Franz West – Wo ist mein Achter? 

 

erstellt am
28. 01. 13

Von 23.02. bis 26.05.2013 im mumok / museum moderner kunst stiftung ludwig wien
Wien (mumok) - Franz West war einer der bedeutendsten Österreicher im internationalen Kunstgeschehen. Mit seinen Passstücken und Möbeln sowie Skulpturen im Innen- und Außenraum erlangte der im Juli 2012 verstorbene Künstler Weltruhm. Bereits vor 16 Jahren hat das Wiener mumok Franz West seine erste umfassende Retrospektive ausgerichtet. Nun widmet es ihm erneut eine große Ausstellung, die er noch selbst initiiert und mit viel Enthusiasmus mitentwickelt hat. Wo ist mein Achter? gibt mit rund 30 mehrteiligen Werken einen Einblick in die komplexe und vielschichtige Kunstpraxis von West.

Kombination und Rekombination
Im Fokus der thematisch angelegten Präsentation stehen die "Kombi-Werke", überwiegend installative Arbeiten, in denen West verschiedene Einzelstücke vereint und auch immer wieder anders zusammengestellt hat. Durch die Kombination und Rekombination unterschiedlicher Werktypen wie den Passstücken, Möbeln, Skulpturen, Videos oder Arbeiten auf Papier aus allen Schaffensperioden gibt die Ausstellung gleichzeitig einen Überblick über die Bandbreite seines Œuvres. Ebenfalls in diesen Werken enthalten sind Arbeiten befreundeter Künstlerkollegen, darunter Martin Kippenberger, Rudolf Polanszky, Jason Rhoades oder Heimo Zobernig.

"Alles, was wir sehen, könnte auch anders sein", zitierte Franz West 1988 den von ihm hochgeschätzten Philosophen Ludwig Wittgenstein und sprach damit einen essenziellen Aspekt seiner eigenen künstlerischen Herangehensweise an. Auch das Prinzip der Kombination und Rekombination korrespondiert mit seiner Überzeugung, dass die Bedeutung einer Äußerung - beziehungsweise eines bildsprachlichen Elements - nie eine fixe, klar definierte sein kann. Sie ändert sich vielmehr je nach Kontext und Reaktion der RezipientInnen.

Werke in der Ausstellung
Vor dem Museumseingang werden die BesucherInnen von zwei Lemuren empfangen: großformatigen kopfähnlichen Gebilden mit überdimensionalen Öffnungen für Mund und Nase, die West in seinen Texten unter anderem mit Heraklits berühmtem Diktum zum permanenten Wandel der Dinge in Verbindung brachte: "Denen, die in dieselben Flüsse steigen, fließen immer neue Wasser zu, und (immer neue) Seelen entsteigen dem Naß [sic]" (Heraklit, Fragment 12[1]). Damit leiten diese Werke in das Thema der Ausstellung ein.

Mit der Genealogie des Ungreifbaren (1997) steht gleich am Beginn eine Arbeit, die belegt, dass der Künstler auch seinen eigenen Konzepten nie dogmatisch verhaftet blieb. In einer großen vitrinenartigen Box kombiniert er drei frühe Passstücke mit einem seiner ersten Sessel. Werke, die eigentlich zum Gebrauch gedacht waren, wurden so zu "ungreifbaren" Beispielen seiner frühen Werkentwicklung gemacht. Passstücke sind auch Teil einer "Kombi-Wand", die neben verschiedenen Arbeiten auf Papier Fotos von Personen zeigt, die mit Passstücken agieren. Erweitert um Möbel, werden solche Wände zu raumgreifenden Werken, wie beispielsweise bei Kasseler Rippchen (1996) oder Träumerei - Dreamy (1997).
Ein zentrales Exponat ist die aus drei Teilen bestehende Papiermaché-Skulptur Redundanz , ein prägnantes Beispiel für Wests Praxis der Kombination und Rekombination. 1986 erstmals in Wien gezeigt, sah sich der Künstler nach dem gegen seinen Willen erfolgten Verkauf eines Teils dieser Arbeit zu ihrer Ergänzung mit einer anderen Skulptur veranlasst und betitelte die neue Fassung Reduktion. Das mumok besitzt seit 2011 beide Versionen des Werks.

Permanenter Wandel, Partizipation und Interaktion
Das Schaffen von Franz West ist grundsätzlich partizipativ angelegt, es sucht den Dialog mit den RezipientInnen. Sämtliche seiner künstlerischen Produkte sind Angebote zur Interaktion. Diese kann auf der physischen Ebene stattfinden - wie im Fall der dem Körper "anzupassenden" Passstücke und Möbel -, aber auch auf der mentalen und intellektuellen, wie bei seinen Skulpturen und Arbeiten auf Papier. Letztere sind meist von "Beitexten" begleitet, die weitere Reaktionen stimulieren können.

Als Ansatzpunkte für Erfahrungen, Erwägungen, Assoziationen und Überlegungen sind Wests Schöpfungen Auslöser eines Spiels mit verschiedenen Möglichkeiten der Welterfahrung und Weltsicht, die eben je nach RezipientIn, Kontext und Ambiente immer wieder anders sein kann.

In unpathetischer, fast leichtfüßiger und humorvoller Weise zeigt die Kunst von Franz West Ungewissheiten auf. Sie basiert dabei auf einer intensiven kritischen Auseinandersetzung mit philosophischen Texten, welche der Künstler früh begonnen und im Lauf seines Lebens zunehmend intensiviert hat. Franz West Franz West wurde 1947 in Wien geboren, wo er 2012 auch verstarb. Mit 23 Jahren begann er autodidaktisch künstlerisch zu arbeiten. Zwischen 1977 und 1982 war West Student von Bruno Gironcoli an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Wurde sein Schaffen in den ersten zehn Jahren nur im Freundeskreis wahrgenommen, startete in den 1980er-Jahren seine internationale Karriere. Er war mit seinen Arbeiten zwei Mal auf der documenta (1992 und 1997) vertreten und gestaltete 1990 den österreichischen Beitrag für die Biennale in Venedig. 2011 wurde er dort für sein Lebenswerk mit dem Goldenen Löwen, der höchsten Auszeichnung für einen lebenden Künstler, geehrt.

Trotz seiner Weltkarriere blieb Wien nicht nur stets sein Lebensmittelpunkt, sondern er fühlte sich dieser Stadt und ihrer Kultur zeitlebens in besonderer Weise verbunden.

Katalog zur Ausstellung
Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog mit einem Vorwort von Karola Kraus, Eva Badura-Triska und Susanne Gaensheimer. Er enthält einen Text von Eva Badura-Triska über Kombi und Re-Kombi als Form des Sprachspiels bei Franz West, einen Essay von Klaus Görner (Kurator, MMK Frankfurt am Main) mit dem Titel Produktion und Teilhabe, die bisher umfassendste Abhandlung über das Verhältnis von West zu Wittgenstein, verfasst vom Philosophen Peter Keicher, und einen Beitrag des Psychoanalytikers Georg Gröller. Der seit den 1990er-Jahren eng mit Franz West befreundete Künstler Andreas Reiter Raabe vereint in seinem Beitrag eigene Gedanken mit Zitaten von und über den Künstler zu einer prinzipiellen Reflexion über dessen Person und Schaffen.

Der von West gewählte Titel der Ausstellung ist ein weiteres Beispiel seiner Praxis der Kombination und Rekombination: Ausgangspunkt ist die Gouache Lost Weight (1994) mit dem Motiv einer Frau, die nach einer Abmagerungskur ihre viel zu große Hose zeigt. Durch Auslassung des "W" transformierte der Künstler "Lost Weight" zu "Lost Eight", um daraus die titelgebende Frage abzuleiten: Wo ist mein Achter?

Die Ausstellung Franz West. Wo ist mein Achter? wird im Anschluss an Wien im MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main gezeigt (28.6.-13.10.2013).

 

 

 

Informationen: http://www.mumok.at

 

 

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at