Städtebund: Fachkompetenzen von MigrantInnen besser nutzen 

 

erstellt am
25. 01. 13

Ausbildung von Integrationsbeauftragten standardisieren
Wien (rk) - 17,8 Prozent der Wohnbevölkerung in Österreich, das sind 1,46 Millionen Menschen, haben sogenannten "Migrationshintergrund", das bedeutet: entweder sie oder ihre Eltern wurden außerhalb des Bundesgebietes als "NichtösterreicherInnen" geboren (Quelle: Statistik Austria). "Erfolgreiche Integration entscheidet sich jeden Tag vor Ort - also in Österreichs Städten und Gemeinden. Vor dem Hintergrund demografischer Veränderungen gewinnt die kommunale Integrationspolitik sowohl in Großstädten als auch in kleineren Städten und Gemeinden an Bedeutung", sagt Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger anlässlich der gemeinsamen Pressekonferenz mit Stadträtin Sandra Frauenberger am 25.01.

"Um die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Integration vor Ort zu verbessern, haben Städte und Gemeinden in den vergangenen Jahren zahlreiche Maßnahmen erfolgreich umgesetzt und das obwohl die finanziellen Mittel immer restriktiver werden", betont Weninger. Um die Anforderungen der Zukunft besser abschätzen zu können, hat der Österreichische Städtebund mittels zweier Studien die Situation in den Mitgliedsstädten genauer untersuchen lassen und die Ergebnisse folgender Untersuchungen nun aktuell präsentiert:

"Kosten unzureichender sozialer Integration im Allgemeinen und besonders der EinwanderInnen" und "Qualifikationsstand und Qualifikationsbedarf der Integrationsverantwortlichen österreichischer Städte".

"Die jeweiligen Schlussfolgerungen bringen wertvolle Anregungen für bessere Teilhabechancen für Menschen mit Migrationshintergrund", so Weninger

Nostrifikationssystem verbessern
Sandra Frauenberger, Integrationsstadträtin und stellvertretende Vorsitzende des Städtebund-Fachausschusses für Integration stellte die Eckpunkte des Wiener Integrationskonzeptes dar: "Schon lange wissen wir, dass nicht die örtliche sondern die soziale Herkunft für die Zukunft jedes und jeder Einzelnen zentral ist. Erklärtes Ziel ist daher der soziale Aufstieg für alle. Um das zu erreichen setzen wir den Hebel bei Chancengerechtigkeit an, die mit gerechteren Zugang zu Bildung und Arbeit garantiert werden soll." Dabei stützt sich die Integrationspolitikerin auf die zahlreichen Maßnahmen der Stadt Wien. "Beruflichen Erstinformation für NeuzuwanderInnen, gezielte berufliche Weiterbildung und die damit verbundene Erhöhung von Jobchancen sowie Beratungsangebote zur Anerkennung von mitgebrachten Ausbildungen, sind einige unserer Projekte. Wir garantieren in diesem Bereich eine breite Palette an Maßnahmen, die für alle zugänglich sind und auf verschiedene Bedürfnisse abzielen", erklärt Frauenberger.

In diesem Zusammenhang ortet die Stadträtin weiteren Verbesserungsbedarf bei der Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen. Frauenberger: "Es geht nicht nur um Ausbildung. Es geht auch darum, mitgebrachte Qualifikationen anzuerkennen. Das passiert in Wien seit Jahren mit umfassender Beratung und Niederlassungsbegleitung. Es freut mich, dass sich der Sozialminister mit unserem Modell auch im Bund durchsetzen konnte und zentrale Anlaufstellen in mehreren Städten angeboten werden können. Um Anerkennungen zu erleichtern, muss darüber hinaus aber auch die gesetzliche Situation verbessert werden".

Dazu Studienautor August Gächter vom Zentrum für soziale Innovation (ZSI): "Eine gelernte Krankenpflegerin als Raumpflegerin arbeiten zu sehen ist frustrierend. Wäre im Ausland erworbene Bildung gleich viel wert wie jene im Inland erworbene, wäre die Beschäftigungswahrscheinlichkeit der Frauen um 16 und die der Männer um 10 Prozentpunkte höher. Das Hauptproblem ist nicht, dass EinwanderInnen zu wenig Bildung haben sondern, dass ihre Bildung am Arbeitsmarkt nicht honoriert wird".

Weitere Ergebnisse der Untersuchung
Wären EinwanderInnen statt in Hilfs- und Anlerntätigkeiten (für die man keine Ausbildung braucht) in adäquaten beruflichen Positionen beschäftigt, würden sie in Summe um brutto 1 Mrd. Euro mehr im Jahr verdienen. Davon würden etwa 60 Prozent bei Männern und etwa 40 Prozent bei Frauen anfallen.

Andererseits blockieren MigrantInnen mit mittlerer und höherer Bildung die Beschäftigung in Hilfs- und Anlerntätigkeiten im Ausmaß von etwa 92.000 Vollzeitäquivalenten, die ansonsten für gering qualifizierte Arbeitssuchende zugänglich sein könnten.

Beides, die beruflichen Aufstiege und die Nachbesetzungen, würde die Lohn- und Gehaltssumme vergrößern, an der die Kommunen durch den Finanzausgleich partizipieren. Eine verbesserte Beschäftigungssituation von MigrantInnen kann nicht nur dem Mangel an Fachkräften entgegenwirken sondern auch die Finanzsituation vieler Kommunen entspannen: Laut Studie, verbirgt sich ein Potenzial von bis zu 1,348 Milliarden Euro jährlich an zusätzlichen Einnahmen und verringerten Ausgaben.

Was können Städte und Gemeinden tun?
Nicht nur Betriebe, auch Kommunen wissen zu wenig über die Qualifikationen und beruflichen Erfahrungen ihrer eingewanderten Bevölkerung Bescheid. Städte und Gemeinden sind auf lokaler Ebene wichtige ArbeitgeberInnen, daher sollten sie die Qualifikationen der EinwanderInnen in ihrer Beschäftigtenstruktur adäquat repräsentieren.

"Ein geeignetes Instrument könnten auch lokale Beschäftigungspakte sein", so Studienautor Gächter und weiter: "einen territorialen Beschäftigungspakt gibt es zwar in jedem Bundesland, aber lokale Pakte hat es bisher in Österreich nicht gegeben. Für eine ambitionierte Kommune wäre dies ein gut geeigneter Ansatzpunkt, um an der Gestaltung des örtlichen Beschäftigungswesens vermehrt teilnehmen zu können." Pakte im Sinn der EU Strukturfonds bestehen darin, Gebietskörperschaften, Betriebe, Arbeitnehmervertretungen, Vereine und Initiativen an einem Tisch zu versammeln, damit sie Ideen und Pläne entwickeln, Erfahrungen austauschen, sich gemeinsam weiterbilden und die örtliche Beschäftigung quantitativ und qualitativ verbessern.

Zweite Studie: Qualifikation von Integrationsverantwortlichen
"Im Zuge unserer Untersuchung haben wir den Ausbildungsstand von Integrationsbeauftragten sowie das Wissen über Integrationsleitbilder und –strategien vertieft," sagt Tom Schmid, Sozialökonomische Forschungsstelle (SFS) und meint weiter: "Es gibt in fast allen untersuchten Städten Maßnahmen wie z.B. Integrationsleitbilder, Integrationsbeiräte bzw. Integrationsbeauftragte, die wichtige Impulse für das Zusammenleben der EinwohnerInnen geben."

Die wesentlichste Stärke der Integrationsfachkräfte besteht in ihrer Pioniersituation, da ihr Aufgabengebiet überwiegend erst in den letzten 10 Jahren entwickelt wurde, in ihrer hohen, aber sehr ausdifferenzierten Qualifikation und in der Heterogenität ihres Aufgabengebietes, was gleichzeitig aber auch eine Schwäche ausmacht, denn sie erschwert Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung für die kommunale Integrationsarbeit. Eine weitere Schwäche ist die sich aus der Querschnittsmaterie ergebende Allzuständigkeit, die gleichzeitig eine Nichtzuständigkeit in (fast) allen Sachfragen ist.

"Eine eigene postsekundäre Ausbildung für Integrationsbeauftragte würde einen Beitrag zur Vereinheitlichung und damit zur Qualitätsentwicklung und -sicherung leisten", so Schmid. Die Anforderungen an solch eine Ausbildung wären die Stärken der Pioniersituation dieses Arbeitsfeldes produktiv zu nutzen und mit einem Angebot zur vertiefenden Vernetzung, zum Informations- und Vorbildertransfer und letztendlich zu einem produktiven Benchmarking zu verbinden.

Schmid: "Wie Integrationspolitik in den einzelnen Kommunen letztlich ausgestaltet wird, hängt von vielfältigen Faktoren und Rahmenbedingungen, wie Größe, Struktur und Ressourcen der Kommunen, aber auch dem lokalpolitischen Willen in den Städten und Gemeinden ab. In Zukunft wird die kommunale Integrationspolitik angesichts zentraler integrationspolitischer Herausforderungen in den Städten und Gemeinden immer mehr an Bedeutung gewinnen. Für Integrationsverantwortliche sollten aus diesem Grund einheitliche Qualifikationsstandards festgelegt werden, um ihnen ihre tägliche Arbeit zu erleichtern."

Abschließend forderte Generalsekretär Weninger: "Wenn alle Beteiligten auch weiter mit aller Kraft gemeinsam daran arbeiten, wird es gelingen, grundlegende Ziele, wie gleiche Chancen auf Bildung und Wohlstand, persönliche Entfaltung und gesellschaftliche Teilhabe zu erreichen. Alle Regelungen, die in diesem Bereich sinnvoll sind, werden erfolgreich sein, wenn wir unsere Anstrengungen auf Bund-, Länder- und Gemeindeebene bei der Integration massiv verstärken."

Der Österreichische Städtebund ist die kommunale Interessenvertretung von rund 250 Städten und größeren Gemeinden. Etwa 65 Prozent der Bevölkerung und 71 Prozent der Arbeitsplätze befinden sich in Österreichs Ballungsräumen.

Mitglieder des Städtebundes sind neben Wien und den Landeshauptstädten praktisch alle Gemeinden mit über 10.000 EinwohnerInnen. Die kleinste Mitgliedsgemeinde zählt knapp 1.000 EinwohnerInnen. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. Der Österreichische Städtebund ist Gesprächspartner für die Regierung auf Bundes- und Landesebene und ist in der österreichischen Bundesverfassung (Art. 115 Abs.3) ausdrücklich erwähnt.

 

 

 

Informationen: http://www.staedtebund.at

 

 

 

 

 

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