Ausbildung von Integrationsbeauftragten standardisieren
Wien (rk) - 17,8 Prozent der Wohnbevölkerung in Österreich, das sind 1,46 Millionen Menschen,
haben sogenannten "Migrationshintergrund", das bedeutet: entweder sie oder ihre Eltern wurden außerhalb
des Bundesgebietes als "NichtösterreicherInnen" geboren (Quelle: Statistik Austria). "Erfolgreiche
Integration entscheidet sich jeden Tag vor Ort - also in Österreichs Städten und Gemeinden. Vor dem Hintergrund
demografischer Veränderungen gewinnt die kommunale Integrationspolitik sowohl in Großstädten als
auch in kleineren Städten und Gemeinden an Bedeutung", sagt Städtebund-Generalsekretär Thomas
Weninger anlässlich der gemeinsamen Pressekonferenz mit Stadträtin Sandra Frauenberger am 25.01.
"Um die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Integration vor Ort zu verbessern, haben Städte
und Gemeinden in den vergangenen Jahren zahlreiche Maßnahmen erfolgreich umgesetzt und das obwohl die finanziellen
Mittel immer restriktiver werden", betont Weninger. Um die Anforderungen der Zukunft besser abschätzen
zu können, hat der Österreichische Städtebund mittels zweier Studien die Situation in den Mitgliedsstädten
genauer untersuchen lassen und die Ergebnisse folgender Untersuchungen nun aktuell präsentiert:
"Kosten unzureichender sozialer Integration im Allgemeinen und besonders der EinwanderInnen" und "Qualifikationsstand
und Qualifikationsbedarf der Integrationsverantwortlichen österreichischer Städte".
"Die jeweiligen Schlussfolgerungen bringen wertvolle Anregungen für bessere Teilhabechancen für
Menschen mit Migrationshintergrund", so Weninger
Nostrifikationssystem verbessern
Sandra Frauenberger, Integrationsstadträtin und stellvertretende Vorsitzende des Städtebund-Fachausschusses
für Integration stellte die Eckpunkte des Wiener Integrationskonzeptes dar: "Schon lange wissen wir,
dass nicht die örtliche sondern die soziale Herkunft für die Zukunft jedes und jeder Einzelnen zentral
ist. Erklärtes Ziel ist daher der soziale Aufstieg für alle. Um das zu erreichen setzen wir den Hebel
bei Chancengerechtigkeit an, die mit gerechteren Zugang zu Bildung und Arbeit garantiert werden soll." Dabei
stützt sich die Integrationspolitikerin auf die zahlreichen Maßnahmen der Stadt Wien. "Beruflichen
Erstinformation für NeuzuwanderInnen, gezielte berufliche Weiterbildung und die damit verbundene Erhöhung
von Jobchancen sowie Beratungsangebote zur Anerkennung von mitgebrachten Ausbildungen, sind einige unserer Projekte.
Wir garantieren in diesem Bereich eine breite Palette an Maßnahmen, die für alle zugänglich sind
und auf verschiedene Bedürfnisse abzielen", erklärt Frauenberger.
In diesem Zusammenhang ortet die Stadträtin weiteren Verbesserungsbedarf bei der Anerkennung von im Ausland
erworbenen Qualifikationen. Frauenberger: "Es geht nicht nur um Ausbildung. Es geht auch darum, mitgebrachte
Qualifikationen anzuerkennen. Das passiert in Wien seit Jahren mit umfassender Beratung und Niederlassungsbegleitung.
Es freut mich, dass sich der Sozialminister mit unserem Modell auch im Bund durchsetzen konnte und zentrale Anlaufstellen
in mehreren Städten angeboten werden können. Um Anerkennungen zu erleichtern, muss darüber hinaus
aber auch die gesetzliche Situation verbessert werden".
Dazu Studienautor August Gächter vom Zentrum für soziale Innovation (ZSI): "Eine gelernte Krankenpflegerin
als Raumpflegerin arbeiten zu sehen ist frustrierend. Wäre im Ausland erworbene Bildung gleich viel wert wie
jene im Inland erworbene, wäre die Beschäftigungswahrscheinlichkeit der Frauen um 16 und die der Männer
um 10 Prozentpunkte höher. Das Hauptproblem ist nicht, dass EinwanderInnen zu wenig Bildung haben sondern,
dass ihre Bildung am Arbeitsmarkt nicht honoriert wird".
Weitere Ergebnisse der Untersuchung
Wären EinwanderInnen statt in Hilfs- und Anlerntätigkeiten (für die man keine Ausbildung braucht)
in adäquaten beruflichen Positionen beschäftigt, würden sie in Summe um brutto 1 Mrd. Euro mehr
im Jahr verdienen. Davon würden etwa 60 Prozent bei Männern und etwa 40 Prozent bei Frauen anfallen.
Andererseits blockieren MigrantInnen mit mittlerer und höherer Bildung die Beschäftigung in Hilfs- und
Anlerntätigkeiten im Ausmaß von etwa 92.000 Vollzeitäquivalenten, die ansonsten für gering
qualifizierte Arbeitssuchende zugänglich sein könnten.
Beides, die beruflichen Aufstiege und die Nachbesetzungen, würde die Lohn- und Gehaltssumme vergrößern,
an der die Kommunen durch den Finanzausgleich partizipieren. Eine verbesserte Beschäftigungssituation von
MigrantInnen kann nicht nur dem Mangel an Fachkräften entgegenwirken sondern auch die Finanzsituation vieler
Kommunen entspannen: Laut Studie, verbirgt sich ein Potenzial von bis zu 1,348 Milliarden Euro jährlich an
zusätzlichen Einnahmen und verringerten Ausgaben.
Was können Städte und Gemeinden tun?
Nicht nur Betriebe, auch Kommunen wissen zu wenig über die Qualifikationen und beruflichen Erfahrungen
ihrer eingewanderten Bevölkerung Bescheid. Städte und Gemeinden sind auf lokaler Ebene wichtige ArbeitgeberInnen,
daher sollten sie die Qualifikationen der EinwanderInnen in ihrer Beschäftigtenstruktur adäquat repräsentieren.
"Ein geeignetes Instrument könnten auch lokale Beschäftigungspakte sein", so Studienautor Gächter
und weiter: "einen territorialen Beschäftigungspakt gibt es zwar in jedem Bundesland, aber lokale Pakte
hat es bisher in Österreich nicht gegeben. Für eine ambitionierte Kommune wäre dies ein gut geeigneter
Ansatzpunkt, um an der Gestaltung des örtlichen Beschäftigungswesens vermehrt teilnehmen zu können."
Pakte im Sinn der EU Strukturfonds bestehen darin, Gebietskörperschaften, Betriebe, Arbeitnehmervertretungen,
Vereine und Initiativen an einem Tisch zu versammeln, damit sie Ideen und Pläne entwickeln, Erfahrungen austauschen,
sich gemeinsam weiterbilden und die örtliche Beschäftigung quantitativ und qualitativ verbessern.
Zweite Studie: Qualifikation von Integrationsverantwortlichen
"Im Zuge unserer Untersuchung haben wir den Ausbildungsstand von Integrationsbeauftragten sowie das Wissen
über Integrationsleitbilder und –strategien vertieft," sagt Tom Schmid, Sozialökonomische Forschungsstelle
(SFS) und meint weiter: "Es gibt in fast allen untersuchten Städten Maßnahmen wie z.B. Integrationsleitbilder,
Integrationsbeiräte bzw. Integrationsbeauftragte, die wichtige Impulse für das Zusammenleben der EinwohnerInnen
geben."
Die wesentlichste Stärke der Integrationsfachkräfte besteht in ihrer Pioniersituation, da ihr Aufgabengebiet
überwiegend erst in den letzten 10 Jahren entwickelt wurde, in ihrer hohen, aber sehr ausdifferenzierten Qualifikation
und in der Heterogenität ihres Aufgabengebietes, was gleichzeitig aber auch eine Schwäche ausmacht, denn
sie erschwert Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung für die kommunale Integrationsarbeit.
Eine weitere Schwäche ist die sich aus der Querschnittsmaterie ergebende Allzuständigkeit, die gleichzeitig
eine Nichtzuständigkeit in (fast) allen Sachfragen ist.
"Eine eigene postsekundäre Ausbildung für Integrationsbeauftragte würde einen Beitrag zur Vereinheitlichung
und damit zur Qualitätsentwicklung und -sicherung leisten", so Schmid. Die Anforderungen an solch eine
Ausbildung wären die Stärken der Pioniersituation dieses Arbeitsfeldes produktiv zu nutzen und mit einem
Angebot zur vertiefenden Vernetzung, zum Informations- und Vorbildertransfer und letztendlich zu einem produktiven
Benchmarking zu verbinden.
Schmid: "Wie Integrationspolitik in den einzelnen Kommunen letztlich ausgestaltet wird, hängt von vielfältigen
Faktoren und Rahmenbedingungen, wie Größe, Struktur und Ressourcen der Kommunen, aber auch dem lokalpolitischen
Willen in den Städten und Gemeinden ab. In Zukunft wird die kommunale Integrationspolitik angesichts zentraler
integrationspolitischer Herausforderungen in den Städten und Gemeinden immer mehr an Bedeutung gewinnen. Für
Integrationsverantwortliche sollten aus diesem Grund einheitliche Qualifikationsstandards festgelegt werden, um
ihnen ihre tägliche Arbeit zu erleichtern."
Abschließend forderte Generalsekretär Weninger: "Wenn alle Beteiligten auch weiter mit aller Kraft
gemeinsam daran arbeiten, wird es gelingen, grundlegende Ziele, wie gleiche Chancen auf Bildung und Wohlstand,
persönliche Entfaltung und gesellschaftliche Teilhabe zu erreichen. Alle Regelungen, die in diesem Bereich
sinnvoll sind, werden erfolgreich sein, wenn wir unsere Anstrengungen auf Bund-, Länder- und Gemeindeebene
bei der Integration massiv verstärken."
Der Österreichische Städtebund ist die kommunale Interessenvertretung von rund 250 Städten
und größeren Gemeinden. Etwa 65 Prozent der Bevölkerung und 71 Prozent der Arbeitsplätze befinden
sich in Österreichs Ballungsräumen.
Mitglieder des Städtebundes sind neben Wien und den Landeshauptstädten praktisch alle Gemeinden mit über
10.000 EinwohnerInnen. Die kleinste Mitgliedsgemeinde zählt knapp 1.000 EinwohnerInnen. Die Mitgliedschaft
ist freiwillig. Der Österreichische Städtebund ist Gesprächspartner für die Regierung auf Bundes-
und Landesebene und ist in der österreichischen Bundesverfassung (Art. 115 Abs.3) ausdrücklich erwähnt.
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