Regner und Schieder: Spielregeln für Ratingagenturen werden verändert
Erstmals werden Schadenersatzansprüche gegen Ratingagenturen möglich
Wien (sk) - Am 16.01. hat das EU-Parlament über neue Regeln für Ratingagenturen abgestimmt. "Wir
haben eine lange Liste für das Versagen von Ratingagenturen: Lehman Brothers, IKB Bank, Hypo Real Estate,
Enron, WorldCom, Parmalat. Bei jedem dieser Debakel waren die Ratingagenturen dabei und haben für ihre Fehlentscheidungen
nicht gehaftet. Daher ist es höchst an der Zeit, dass die Spielregeln verändert werden", so die
SPÖ-EU-Abgeordnete Evelyn Regner gegenüber dem Pressedienst der SPÖ.
"Mit den neuen Regelungen wird die Macht der Ratingagenturen erstmals real eingeschränkt. Und vor allem
können sie für fehlerhafte Ratings zur Verantwortung gezogen werden", sagte Finanzstaatssekretär
Andreas Schieder zum heutigen Beschluss im EU-Parlament. Damit wird eine langjährige Forderung der europäischen
Sozialdemokratie erfüllt.
"Die heutige Abstimmung ist ein weiterer wichtiger Schritt, um die Entflechtung von Ratingagenturen, Banken
und Versicherungen voranzutreiben", sagt Regner. Für die Europaparlamentarierin, stv. Vorsitzende des
Rechtsausschusses, hat der heute abgestimmte Bericht viele positive Elemente; sie nennt in diesem Zusammenhang
vor allem das Fusions- und Übernahmeverbot für Ratingagenturen mit mehr als zwanzig Prozent Marktanteil
und die Haftungsregeln. "Erstmals können nun gegen Ratingagenturen Schadensersatzansprüche geltend
gemacht werden, denn sie sollten wie andere Dienstleistungen und Produkte behandelt werden. Das trägt mit
Sicherheit zu mehr Sorgfalt bei Bewertungen bei", betont Regner.
"In den letzten Jahren haben wir gesehen, dass vor allem Länderratings zur Verschärfung der Wirtschaftskrise
beigetragen haben. Oftmals wurden Urteile gefällt, ohne ausreichend die aktuellen Entwicklungen und politischen
Maßnahmen zu berücksichtigen", sagt die Europaabgeordnete. Mit dem heutigen Beschluss dürfen
die Ratingagenturen nicht mehr zu x-beliebigen Zeitpunkten bewerten, sondern müssen im Vorhinein für
zwölf Monate zwei bis drei Termine festlegen. "Ebenso werden Gefälligkeitsgutachten eingeschränkt.
Denn die Geschäftsbeziehungen zwischen der Ratingagentur und dem Auftraggeber werden auf maximal fünf
Jahre festgelegt", so Regner abschließend.
"Es war ein langer Weg bis zum heutigen Beschluss und die strengeren Regeln sind ein großer Erfolg für
die europäische Sozialdemokratie, die sich seit Jahren für eine strengere Regulierung der Finanzmärkte
einsetzt", so Schieder. Auch Bundeskanzler Faymann hat sich in seiner Rede vor dem europäischen Parlament
in dieser Frage gestern klar positioniert. Der Beschluss zeige, dass sich politische Beharrlichkeit auszahle. Abschließend
betonte der Staatssekretär: "Was die Regulierung der Finanzmärkte angeht, haben wir noch viel vor
uns. Heute haben wir einen wichtigen Teilerfolg erreicht", so Schieder.
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Karas: Jetzt wird Ratingagenturen stärker auf die Finger geschaut
EU-Parlamentsvizepräsident begrüßt heutigen Beschluss neuer Regeln für
Ratingagenturen
Straßburg (övp-pd) - "Die heute beschlossenen neuen Regeln für Ratingagenturen bringen
Transparenz, Haftung, klare Rechenschaftspflichten und mehr Wettbewerb bei Ratingagenturen", erklärt
der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Othmar Karas. "Wer ganze Staaten mit seinen Ratings
in die Krise bringen kann, dem muss noch stärker auf die Finger geschaut werden", so Karas. "Entscheidungen
von Ratingagenturen betreffen auch normale Bürger unmittelbar und massiv, weil öffentliche Dienstleistungen
auch davon abhängen, wie teuer es für den Staat ist, sich Geld zu leihen", erläutert der EU-
Parlamentarier.
Die Neuregelung sieht vor, dass Betroffene in Zukunft vor Gericht Verluste einklagen können, wenn Ratings
absichtlich oder grob fahrlässig gegen die Regeln zur Erstellung von Ratings verstoßen. Außerdem
sollen Staaten nur dreimal jährlich zu bestimmten Stichtagen und nur außerhalb der Geschäftszeiten
von Börsen bewertet werden dürfen. Auch sollen eigennützige Ratings und Interessenkonflikte dadurch
vermieden werden, dass die Eigentümer von Ratingagenturen keine Anteile an den bewerteten Firmen mehr haben
dürfen.
Karas lehnt aber die Forderung ab, eine EU-Ratingagentur zu schaffen: "Man kann eine europäische Ratingagentur
nicht per Verordnung aus dem Boden stampfen, sondern muss erst Wettbewerb schaffen, damit sich die drei Großen
nicht mehr den Markt aufteilen können. Eine öffentliche oder halb-staatliche Ratingagentur ist Unsinn.
Dann hätten wir genau das, was wir nicht wollen, nämlich politisch motivierte Ratings", so Karas.
"Ratingagenturen sollen neutrale Beobachter und Bewerter sein und dürfen nicht nach intransparenten Kriterien
Trends verstärken. Der heutige Beschluss führt ganz klar in diese Richtung", so Karas abschließend.
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Lunacek: Neue EU-Regeln für Ratingagenturen können Marktmacht der Großen
3 nicht brechen
Grüne Forderung nach unabhängiger Europäischer Ratingstiftung bleibt aufrecht
Straßburg (grüne) - "Ratingagenturen werden in Zukunft zwar mehr an die Leine genommen,
aber diese ist immer noch zu lang. Die Notwendigkeit von schärferen Regeln für diese Finanzmarktakteure
ist in der Krise der Eurozone evident geworden. Die heute vom Europaparlament beschlossene Position erreicht dieses
Ziel jedoch nur zum Teil. Für uns Grüne gilt deswegen im Bereich der Ratings weiterhin: Nach der Reform
ist vor der Reform. An deren Ende muss die Abkehr von der Dominanz der drei großen Ratingagenturen bleiben.
Moody's, S & P und Fitch werden mit den neuen Regeln zwar strenger reguliert, ihre Marktmacht bleibt aber weiterhin
ungebrochen. Erst eine unabhängige Europäische Rating-Stiftung würde diese Monopol-Situation aufbrechen.
Diese Grüne Forderung findet sich (leider in abgeschwächter Form) im neuen Regelwerk. Die Kommission
ist damit aufgefordert alsbald einen Vorschlag für eine Ratingstiftung vorzulegen, die Bewertungen zukünftig
in einen größeren Zusammenhang stellt und zum Beispiel auch Umweltrisiken berücksichtigt. Die Grünen
wollten auch die gegenseitige Anteilsbeteiligung an von Ratingagenturen bewerteten Unternehmen verbieten und damit
Interessenskonflikte ausschließen. Der Kompromiss erlaubt aber weiterhin eine gegenseitige Anteilsbeteiligung
von bis zu 10 Prozent.", erklärt Ulrike Lunacek, Europasprecherin der Grünen und grüne Delegationsleiterin
im Europaparlament, nach der Abstimmung der neuen Verordnung über Ratingagenturen, die am 16.01. mit großer
Mehrheit vom Europaparlament in Straßburg angenommen wurde.
"Positiv ist jedenfalls", so Lunacek, "dass die aktuellen problematischen Ratings auf Buchstabenbasis
(z.B. AAA) durch ein zusätzliches, logischeres und zahlenbasiertes System ergänzt werden. Basierend auf
historischen Werten kann damit die Gefahr von Zahlungsunfähigkeit abgebildet werden. Eine vollständige
Umstellung auf das neue System war leider nicht durchsetzbar." Dass Ratingagenturen künftig für
grobe Fehlentscheidungen haftbar sind und ihre Urteile besser begründen müssen, ist für Lunacek
ebenfalls begrüßenswert und "vor allem dem Druck aus dem Europaparlament zu verdanken - gleichzeitig
wurde die Chance zur tiefgreifenden Reform aufgrund der Blockadehaltung im Rat vertan".
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