JuristInnen der Uni Graz beleuchten Menschenrechte im World Wide Web
Graz (universität) - Ob Mobbing im sozialen Netzwerk, neonazistische Äußerungen und gewaltverherrlichende
Darstellungen auf Webseiten, Diskriminierungen in Foren oder Verbreitung von Pornographie: Tagtäglich werden
Menschenrechte in der realen wie auch in der virtuellen Welt verletzt. Im Juli 2012 hat der Menschrechtsrat der
UNO in einer Resolution beschlossen, dass alle Menschenrechte, die offline gelten auch online Gültigkeit haben.
„Ein wichtiger Schritt im Internetrecht, das noch weiter ausgebaut gehört“, fordert der Grazer Jurist und
Internetexperte, Dr. Matthias C. Kettemann, LL.M. (Harvard). Gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Benedek geht
Kettemann am Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen der Karl-Franzens-Universität
Graz vor allem der Frage nach, wie man Menschenrechte im Web besser schützen kann. Im Schwerpunkt „Internet
Governance und Menschenrechte“ erforschen er und seine KollegInnen seit beinahe zehn Jahren dieses sensible Thema.
Dabei beraten die WissenschafterInnen sogar internationale Organisationen wie den Europarat.
In den Anfangszeiten des Internets wurde kein Augenmerk auf die Einhaltung von Menschenrechten gelegt. „In seiner
ursprünglichen Idee war das Internet ja eine Vernetzung zwischen verschiedenen Computern, für militärische
und wissenschaftliche Zwecke. Sehr lange hat man gedacht, dass im Internet nur der Code zählt und nicht die
Gesetze“, betont der Internetjurist, der 2012 in Berlin ein Initiative mit 50 ExpertInnen zu Menschenrechten im
Internet geleitet hat. „Erst als Unternehmen zunehmend das Internet zu nutzen begonnen haben und sich die Internetwirtschaft
gebildet hat, wurde auch über gesetzliche Regelungen nachgedacht.“ Heute reiche es nicht mehr aus, nur einen
technischen Rahmen zu schaffen; auch das Internetrecht müsse mit Substanz gefüllt werden, so Kettemann.
Gegenwärtig gibt es keine zentrale Organisation, die das Internet verwaltet und die Menschenrechte schützt.
Die ExpertInnen halten daher eine engere Zusammenarbeit unter den einzelnen Staaten für notwendig und essenziell.
Fokus Meinungsfreiheit
Im Zentrum des Forschungsinteresses steht der Schutz von Menschenrechten, insbesondere von Kindern; ein Fokus
wird auch auf die Meinungsfreiheit im Netz gelegt. „Wie zensieren Staaten das Internet und besonders soziale Netzwerke
und wie kann man effektiv dagegen kämpfen? Und ist Internetzugang auch ein Menschenrecht?“, zählt Kettemann
auf. Zurzeit stellen die InternetexpertInnen ein Buch über diese Fragen für den Europarat fertig. Dabei
fest verankert sind auch Themen wie etwa die Rolle des Staates in sozialen Netzwerken und die der unterschiedlichen
AkteurInnen. „Wie kann man als Kind, als Erwachsener soziale Netzwerke nutzen, ohne Menschenrechtsverletzungen
zu begehen oder Menschenrechtsverletzungen zum Opfer zu fallen.“ Denn die Menschenrechte stehen in enger Verbindung
mit dem KonsumentInnenschutz. „Unsere Aufgabe besteht darin, das Bewusstsein, dass viele Regeln im Konsumentenschutz
menschenrechtlich fundiert sind, zu schärfen“, sagt Kettemann. Benedek ist gerade im Auftrag des Europarates
an der Erarbeitung eines Kompendiums für die Rechte von Internetnutzern beteiligt.
Die Initiativen des Instituts sind in den Schwerpunkt „Menschenrechte, Demokratie, Diversität und Gender“
der Rechtswissenschaftlichen Fakultät eingebettet, der wiederum Teil des universitären Forschungsschwerpunkts
„Heterogenität und Kohäsion“ ist.
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