Die EU macht Graphen zum Forschungs-Flaggschiff, die TU Wien ist mit an Bord.
Wien (tu) - Graphen ist ein Material, auf dem große Hoffnungen liegen – besonders in der Kommunikationstechnologie,
aber auch beim Bau von besonders leichten, stabilen Strukturen oder Batterien. Die EU macht die Forschung an diesem
Material nun zu einem ihrer wichtigsten Wissenschafts-Ziele: Die europäische Graphen-Forschung wurde nun (neben
der Gehirnforschung) zu einem der beiden neuen „Flaggschiff-Projekte“ erklärt. Eine Milliarde Euro soll nun
der wissenschaftlichen und technologischen Graphen-Forschung aus ganz Europa zugutekommen. Auch Österreich
ist daran beteiligt: Thomas Müller von der TU Wien, Österreich-Koordinator des Projektes wird nun mit
EU-Unterstützung seine Forschung über Graphen weiter verstärken.
Licht im Computer
Spätestens seit 2010 Der Nobelpreis für Physik an Andre Geim und Kostya Novoselov für die ersten
Graphen-Experimente vergeben wurde, gilt das neue Material aus wabenförmig angeordneten Kohlenstoff-Atomen
als Hoffnungsträger. Am Institut für Photonik der TU Wien beschäftigt sich Thomas Müller mit
dem photoelektrischen Effekt in Graphen: Wenn Lichtteilchen auf das Material treffen, können dadurch Elektronen
aus ihrem Platz gelöst werden. Sie beginnen sich zu bewegen, Strom beginnt zu fließen.
Diese Umwandlung von Licht in elektrischen Strom ist für die Computertechnik äußert wichtig – etwa
wenn man Lichtsignale aus einem Glasfaserkabel in elektrische Signale für den Computer umwandeln möchte.
„Der photoelektrische Effekt läuft in Graphen um ein Vielfaches schneller ab als in herkömmlichen Materialien
wie etwa Germanium“, erklärt Thomas Müller. „Wenn es gelingt, diese Bauteile aus Graphen herzustellen,
werden sie deutlich schneller, effizienter, kleiner und billiger als bisher.“ Nicht nur für Kommunikation
über das Internet, auch für den Datenaustausch innerhalb des Computers wäre das wichtig: „Heute
haben viele Computer zwei oder vier Prozessorkerne. Wenn wir in Zukunft vielleicht mit dreihundert Cores arbeiten,
ist ein gewaltiger Datenaustausch zwischen ihnen nötig. Diese Datenmengen optisch statt elektronisch zu übermitteln,
hätte große Vorteile“, sagt Müller.
Detektor für lange Lichtwellen
Nicht nur in der Computertechnik soll künftig Graphen eingesetzt werden: Aufgrund der speziellen elektronischen
Struktur eignet sich das Material auch zum Detektieren langwelliger Strahlung – das könnte für Molekülspektroskopie
nützlich sein, weil genau diese langwellige Strahlung eng mit Vibrationen oder Rotationen in Molekülen
in Verbindung steht. Auch im Bereich der Medizintechnik soll Graphen neue Möglichkeiten eröffnen.
Eine Milliarde Euro für zehn Jahre
Längst hat auch die Industrie die Chancen dieses Materials erkannt. Zu den Projektpartnern zählen daher
neben Universitäten auch industrielle Forschungseinrichtungen – in Österreich etwa der Batterienhersteller
VARTA. An der TU Wien forschen außer Thomas Müller auch andere Gruppen an Graphen: Etwa die Prof. Burgdörfer
(Theoretische Physik), Prof. Ernst Kozeschnig (Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnologie) oder die Computer-Materialwissenschafts-Gruppe
am Institut für Angewandte Physik. Insgesamt werden 126 akademische und private Forschungsgruppen aus 17 europäischen
Staaten von Anfang an am EU-Projekt beteiligt sein, später werden noch weitere dazu stoßen. Das EU-Flaggschiff-Projekt
hat eine Gesamtlaufzeit von zehn Jahren. Koordiniert wird es von der Technischen Universität Chalmers in Göteborg,
Schweden.
Im Strategic Advisory Council des Projektes sitzen gleich vier europäische Nobelpreisträger: Neben den
„Graphen-Erfindern“ Andre Geim und Kostya Novoselov ist auch Albert Fert mit dabei. Er bekam den Nobelpreis für
den Giant Magnetoresistance-Effekt, der unsere Computerfestplatten möglich macht. Auch Klaus von Klitzing
unterstützt das Projekt – er erhielt seinen Nobelpreis für den Quanten-Hall-Effekt, der auch in Graphen
gemessen wurde. Europa darf also auf eine bemerkenswerte Tradition in der Verbindung von Quantentheorie und technologischer
Anwendung zurückblicken, das Flaggschiff-Projekt knüpft daran an.
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