindergärten (selbst
in Wien nur 43 Standorte), weil die Unternehmen selbst am besten die Öffnungszeiten mit ihren Arbeitszeiten
abstimmen können. Die Betriebsgröße ist kein Argument: Zusammen mit anderen Betrieben können
auch KMUs Kindertagesstätten gründen. Die Politik soll diese Zusammenarbeit stärker fördern
als bisher.
3) Besserer Schutz vor verschlechternden Versetzungen
Eine nachteilige Versetzung soll nur nach Zustimmung des Arbeits- und Sozialgerichts zulässig sein. Damit
soll gewährleistet sein, dass nicht bis zur Gerichtsentscheidung ungünstigere Arbeitsbedingungen in Kauf
genommen werden müssen oder das Dienstverhältnis aufgelöst werden muss, weil der neue Arbeitsort
mit Kinderbetreuung nicht vereinbar ist.
4) Recht auf familienfreundliche Arbeitszeiten für alle
Das Recht auf Elternteilzeit muss auch in Kleinbetrieben gelten.
5) Mehr Väter-Zeit
Betriebe müssen aufgeschlossener werden, wenn Väter sich der Kinderbetreuung widmen. Zudem fordert
die AK einen bezahlten Papamonat, um die Väterbeteiligung zu erhöhen.
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Heinisch-Hosek:
Österreicherinnen und Österreicher wollen mehr Kinderbetreuungsplätze
Arbeiterkammer-Studie zeigt Handlungsbedarf – Finanzierungsmodell liegt am Tisch
Wien (bpd) - "Zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher sagen, sie wollen in der
Familienpolitik weniger Steuerzuckerl und mehr Kinderbetreuung. Diese Kursänderung ist überfällig,
auch aufgrund der geringen Geburtenrate in Österreich", so Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek in
einer ersten Reaktion auf die heutige Pressekonferenz der Arbeiterkammer.
"Steuerleistungen werden von vielen nicht abgeholt, sie sind unfair und führen auch nicht zu mehr Geburten
in Österreich. Höchste Zeit für eine Familienpolitik, von der alle etwas haben", so die Frauenministerin.
Mehr als die Hälfte der von der AK Befragten bemängelt, dass es zu wenige Betreuungsplätze gibt,
ein Drittel spricht sich für qualitative Verbesserungen bei der Betreuung aus.
Konkret gebe es ein Investitionsvolumen in dreistelliger Millionenhöhe, um den Bedarf an qualitätsvoller
Kinderbetreuung zu decken. „Mein Modell liegt am Tisch. Keine Steuerzuckerl mehr, dafür doppelte Familienbeihilfe
und 150 Millionen pro Jahr für die Kinderbetreuung. Davon hätte jede Familie in Österreich etwas“,
so Heinisch-Hosek. Auch die Wirtschaft würde profitieren: "Im Moment können 141.000 Eltern nicht
oder nur Teilzeit arbeiten, weil es keine Kinderbetreuung gibt. Das können wir uns in Zeiten des Fachkräftemangels
einfach nicht leisten", betont die Frauenministerin. "Ich bin dafür, hier keine Zeit mehr zu verlieren.
Die Eltern in Österreich erwarten sich zurecht Verbesserungen und die gilt es rasch umzusetzen", so Heinisch-Hosek
abschließend.
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