Faymann:
Plädoyer für Jugend und solidarisches Europa
Der Bundeskanzler war im EU-Parlament in Straßburg zu Gast. Die Einladung an Staats-
und Regierungschefs, vor dem Europäischen Parlament zu sprechen, gilt als große Ehre.
Strassburg (sk) - Bundeskanzler Werner Faymann hat sich am 15.01. in seiner Rede gegen jene ausgesprochen, die
eine Kaputtsparpolitik, bei der per „Rasenmäher“ gekürzt wird, vertreten. Wichtig ist es für ihn,
sich um die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in ganz Europa zu kümmern, die im Moment keinen Job haben.
Dabei betonte er vor allem den Zusammenhalt in der Europäischen Union: „Wir sitzen alle im selben Boot.“ Vom
Ende der Krise zu reden, sei zynisch, da nach wie vor so viele junge Menschen keine Ausbildung und keinen Job hätten.
Eine Ausbildungsgarantie nach österreichischem Vorbild könnte mehr als eine Millionen 16- bis 17-Jährige
von der Straße holen. Wer in Schönwetterzeiten vom gemeinsamen Markt profitiert, „der kann nicht im
Sturm das Ruder aus der Hand legen, wenn es darum geht, das Boot wieder in sichere Gewässer zurückzubringen.
Im Sturm heißt es: mit anpacken, mitrudern und zusammenhalten“, betonte der Kanzler. Denn: „Sozialer Zusammenhalt
ist eine gemeinsame Aufgabe, die keine nationalen Grenzen kennt“.
"Wenn wir Europa stärken, stärken wir uns selbst"
Bei der Bekämpfung der Krise müssten sich auch die Finanzmärkte beteiligen. „Wir sind mit der Regulierung
der Finanzmärkte in Europa noch lange nicht am Ende. Schädliche Spekulationsgeschäfte müssen
verboten werden. Zur gemeinsamen Bankenaufsicht müssen als weitere Schritte ein schlagkräftiges Bankeninsolvenzrecht
kommen, sowie eine Reform der Einlagensicherung. 'Too big to fail' sollte nicht länger als ständiges
Damokles-Schwert über unseren Köpfen hängen“, sagte der Kanzler. Dabei lobte er aber auch, was im
Gegensatz zu den 1930er Jahren schon zustande gebracht wurde und Instrumente eingesetzt wurden, die eine Wiederholung
der Krise verhindern sollen. Dazu gehört auch die Finanztransaktionssteuer. Der Kanzler bedankte sich explizit
bei den Abgeordneten des Europäischen Parlaments für die Unterstützung bei der Einführung der
Finanztransaktionssteuer. Sie ist, so der Bundeskanzler, ein Symbol, das zeigt, dass auch die Finanzmärkte
ihren Beitrag zur Bewältigung der Folgen der Finanzkrise leisten.
Zum Thema Energiepolitik sagte der Kanzler, dass er auch hier Vertrauen und Verlässlichkeit erwartet, die
Atomenergie aber nicht bietet. „Atompolitik ist keine nachhaltige Politik.“ Spätestens seit Fukushima weiß
man, dass Atomenergie nicht kontrollierbar ist, vor allem hinsichtlich der Frage der Endlagerung.
Ausbildung für alle jungen Menschen in Europa
Österreich, das eine der geringsten Arbeitslosenraten und die geringste Jugendarbeitslosigkeit aufweist, ist
mit der Facharbeiterausbildung und der dualen Ausbildung Vorbild für Europa. Maßnahmen wie diese stärken
den Wirtschafts- und Industriestandort Europa. Im Zusammenhang mit dem nächsten mehrjährigen Finanzrahmen
2014-2020 sagte der Kanzler: „Würden wir aufhören, über Rabatte zu reden, und das Geld in Ausbildung
investieren, in Lehrwerkstätten, hätten wir über eine Million von der Straße geholt. Das muss
der Gesellschaft doch etwas wert sein.“
Der Bundeskanzler schloss mit einem eindringlichen Plädoyer für Zusammenhalt und Miteinander in Europa:
„Wenn die Enkelkinder der Österreicher mit Enkelkindern aus Südeuropa eines Tages über unsere Politik
urteilen, möchte ich, dass sie sagen: 'In einer schwierigen Zeit waren Solidarität und Nächstenliebe
stärker als Egoismus und Gier'.“
Staatssekretär Andreas Schieder betonte nach der Rede des Bundeskanzlers, dass „die Zeit des Kaputtsparens
nun endgültig vorbei ist. Wir wollen eine gerechte Verteilung der Krisenkosten und das bedeutet auch die Einführung
der Finanztransaktionssteuer auf dem Weg der verstärkten Zusammenarbeit. Das ist ein großer Erfolg für
Europa und die Sozialdemokratie, die diese Forderung schon vor Jahren aufgestellt hat“.
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Karas: Österreich muss viel stärker Motor in EU werden
Parlamentsvizepräsident: Österreich ist nicht Nettozahler, sondern Nettogewinner
in der EU
Straßburg (övp-pd) - "Österreich muss aufgrund seiner historischen Erfahrung, geographischen
Lage und hervorragenden Wirtschafts- und Sozialdaten noch viel mehr zu einem der Motoren der EU werden als bisher",
so der Vizepräsident des Europäischen Parlaments Othmar Karas, an die Adresse von Bundeskanzler Werner
Faymann im Rahmen der Parlamentsdebatte in Straßburg. "Österreich könnte und müsste ein
Vorbild, eine treibende Kraft für die Neubegründung der EU sein - vor allem in den Herzen und den Köpfen
der Menschen", so Karas.
Der Vizepräsident des Parlaments begrüßt die Feststellung des Bundeskanzlers, dass das EU-Budget
nicht nach dem Prinzip beschlossen werden kann "weniger zahlen, mehr bekommen und alle Erwartungen erfüllen".
Auch Faymanns Bekenntnis zur ländlichen und regionalen Entwicklung als wichtiger Teil der EU-Politik hob Karas
hervor. Karas fordert vom österreichischen Regierungschef aber ein noch klareres Bekenntnis zu einer ausreichenden
finanzielle Ausstattung der EU, damit die Gemeinschaft ihre Ziele und Aufgaben erfüllen könne. "Gerade
weil Österreich nicht Nettozahler, sondern Nettogewinner in der EU ist", so Karas.
Karas stellte gegenüber Faymann fest, dass in der aktuellen Debatte in Österreich um die Organisationsform
des Bundesheeres, europäische Aspekte leider fehlten. "Welche Rolle soll das Bundesheer im Rahmen der
europäischen Sicherheitspolitik spielen? Wie stehen Sie zur europäischen Verteidigungspolitik?",
so der EU- Parlamentsvizepräsident an den österreichischen Bundeskanzler gerichtet.
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Stadler: Kopfwäsche fand nicht statt!
EU-Abgeordneter enttäuscht über Faymann-Rede
Brüssel (bzö) - Ewald Stadler zeigte sich äußerst enttäuscht über die Rede
des österreichischen Bundeskanzlers im EU-Parlament: "Faymann wollte dem britischen Premier doch den
Kopf waschen, aber dieses Versprechen hat er gebrochen. Der Bundeskanzler entpuppte sich als ökonomischer
Gesundbeter", meint Stadler. "Fiskalesoteriker" habe das EU-Parlament mehr als genug. "Für
diese Rede hätte der Bundeskanzler nicht die Republik Österreich verlassen müssen." ärgert
sich der BZÖ-Politiker vor allem auf Faymanns Verdrehung der Tatsachen. Besser wäre es, er würde
in Wien der österreichischen Finanzministerin Fekter erklären, dass die Krise noch längst nicht
gelöst ist, erklärt Stadler.
"Die Politik die Faymann so sehr in seiner Rede lobt, sei folgende: - Verlagerung der Schulden nicht nur auf
den jetzt lebenden Steuerzahler, sondern auch auf zukünftige Generationen, - Verlagerung des Haftungsrisikos
von den Spekulanten auf jene Länder mit positiver Leistungsbilanz, - Vergemeinschaftung der Schulden in Richtung
Fiskalsozialismus, - schwachbrüstige Bankenunion ohne den Finanzsektor und die Spekulanten zu erfassen, -
Rekordarbeitslosigkeit in den Mitgliedstaaten durchschnittlich über einem Viertel, bei der Jugend über
die Hälfte, - kaum nennenswertes Wirtschaftswachstum, in einzelnen Ländern sogar Schrumpfen der Wirtschaft,
- Massenverarmung, - trotz Milliardentransfers seit Jahrzehnten keine wirtschaftliche Strukturänderung und
kein Zugewinn an Stabilität, - keine Budgetsanierung. "Die Regierungen haben lediglich Zeit gekauft,
um den Crash hinauszuzögern, der Crash wird aber kommen, dafür umso heftiger. Das nennt man ökonomisches
Voodoo." warnt Stadler.
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